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Innovative Kunststoffe 09.12.2025, 09:00 Uhr

Nachhaltigere Polyurethane mit verbesserten Eigenschaften

In Aachen hat ein Start-up ein neues Verfahren für innovativ einsetzbare Polymerbausteine entwickelt. Mit diesen neuen „POM“-Bausteinen lassen sich beispielsweise Polyurethane, die fester, stabiler und wasserabweisender als klassische Polyurethane sind, herstellen. Davon können Unternehmen der Verpackungs-, Automobil-, Bau- und Elektronikindustrie profitieren. Und: Bei deren Herstellung wird deutlich weniger CO₂ als bei üblicherweise eingesetzten Polyurethanen frei.

Polyurethane mit den neuen POM-Polyolen sind  fester, stabiler und wasserabweisender als klassische Polyurethane. Sie können daher in vielen Wirtschaftsbranchen eingesetzt werden, etwa in Industrieklebstoffe:n, Schmierstoffen und Beschichten. Computergrafik: Power2Polymers

Polyurethane mit den neuen POM-Polyolen sind fester, stabiler und wasserabweisender als klassische Polyurethane. Sie können daher in vielen Wirtschaftsbranchen eingesetzt werden, etwa in Industrieklebstoffe:n, Schmierstoffen und Beschichten. Computergrafik: Power2Polymers

Die Herausforderungen sind bekannt: Ressourcenknappheit, Klimawandel und Abhängigkeiten von Lieferketten sind einige davon. Das gilt auch für die chemische Industrie, die neue leistungsstarke und nachhaltige Materialien benötigt. Hier setzt das Start-Up Power2Polymers an. Es ist 2024 aus einer Kooperation der RWTH Aachen mit Industriepartnern hervorgegangen.

Die vier Gründer des Start-ups wollen neuartige Polymermaterialien mit besserem Nachhaltigkeitsprofil entwickeln. Ihre Vision: die Entwicklung einer nachhaltigen chemischen Wertschöpfungskette auf Basis sogenannter „C1-Bausteine“, also von Chemikalien, die genau ein Kohlenstoffatom enthalten. Ein typischer Vertreter der C1-Bausteine ist Methanol (CH3OH). Hierauf aufbauend werden Polymerbausteine für Spezialanwendungen wie Beschichtungsmaterialien, Schmierstoffe und Industrieklebstoffe hergestellt, die einen verbesserten Kohlenstofffußabdruck mit innovativen und anpassbaren Anwendungsvorteilen kombinieren.

Rohstoff Methanol

Methanol kann aus Biomasse oder über Power-to-X-Verfahren aus grünem Wasserstoff und abgeschiedenem CO2 hergestellt werden. Dies ermöglicht eine signifikante Defossilisierung der Wertschöpfungskette. Aus Methanol kann in mehreren chemischen Schritten ein hochmolekularer thermoplastischer Kunststoff, das Polyoxymethylen (POM), hergestellt werden. Power2Polymers nutzt jedoch nicht das klassische hochmolekulare POM, sondern kurzkettige POM-Bausteine als Rohstoff für die Synthese neuer Polyether-Polyole.

Der Aachener Trick: aus fest wird flüssig!

Die eigentliche technische Innovation des Aachener Start-ups ist, die üblicherweise fest vorliegenden kurzen POM-Bausteine indirekt in einen flüssigen Aggregatszustand zu überführen, um es prozesstechnisch nutzbar zu machen. Der Clou: Diese kurzen POM werden über ein patentiertes Verfahren als Baustein in flüssige Polyether-Polyole (genauer: in Polypropylenglykole) integriert. Diese Polyether-Polyole bestehen aus C3-Bausteinen: dem Propylenoxid.

Der Trick ist also, der Synthese von Polyether-Polyolen POM-Moleküle zuzusetzen, die dann einige Propylenoxid-Bausteine ersetzen. Es entstehen neuartige POM-Polyole. Diese sind flüssig und können gut weiterverarbeitet werden. Das hat zwei Vorteile:

  • Ersetzen POM-Bausteine in Polyether-Polyolen teilweise aus fossilen Quellen stammendes Propylenoxid, sinken CO2-Emissionen um bis zu 25 %. 60 % werden es, stammen die POM-Bausteine aus grünem Methanol.
  • Die POM-Polyole und daraus entstehende Produkte erhalten einige POM-Eigenschaften wie hohe Festigkeit und Steifigkeit, einen geringen Reibungskoeffizienten und Hydrophobizität, sie sind also wasserabweisender.

