Zweites Leben für 211 Millionen ausrangierte Smartphones möglich
Eine aktuelle Studie zeigt: In Europas Haushalten schlummern Millionen ausrangierter Smartphones, die wertvolle Rohstoffe binden und ein enormes Potenzial für Refurbishment bieten. Dies zu nutzen, könnte Ressourcen schonen und die Nachhaltigkeit in der Elektronikindustrie fördern.

Ausrangierte Smartphones beinhalten wertvolle Rohstoffe. Wie viele davon in Schubladen schlummern, ermittelte eine aktuelle Studie.
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Rund 119 Millionen ausrangierte Smartphones liegen allein in deutschen Haushalten – und etwa 40 Millionen davon könnten problemlos generalüberholt und erneut verwendet werden. Auf ganz Europa bezogen, befinden sich sogar 642 Millionen Altgeräte ungenutzt in Schubladen und Schränken. Davon sind 211 Millionen noch in einem Zustand, der eine Wiederaufbereitung zulässt. Diese Zahlen ermittelte eine von refurbed beauftragte Studie. Durchgeführt hat Fraunhofer Austria diese Studie und dabei auch den Wert der darin enthaltenen Rohstoffe berechnet.
So werden Reste zu wertvollen Rohstoffen
Die Untersuchung von Fraunhofer Austria geht der Frage nach, wie sich ein verändertes Konsumverhalten der Menschen in Europa – insbesondere durch Wiederverwendung, Reparatur und Refurbishment – auf den Rohstoffbedarf auswirken würde. Die Fachleute analysieren, welchen Einfluss eine solche Verhaltensänderung auf die kommenden Jahre hätte. Laut GSMA-Studie aus dem Jahr 2023 besitzen 82 Prozent der EU-Bürgerinnen und Bürger ein Smartphone, das im Schnitt weniger als drei Jahre genutzt wird. Allein 2023 wurden in der EU 113 Millionen neue Geräte verkauft, weltweit waren es sogar 1,24 Milliarden. Laut Eurostat-Umfrage bewahren knapp die Hälfte der Befragten ihre ausrangierten Smartphones zu Hause auf.
Ausrangierte Smartphones: Deutschland an der Spitze
Zwischen 2011 und 2023 haben sich laut Fraunhofer Austria insgesamt rund 642 Millionen nicht mehr genutzte Smartphones in Europa angesammelt. Diese Geräte binden enorme Mengen an Ressourcen und enthalten wertvolle, teils seltene Rohstoffe. Die Studie betrachtete 15 europäische Länder, von denen refurbed in elf aktiv ist, und ermittelte den jeweiligen Altbestand sowie die Zahl der für Refurbishment geeigneten Geräte. Deutschland führt mit 119,3 Millionen Altgeräten, von denen fast 40 Millionen erneut genutzt werden könnten. Frankreich folgt mit 96,7 Millionen Altgeräten, von denen 31,3 Millionen für eine Wiederaufbereitung infrage kommen. Selbst in Irland könnten von 7,6 Millionen ausrangierten Smartphones rund 2,5 Millionen wieder in den Kreislauf gebracht werden.
Der in den ausrangierten Smartphones enthaltene metallische Rohstoffwert beläuft sich laut Studie auf etwa 1,6 Milliarden Euro – bezugnehmend auf die Rohstoffpreise aus Februar 2025. Zwar stecken in jedem einzelnen Gerät nur wenige Gramm wertvoller Materialien, doch die riesige Menge von 642 Millionen Altgeräten sorgt am Ende für mehr als 41.000 Tonnen Metalle. Darunter befinden sich zahlreiche kritische Rohstoffe wie Seltene Erden, Zinn, Wolfram und Gold. Diese sind mangels Masse nicht nur teuer, sondern auch geopolitisch heikel, was sie nur eingeschränkt verfügbar macht. Die Studie ermittelte deshalb einen Marktwert der Altgeräte bei Rückkaufprogrammen von rund 6,42 Milliarden Euro.
Rohstoffe in ausrangierten Smartphones: Ein Schatz für Europa
Bezogen auf vier besonders kritische Rohstoffe – Kobalt, Gold, Magnesium und Palladium – ermittelten die Fachleute die Mengen, die sich in den 642 Millionen ungenutzten Smartphones befinden. So entsprechen die 8.916 Tonnen Kobalt dem Bedarf für eine Million Elektroauto-Batterien und übersteigen die EU-Importmenge von 2023 um das 1,4-Fache. Die 18 Tonnen Gold könnten für 4,5 Millionen Eheringe reichen, während 222 Tonnen Magnesium dem Material von 1,48 Milliarden Getränkedosen entsprechen. Mit 1,8 Tonnen Palladium ließen sich 900.000 Autokatalysatoren herstellen. Würden diese Ressourcen konsequenter genutzt, ließe sich Europas Abhängigkeit von Rohstoffimporten sicherlich deutlich verringern.
Insgesamt gibt es nach Ansicht der Fachleute verschiedene Szenarien, wie sich eine Verhaltensänderung auf die Kreislaufwirtschaft auswirkt. Bei einer verlängerten Nutzungsdauer sinke der Bedarf an neuen Geräten um 38 Prozent. Würden alle ungenutzten und refurbishbaren Geräte aufbereitet, müssten zwei Jahre lang keine neuen Smartphones für die EU produziert werden. Die Kombination aus längerer Nutzung und Refurbishment könnte Europa sogar für drei Jahre unabhängig von kritischen Rohstoffimporten machen.
Ausrangierte Smartphones fördern Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft
Rund 24 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent ließen sich in der EU in den nächsten drei Jahren einsparen. Möglich wäre dies durch die gezielte Wiederaufbereitung und längere Nutzung ausrangierter Smartphones. Gleichzeitig wäre auch ein positiver Effekt beim virtuellen Wasserverbrauch spürbar, der um 8,5 Milliarden Kubikmeter sinken könnte. „Schaut in euren Schubladen und Schränken nach und tauscht eure alten Geräte ein“, appelliert refurbed-Co-Founder Peter Windischhofer an die Verbraucherinnen und Verbraucher.
Das Unternehmen ermöglicht den Verkauf für Kundinnen und Kunden ohne Risiko und kostenfrei. Die zurückgegebenen Geräte werden entweder refurbished und weiterverkauft oder in Einzelteilen recycelt. Diesen Ankaufservice für ungenutzte Altgeräte gibt es seit Herbst 2024. „Refurbishment trägt dazu bei, die Umweltbelastung durch Rohstoffabbau und Produktion zu minimieren und gleichzeitig erschwingliche Alternativen für Endverbraucherinnen und Endverbraucher zu schaffen. In einer Kreislaufwirtschaft spielt Refurbishment somit eine Schlüsselrolle, um Ressourcen zu schonen und die Nachhaltigkeit in der Elektronikindustrie zu fördern“, fasst Paul Rudorf von Fraunhofer Austria die Studienergebnisse zusammen.