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Kunststoffgranulate hörbar verarbeiten 10.09.2025, 10:00 Uhr

Kunststoffe mit Ultraschall nachhaltiger herstellen

Mit dem Ultraschallsensor eines österreichischen Start-ups lässt sich sehr genau „hören“, wie sich Kunststoffschmelzen verhalten. Dieses Prozesswissen erlaubt, Verarbeitungsschritte genauer einzustellen – und damit Energie und Material einzusparen sowie Stillstände und Wartungszeiten zu verringern.

Thomas Mitterlehner (links), Geschäftsführer von Moldsonics, übergibt Michael Meister von der Beraterfirma Meister-Quadrat in Niklasdorf, Österreich, eine Elektronikeinheit. Meister-Quadrat wird die Sensorik künftig in Schulungen zur Spritzgießprozessanalyse einsetzen – für tiefere Einblicke in das Materialverhalten und ein besseres Verständnis der Prozessdynamik in Echtzeit. Foto: Moldsonics

Thomas Mitterlehner (links), Geschäftsführer von Moldsonics, übergibt Michael Meister von der Beraterfirma Meister-Quadrat in Niklasdorf, Österreich, eine Elektronikeinheit. Meister-Quadrat wird die Sensorik künftig in Schulungen zur Spritzgießprozessanalyse einsetzen – für tiefere Einblicke in das Materialverhalten und ein besseres Verständnis der Prozessdynamik in Echtzeit.

Foto: Moldsonics

Die Anforderungen an das Verarbeiten von Kunststoffen steigen stetig. Wer heute wettbewerbsfähig produzieren will, muss nicht nur hochqualitative Bauteile liefern, sondern auch ressourcenschonend, prozesssicher und zunehmend autonom fertigen. Gleichzeitig fehlen in vielen Unternehmen die Fachkräfte, um beispielsweise komplexe Spritzgießprozesse effizient einzurichten und dauerhaft stabil zu halten.

Genau hier setzt ein innovativer Sensorikansatz an: ultraschallbasierte Inline-Messtechnik für den Werkzeuginnenraum. Diesen Ansatz hat das Start-up Moldsonics in Linz, Österreich, aus der wissenschaftlichen Forschung heraus in die industrielle Anwendung überführt.

Unsichtbares mit Ultraschall hören

Der Clou: Die akustische Messtechnik erlaubt für Spritzgießwerkzeuge und Plastifiziereinheiten – also die Einheiten, in denen das feste Kunststoffgranulat aufgeschmolzen und homogenisiert wird – einen bisher unerreichten Einblick ins Materialverhalten. Während herkömmliche Sensoren, die etwa Druck oder Temperatur messen, nur direkt an der Werkzeugwand oder der Grenzfläche messen, analysiert das Ultraschallverfahren die Vorgänge im Inneren des Kunststoffs.

Diese Ultraschallsensoren arbeiten sowohl im Durchschall- als auch im Punktmessmodus mittels Puls-Echo-Verfahren. Dabei gelingt es, durch mehrere Zentimeter Stahl hindurch gezielt Informationen über Zustand, Struktur und Dynamik des Kunststoffs zu gewinnen – und das inline, berührungslos und in Echtzeit.

Einfach einbauen, präzise messen

Im Spritzgießwerkzeug können so beispielsweise die Fließgeschwindigkeit der Schmelze, der Erstarrungsverlauf sowie das bauteilbedingte Schrumpfen während der Abkühlphase detektiert werden. Bei der Verschleißmessung an Plastifiziereinheiten wird im laufenden Betrieb die Spaltweite zwischen der rotierenden Förderschnecke und der Zylinderinnenwand präzise erfasst – ein kritischer Parameter für die Energieeffizienz und Prozessstabilität.

Die Elektronikeinheit der Moldsonics-Ultraschallsensorik lässt sich frei auf der Maschine positionieren – wie hier etwa oberhalb der Plastifiziereinheit – und integriert sich nahtlos in bestehende Steuerungsarchitekturen. So bleibt die Nachrüstung einfach, ohne Einfluss auf den Maschinenaufbau oder den Prozessfluss.

Foto: Moldsonics

Der Einbau der Sensorik ist maximal einfach: Es genügt eine Sacklochbohrung mit einem Durchmesser von 10 mm. In keiner der Anwendungen hat der Sensorkopf direkten Kontakt mit der Kunststoffschmelze. Das bedeutet: Der Sensor wird weder mechanisch noch thermisch belastet. Daher können auch keine Undichtigkeiten auftreten und es gibt keine sichtbare Sensormarkierung am Bauteil.

Beitrag zur Defossilisierung durch Prozessstabilität

Die beste Energieeinsparung ist der Ausschuss, der gar nicht erst entsteht. Genau hier setzt die Technologie an: Das Ziel ist es, nicht nur passiv Qualitätsparameter zu erfassen, sondern aktiv in den Prozess einzugreifen. Die Sensorik liefert die Grundlage für eine adaptive Regelung, etwa durch Anpassung der Kühlung oder des Umschaltpunkts. Das trägt nicht nur zur Rohstoffeinsparung bei, sondern vermeidet energieintensive Nacharbeit, Ausschuss oder Maschinenstillstände – ein bedeutender Beitrag zur Energieeffizienz im Sinne der Defossilisierung, also der Reduktion fossiler Rohstoffe in Produktion und Produkten.