Die Grundlage für dieses Verfahren wurde im Rahmen des Kopernikus-Projekts „Power-to-X” gelegt. Dieses Verbundvorhaben hat das Ziel, zu einer nachhaltigen Energie- und Rohstoffwende in Deutschland zu beizutragen. Es begann zu Mitte der 2010er Jahre und befindet sich derzeit in der Demonstrations- und Umsetzungsphase.

Polyurethane mit Überraschungen …

Das Haupt-Folgeprodukt der POM-Polyole sind derzeit neuartige Polyurethane, die klassisch aus Polyolen und Isocyanaten gebildet werden. Diese POM-haltigen Polyurethane zeichnen sich gegenüber herkömmlichen Polyurethanen durch eine Reihe verbesserter Eigenschaften aus:

  • POM-Polyurethane sind mit unpolaren Materialien wie Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) besser verträglich. Dies erlaubt etwa, polyurethanhaltige Klebstoffe herzustellen, die unpolare Verpackungsfolien auf Basis von PE und PP besser verkleben und
  • sie sind im Vergleich zu konventionellen Polyurethanen wasserabweisender, reißen später bei Dehnung, absorbieren mehr Wärme und sind weniger sauerstoffdurchlässig.

Diese Eigenschaften machen sie interessant für einige Anwendungen: etwa in Industrieklebstoffen bei Verpackungen, beim Bau und der Elektronik oder als Beschichtungen im Bereich Bau und Fahrzeugen. Weiterhin können POM-Polyole selbst als Schmierstoffe im Maschinenbau eingesetzt werden.

POM-Polyole sowie Produktprototypen aus den Bereichen Schmierstoff, Klebstoff, Beschichtung und thermoplastische Polyurethane.

Foto: Power2Polymers

POM-Polyole mischen sich zudem auch gut mit Polymilchsäure (PLA), was bei konventionellen Polymeren oft ein Problem darstellt. Auch dies öffnet neue Einsatzmöglichkeiten.

… maßgeschneidert hergestellt

Ein zentrales technisches Alleinstellungsmerkmal des Start-ups Power2Polymers ist die gezielte Steuerung der Struktur der neuen POM-Polyole. Über die jeweiligen Syntheseprozesse lässt sich der POM-Gehalt in den POM-Polyolen variieren. Damit können Materialeigenschaften wie Viskosität, Wasserlöslichkeit oder Funktionalität für die gewünschte Anwendung eingestellt werden. Es lassen sich also Polymere mit spezifischem Eigenschaftsprofil nach Bedarf und Anwendung erzeugen.

Der Prozess zur Herstellung ist skalierbar und – basierend auf technoökonomischen Analysen aus dem Kopernikus-Projekt – großskalig wettbewerbsfähig zu konventionellen Materialien. Damit erfüllt das Verfahren die vier wichtigsten Punkte für eine erfolgreiche Materialinnovation: Leistungsvorteile, Preiskompetitivität, Skalierbarkeit und geringerer Kohlenstofffußabdruck.

Das genügt Power2 Polymers nicht. Das Unternehmen verfolgt die weitere Defossilisierung der Rohstoffe und arbeitet daher daran, eine vollständig nachhaltige Herstellung zu etablieren. Dazu sind entsprechende Partner in der Upstream-Wertschöpfungskette und ausreichende Mengen an nachhaltigem Methanol notwendig. Die Vision ist klar: Power2Polymers soll zu einem Wegbereiter für nachhaltige, „Made in Germany“ Polymermaterialien mit spezifischen Anwendungsvorteilen werden. Für einen innovativen, unabhängigen und zukunftsfähigen Chemiestandort Deutschland. Für eine Industrie, die Leistung und Verantwortung verbindet, und für Materialien, die schon heute an übermorgen denken.

Das Power2Polymers-Team mit den Gründern Yannik Kohlhaas, Dr. Guido Schroer, Dr. Tobias Riedl und Dr. Harald Rubner (hinterste Reihe, zweite bis fünfte Person von links).

Foto: Power2Polymers

Von Dr. Guido Schroer, Marek Balschun, Dr. Harald Rubner

Dr. A.S. Guido Schroer ist CEO bei Power2Polymers, G.Schroer@power2polymers.com
Marek Balschun ist bei Power2Polymers, M.Balschun@power2polymers.com
Dr. Harald Rubner ist CSO bei Power2Polymers, H.Rubner@power2polymers.com