Wie das Projekt Wallbox-Inspektion erstmals Qualität messbar macht
Elektromobilität boomt und parallel dazu sind an immer mehr Eigenheimen Wallboxen zu finden. Doch wie lässt sich damit der Solarstrom vom eigenen Dach möglichst smart nutzen? Im Projekt „Wallbox-Inspektion“ haben Forschende des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE gemeinsam mit HTW Berlin und ADAC erstmals Prüfverfahren für solaroptimiert gesteuertes Laden entwickelt und marktverfügbare Wallboxen damit getestet.

Im Projekt Wallbox-Inspektion wird erstmals ein Qualitätsstandard für Wallboxen entwickelt.
Foto: Fraunhofer ISE
Unterschiedliche Reaktionszeiten, unpräzise Steuerung oder ineffizientes Standby-Verhalten machen eine Vergleichbarkeit bislang schwer. Genau hier setzt das vom Fraunhofer ISE, der HTW Berlin und dem ADAC koordinierte Projekt Wallbox-Inspektion an. Ziel ist nichts weniger als ein standardisiertes Bewertungssystem, das erstmals die Qualität solaroptimierten Ladens vergleichbar macht – und so Endnutzern wie Herstellern gleichermaßen Orientierung bietet.
Schon heute findet laut Bundesnetzagentur (BNetzA) über die Hälfte aller Ladevorgänge zu Hause statt, bei Photovoltaik (PV)-Anlagenbesitzern sogar deutlich häufiger. Naheliegend – immerhin macht es ökologisch wie ökonomisch Sinn, den tagsüber erzeugten Strom direkt für das eigene Fahrzeug zu nutzen. Doch der Erfolg dieser Idee steht und fällt mit der Fähigkeit der Technik, den überschüssigen Solarstrom intelligent und möglichst vollständig ins E-Auto zu leiten. Eine gut konzipierte Wallbox muss dazu nicht nur präzise den Energieüberschuss erfassen, sondern auch in Echtzeit reagieren – insbesondere bei wechselhafter Einspeisung, durch Wolken oder Geräte im Haushalt.
Wechselwirkungen zwischen Fahrzeug, Wallbox und Energiequelle analysieren
Die im Projekt entwickelten Prüfverfahren bilden dabei erstmals realitätsnahe Alltagssituationen nach. Grundlage ist eine hochmoderne Testumgebung im Digital Grid Lab des Fraunhofer ISE. Dort simuliert ein digitaler Fahrzeugzwilling – der sogenannte „ev twin“ – das Ladeverhalten von 5 000 verschiedenen E-Automodellen. Dadurch lassen sich sämtliche Wechselwirkungen zwischen Fahrzeug, Wallbox und Energiequelle unabhängig vom jeweils eingesetzten Autotyp analysieren. Der Vorteil: ein neutraler, wiederholbarer Vergleich unter standardisierten Bedingungen. Für die Emulation wird statt realer Fahrzeuge mit bidirektionalen Netzteilen gearbeitet – ein methodischer Durchbruch, der den Einfluss fahrzeugspezifischer Ladegeräte ausschließt und so vergleichbare Ergebnisse garantiert.
Neben der Reaktionsgeschwindigkeit auf sich ändernde Solarstromangebote wurden vor allem das Umschalten zwischen ein- und dreiphasigem Betrieb sowie das Verhalten im Standby-Modus bewertet. Einige Wallboxen zeigten in Tests eine träger als erwartete Reaktion auf sich verändernde Leistungswerte – teils mit Verzögerungen von bis zu 90 Sekunden. In der Praxis führt das dazu, dass Sonnenenergie ungenutzt bleibt oder unnötig Netzstrom bezogen wird. Besonders gut schnitten hingegen jene Geräte ab, die nicht nur eine hohe Regelgüte zeigten, sondern zudem intelligent in einen stromsparenden „Deep Standby“-Modus wechseln konnten.
Das volle Potenzial von Wallboxen nutzen
Ein Kernergebnis der Untersuchung: Viele Wallboxen zeigen ihr volles Potenzial erst dann, wenn sie gezielt auf das jeweilige Energiesystem eingestellt werden. Voreinstellungen oder Standardkonfigurationen nutzen das vorhandene Solarangebot oft nicht optimal. „Wer seine Wallbox individuell auf die heimische PV-Anlage, den Haushalt und das eigene Auto abstimmt, kann deutlich effizienter laden“, erklärt Dr. Bernhard Wille-Haussmann, Projektleiter beim Fraunhofer ISE.
Wallbox-Score als Orientierungshilfe
Um Verbraucherinnen und Verbrauchern eine verständliche Orientierung im Wallbox-Dschungel zu bieten, wurde auf Basis der Testergebnisse der sogenannte Wallbox-Score entwickelt. Er fasst die Leistungsfähigkeit eines Geräts in einer leicht nachvollziehbaren Kennzahl zusammen und berücksichtigt dabei zentrale Parameter wie Steuerungstreue, Energieeffizienz und Kommunikationsqualität. Die HTW Berlin war für die Konzeption der Bewertungsmethodik verantwortlich, der ADAC nutzt die Resultate aktiv in seiner Verbraucherberatung.
Solarstrom optimal für Ladevorgang nutzen
Der Bedarf an solchen Standards ist enorm. Bis 2030 rechnet das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mit mehreren Millionen Elektrofahrzeugen auf deutschen Straßen. Damit wird auch der Bedarf an qualitativ hochwertigen Heimladelösungen steigen. Die zunehmende Einspeisung dezentraler erneuerbarer Energien stellt die Netze ohnehin vor Herausforderungen. Intelligentes Laden, das sich am tatsächlichen Solarstromangebot orientiert, wird zu einem wichtigen Baustein, um Netzausbaukosten zu reduzieren und Versorgungssicherheit zu erhöhen.
Internationale Vergleiche zeigen, dass Deutschland mit dem Projekt Wallbox-Inspektion eine Vorreiterrolle einnimmt. Während in anderen Ländern der Fokus häufig auf der Ladegeschwindigkeit oder der Zahl öffentlicher Ladepunkte liegt, setzt man hierzulande verstärkt auf Effizienz, Integration und Steuerbarkeit. Auch die EU fördert über Programme wie „Fit for 55“ technische Standards zur Sektorenkopplung – also der Verbindung von Strom, Mobilität und Wärme. Wallboxen gelten dabei als Schlüsseltechnologie, um die Flexibilität des Stromsystems zu erhöhen und den Eigenverbrauch zu maximieren.
Was einheitliche Qualitätsstandards bringen
Das Projektteam sieht in den entwickelten Prüfverfahren zudem eine wichtige Rückmeldung für die Industrie. Denn bislang sind die Unterschiede zwischen den Herstellern erheblich. Mit einem standardisierten Testleitfaden können Entwickler gezielt Schwächen identifizieren und ihre Geräte für den Betrieb in intelligenten Energiesystemen optimieren. Besonders bei günstigeren Modellen aus dem Ausland fehlte bislang oft eine verlässliche Vergleichbarkeit.
Nicht zuletzt ist auch die politische Dimension des Projekts beachtlich. Gefördert wurde es vom BMWK – in Einklang mit den Zielen des Koalitionsvertrags, der die beschleunigte Transformation des Verkehrssektors und die Förderung der Elektromobilität vorsieht. So könnte die Einführung eines einheitlichen Qualitätsstandards für Wallboxen auch als Impuls für zukünftige Förderprogramme dienen, bei denen nicht nur der Preis, sondern die tatsächliche Eignung zur Solaroptimierung zählt.