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Kreislaufwirtschaft 13.05.2025, 09:00 Uhr

Vom Bioabfall zum Kompost – ein schwieriger Weg?!

Die Kreislaufwirtschaft erfasst mehr und mehr auch Bio- und Grünabfälle: Der daraus hergestellte Kompost soll die Bodenqualität erhöhen. Vorgaben aus der EU und zusätzliche aus Deutschland sollen die Qualität des Komposts sichern. Ein EU-Projekt sucht Wege für eine bessere Getrenntsammlung und Verwertung.

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Aus Bioabfällen aus der Küche kann wertvoller Kompost als Bodenverbesserer entstehen.

Foto: PantherMedia/Marina Lohrbach

Wer schon einmal Speisereste, Gartenabfälle und Herbstlaub kompostiert hat, weiß: dies ist arbeits- und zeitintensiv. Und außerdem: Ein guter Bodenverbesserer entsteht dabei nur, werden keine anderen Abfälle hinzugemischt. Diese einfachen Erkenntnisse gelten auch für die industrielle Herstellung von Produkten aus Bioabfällen:

  • Aerobe wie anaerobe Prozesse benötigen Platz und Zeit. Mikroorganismen müssen ideale Lebensbedingungen vorfinden, um einen gut verwendbaren Kompost und – im Fall einer Fermentierung – auch möglichst viel Methan als Bestandteil des Biogases zu produzieren und
  • qualitativ ungeeignetes Eingangsmaterial erschwert die biochemischen Prozesse, Verunreinigungen führen zu einem unbrauchbaren Kompost.

Allein in Deutschland werden jährlich etwa 14,1 Mio. t Küchen- und Gartenabfälle getrennt gesammelt und behandelt. In der EU einschließlich Großbritannien sind es rund 71 Mio. t. Um eine Verwertungsquote von 65 % für Siedlungsabfälle zu erreichen, wie es die EU in der Abfallrahmenrichtlinie von 2018 vorschreibt, müssten in der EU inklusive Großbritannien zusätzlich etwa 40 Mio. t bei Abfallerzeugern getrennt und aerob beziehungsweise zusätzlich anaerob verarbeitet werden.

Ein Sammelfahrzeug für Bioabfälle in Egaleo, einem westlichen Vorort von Athen. Das Fahrzeug ist mit eine Spülanlage für das regelmäßige Reinigen der Biotonnen nach deren Leerung ausgestattet.

Foto: Friege

EU fördert Kompostverwertung

Das von der EU geförderte Projekt „Bin2Bean“ – also „von Abfallbehälter zu Bohnen“ – soll Städten helfen, die Ziele für gesunde Böden durch deren Regeneration zu erreichen. Elf Partner aus sieben Ländern beteiligen sich. Sie beschäftigen sich mit Herausforderungen, die vor der Erreichung dieses Ziels liegen. Vier Beispiele:

  • Behälter für das getrennte Sammeln von Bioabfällen sind in dicht besiedelten Wohngebieten oft schwer unterzubringen und müssen bei heißem Wetter häufig geleert werden, um hygienische Probleme zu vermeiden;
  • Menschen müssen für das getrennte Erfassen von Bio- und Grünabfällen motiviert werden;
  • der Anteil an Plastikabfällen und anderen Verunreinigungen in Bioabfall-Behältern ist teilweise hoch und be- oder verhindert die spätere Nutzung des Produkts sowie
  • Komposte aus Bioabfällen stoßen auch bei sehr guter Qualität auf Vorbehalte, obwohl ihre Vermarktbarkeit als „Bodenverbesserungsmittel“ nur bei Einhaltung zahlreicher Qualitätsmerkmale und Grenzwerten möglich ist.