Ein Meilenstein für die Anwendung war, den Ultraschallsensor mit einer definierten Schnittstelle in Steuerungen von Spritzgussmaschinen der Firma Engel aus Schwertberg, Oberösterreich, zu integrieren. Dies erlaubt, die Sensordaten direkt im Maschinenregelkreis zu nutzen. Diese Integration sowie die Verschleißmessung an Plastifiziereinheiten werden im Oktober auf der K 2025 in Düsseldorf erstmals in vollem Umfang vorgestellt.

Konkret hinhören

Ein Fallbeispiel: Gemeinsam mit dem Maschinenbauer Erema aus Ansfelden nah bei Linz in Oberösterreich wurde der Ultraschallsensor bei einer Plastifiziereinheit getestet. Es zeigte sich, dass mithilfe der Ultraschallsensorik dort der Verschleißzustand dieser Einheit im laufenden Betrieb mit einer Genauigkeit von ± 0,05 mm präzise überwacht werden kann.

Das montierte MoldUni-System, das Standardprodukt von Moldsonics zur Überwachung von Spritzgießwerkzeugen, erfasst zentrale Phasen des Prozesses direkt in der Kavität – von der Formfüllung bis zur Erstarrung. Die daraus gewonnenen Daten ermöglichen eine transparente Analyse und eine adaptive Regelung des Prozesses in Echtzeit.

Foto: Moldsonics

Das ermöglicht nicht nur eine zustandsbasierte Wartung, sondern reduziert ungeplante Stillstandzeiten mit hohem Energieaufwand und steigert die Maschinenverfügbarkeit erheblich. Gleichzeitig verbessert sich die Prozesssicherheit bei der Verarbeitung von Rezyklaten – was zu einer höheren Recyclingquote und damit zu einem direkten Beitrag zur Defossilisierung führt.

Beispielsweise hätte ein ungeplanter Schneckenbruch, wie er durch die kontinuierliche Verschleißüberwachung verhindert werden kann, potenziell einen Produktionsausfall von mindestens einer Schicht zur Folge – im ungünstigsten Fall sogar von mehreren Wochen oder Monaten, wenn keine Ersatzschnecke verfügbar ist. Dadurch könnten komplette Monatsproduktionen von Recyclingmaterial entfallen – mit entsprechendem Einfluss auf Materialverfügbarkeit, Energieverbrauch und CO2-Bilanz.

Herausforderung Signalverarbeitung

Die Ultraschallsensoren bestehen aus besonders kompakten Baueinheiten, die elektrische Signale in hochfrequente Schallimpulse umwandeln und die reflektierten Signale wieder erfassen. Sie lassen sich robust in Werkzeuge oder Extruderkomponenten integrieren und sind bis 350 °C temperaturbeständig.

Die technische Herausforderung liegt in der Signalverarbeitung: Kunststoff dämpft Schall sehr stark. Lediglich etwa 3 % der ausgesandten Ultraschallenergie werden vom Medium reflektiert und kehren zum Sensor zurück. Aus diesem minimalen Signalanteil wird eine enorme Informationsdichte gewonnen – beispielsweise zur Identifikation von Erstarrungsfronten, Viskositätsänderungen oder Bauteilabweichungen.

Diese Auswertung erfordert spezialisierte Algorithmen, die mit anwendungsspezifischen Auswerteverfahren arbeiten und sowohl geometrische als auch materialbedingte Einflüsse berücksichtigen. Die Kombination aus Sensorintegration, Datenanalyse und industrieller Nutzbarkeit macht das System einzigartig.

Das siebenköpfige Moldsonics-Team entwickelt hochpräzise Ultraschallsensorik für den Einsatz in Spritzgießwerkzeugen und Extrudereinheiten. Die Technologie basiert auf mehr als zwölf Jahren Forschung und ermöglicht es Industriepartnern, Kunststoffprozesse effizienter, transparenter und nachhaltiger zu gestalten.

Foto: Moldsonics

Moldsonics auf der K 2025

Auf der K 2025 in Düsseldorf wird Moldsonics an sieben Partnerständen und mit einem eigenen Stand in Halle 12, Stand F35-04 vertreten sein und verschiedenste Anwendungen von Recycling über In-Mould-Coating bis hin zur standardisierten Schnittstellenintegration bei Maschinenherstellern zeigen.

Ein Highlight ist die erstmals öffentlich gezeigte Verschleißmessung im laufenden Extrusionsprozess. Darüber hinaus wird Moldsonics im Rahmen des Start-up-Wettbewerbs von PlasticsEurope beim offiziellen Pitch auf der Messebühne Einblicke in die Technologie und ihre Wirkung auf die Kunststoffindustrie der Zukunft geben.

Von Dr. Thomas Mitterlehner

Dr. Thomas Mitterlehner ist Geschäftsführer der Moldsonics GmbH
thomas.mitterlehner@moldsonics.at