Würden die Ziele der Abfallrahmenrichtlinie erreicht, würde einmal mehr Abfall sinnvoll verwertet werden. Die EU möchte jedoch auch, durch Bodenverbesserungsmittel wie Bioabfall-Komposte den Humusgehalt, die Resilienz von Böden gegen Erosion und deren Fähigkeit, Niederschlagswasser zu speichern, erhöhen. Höhere verfügbare Nährstoffgehalte können außerdem Ernteerträge verbessern. Zudem wird durch Einarbeiten von Komposten Kohlenstoff in Böden gespeichert. Durch diese Kohlenstoff-Sequestrierung werden derzeit bereits etwa 1,2 Mio. t CO2/a in der EU im Boden gebunden.

An der Öffnung eines versenkten Bioabfallcontainers in Hamburg können Anwohnerinnen und Anwohner Papiertüten für die nächsten Küchenabfälle mitnehmen.

Foto: Stadtreinigung Hamburg

Ziel des Bin2Bean-Projekts ist daher, die Verwertung von Bioabfällen zu Bodenverbesserern durch innovative und wirtschaftlich interessante Wertschöpfungsketten zu fördern. Dabei geht es weniger um bahnbrechende neue Erkenntnisse, sondern um die Verbesserung bekannter Verwertungsschritte in der jeweiligen Region. Dazu zählen:

  • die Qualität der gesammelten Bioabfälle bei gleichzeitiger Erhöhung der Sammelmengen beizubehalten oder zu steigern;
  • das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Notwendigkeit der Abtrennung von Bioabfällen und der Bedeutung gesunder Böden zu erhöhen;
  • die aus Bioabfällen erzeugten Komposte durch geeignete Geschäftsmodelle zu verwerten und
  • ein Bewertungsschemas für die gesamte Wertschöpfungskette als Instrument für lokale Entscheidungsträger zu erstellen. Dieses Schema soll ihnen helfen, ihr System vom Bioabfall zum geeigneten auf Kompost basierenden Bodenverbesserungsmittel aufzubauen oder zu verbessern.

Fehlwürfe in einem versenkten Container für Bioabfall im Bereich von Großwohnanlagen.

Foto: Stadtreinigung Hamburg

Drei Versuchsstädte

Um die praktische Umsetzbarkeit zu realisieren, gründete das Projekt in Amsterdam, Niederlande, Egaleo bei Athen, Griechenland, und Hamburg jeweils ein sogenanntes „Living Lab“. Alle drei Städte sind von einer hohen Bevölkerungsdichte geprägt. Die Living Labs werden von Partnern vor Ort wie der Stadtreinigung Hamburg betreut und bestehen aus örtlichen Akteuren entlang der Wertschöpfungskette, also interessierten privaten wie gewerblichen Abfallerzeugern, Vertretern der Landwirtschaft oder des Gartenbaus, Fachleuten aus der Abfallwirtschaft und von Anlagen zur Verarbeitung von Bioabfällen aber auch aus Lehrerinnen und Lehrern, Umweltinitiativen und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern regionaler Institutionen.

Es gibt zahlreiche Teilprojekte. Zwei Beispiele: Das Bin2Bean-Team erstellt für die Living Labs Stoffstromanalysen beginnend mit dem Verbrauch an Nahrungsmitteln und endet mit den aus nicht vermeidbaren Resten hergestellten Produkten. Ein weiteres Teilprojekt widmet sich der Frage, ob die Zerkleinerung von Küchenabfällen durch ein in der Küche integriertes Mahlwerk und deren Abtransport in einem eigenen Erfassungssystem eine sinnvolle Alternative zu Biotonnen für die Erfassung von Bioabfall in Hochhäusern sein könnte.

Dieser Unterflur-Container für Bioabfälle ist nur mit einer Chipkarte zu öffnen. Er steht auf Java-eiland, einer künstlichen Insel im östlichen Hafengebiet von Amsterdam.

Foto: Friege

Vorbehalte auflösen und …

Bei Landwirtinnen und Landwirten stoßen Komposte aus Bioabfällen zum Teil auf Vorbehalte. Hohe Qualität und Qualitätskontroll-Systeme sind daher oberste Priorität, um deren Vermarktbarkeit zu sichern. Um eine Verschleppung von Plastikabfällen über Bioabfälle auf die Böden zu verhindern, hat die EU beispielsweise strikte Grenzwerte für den fertigen Kompost erlassen.

Deutschland hat zusätzliche Grenzwerte für die Belastung des Bioabfalls eingeführt, die am Eingang der Anlagen kontrolliert werden. So gelten erstmals Vorgaben aus der Novelle der Bioabfallverordnung von 2022: Seit Mai 2025 sollten Bioabfälle bei der Anlieferung an der Behandlungsanlage maximal 0,5 % Fremdstoffe enthalten – ab einer Belastung von mehr als 3 % darf der Anlagenbetreiber den Bioabfall zurückweisen. Um den 0,5 %-Wert einzuhalten, sollen Verbraucherinnen und Verbraucher keine Kunststoffprodukte in die Biotonne werfen, auch nicht solche, die als biologisch abbaubar beworben werden.

In diesen Kompostmühlen in einem Garten der „Afval naar Oogst“-Gemeinschaft in Amsterdam werden Küchenabfälle verarbeitet.

Foto: Friege

… neue Geschäftsmodelle aufbauen

Und es gibt neue Chancen: Durch eine Anpassung der Produkte an regionale Anforderungen können sich Geschäftsmodelle für Kompost als Bodenverbesserungsmittel ergeben, beispielsweise im Bereich Kultursubstrate oder als Torfersatz. Hierzu sind im Team Mikrobiologinnen und -biologen, Biochemikerinnen und -chemiker sowie Agrowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler vertreten, die sich mit den Verarbeitungsprozessen und deren Einfluss auf die Komposte befassen, sowie Ökonominnen und Ökonomen, die sich um die Geschäftsmodelle kümmern. Erfreulicherweise erreichen zahlreiche Komposte aus Bioabfällen bereits die Zertifizierung für eine Nutzung im Bio-Landbau.

Erste Erkenntnisse

Alle Stufen der Wertschöpfungskette in den drei Living Labs wurden erfasst und dokumentiert. Erste Erkenntnisse zeichnen sich bereits ab:

  • Die Möglichkeit, getrennt gesammelte Bioabfälle einem oder wenigen Haushalten zuordnen zu können, ist die beste Variante in Hinblick auf deren Qualität.
  • Haushalte sollten bei großen Wohnanlagen Bioabfall-Container mit individuellen Chip-Karten oder dergleichen nutzen können, um größere Verschmutzungen zu vermeiden.
  • Die in der Abfallrahmenrichtlinie geforderte Übernahme der Kosten für die Abfallwirtschaft durch Abfallerzeuger – so auch Bürgerinnen und Bürger – sollte einen Anreiz für die Vorsortierung von Bioabfällen bieten.
  • Ein Umstieg auf Gebühren, die den Trennerfolg honorieren, ist jedoch zeitaufwendig und bedarf des politischen Rückhalts in den Städten.
  • Informationen über Bodengesundheit, Mangel an Nährstoffen und Humus sowie vorhandene Belastungen können helfen, die Weichen für maßgeschneiderte Bodenverbesserungsmittel aus Kompost zu stellen.
  • Die Abtrennung von Schadstoffen und störenden Materialien aus den Bioabfällen durch geeignete Vorbehandlung und Nachbehandlung des Komposts ist in fortgeschrittenen Anlagen durchaus effizient.

Teilergebnisse wie das kleine Handbuch „From Bio-Waste to Soil“ können bereits jetzt von der Projektwebseite heruntergeladen werden.

www.bin2bean.eu

Grafiken: EU-Kommission

Dr. Henning Friege ist Geschäftsführer der N3 Nachhaltigkeitsberatung Dr. Friege & Partner
friege@n-hoch-drei.de