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Klimaschutzverhandlungen in Belém, Brasilien 14.11.2025, 12:00 Uhr

Klimaschutz? Wichtig für Unternehmen!

Die Treibhausgas (THG)-Emissionen steigen weiter. Der Druck, dagegen anzugehen, nimmt zu. In Belém, Brasilien, suchen daher Politikerinnen und Politiker sowie Fachleute nach weltweit akzeptierten Lösungen. Was dies für Unternehmen bedeuten kann, erklären zwei Fachleute einer Nürnberger Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Das Gebäude im brasilianischen Belém, in dem vom 10. bis 21. November 2025 die 30. Vertragsstaatenkonferenz, die 30. Conference of the Parties (COP), zum UN-Rahmenübereinkommen über Klimaänderungen (UNFCCC) von 1992 stattfindet. Foto: IISB/ENB/Mike Muzurakis

Das Gebäude im brasilianischen Belém, in dem vom 10. bis 21. November 2025 die 30. Vertragsstaatenkonferenz, die 30. Conference of the Parties (COP), zum UN-Rahmenübereinkommen über Klimaänderungen (UNFCCC) von 1992 stattfindet.

Foto: IISB/ENB/Mike Muzurakis

Auf der 30. Vertragsstaatenkonferenz zum weltweiten Klimaschutz, der COP30, werden wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel und die bestmögliche Anpassung an ihn gesucht. Diese Maßnahmen kosten und müssen finanziert werden. Über das Wie wird am Rande des Amazonas gerungen.

Darüber, was dies für Unternehmen bedeuten kann, haben wir mit zwei Kennern der Problematik gesprochen: mit Wirtschaftsingenieur Kai Imolauer und Rechtsanwalt Ralph Koppitz, beide von der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl & Partner mit Sitz in Nürnberg. Imolauer leitet dort den Bereich „Erneuerbare Energien Investment“ in der Energiewirtschaftsabteilung im Bereich Public Management und berät auch zu Dekarbonisierung. Koppitz betreut in Shanghai, China, vorwiegend Unternehmen aus Deutschland und der EU, die in China durch Tochtergesellschaften oder Niederlassungen vertreten sind oder sich anderweitig im chinesischen Markt engagieren wollen.

Herr Imolauer, was kann bei der COP30 für Unternehmen wichtig werden?

Kai Imolauer: Generell stehen die COPs unter der Kritik, dass trotz viel Aufwand seit Paris 2015 keine wegweisenden Entscheidungen getroffen wurden, die den globalen Klimaschutz vorangebracht haben. Doch das kann sich ändern. Und natürlich können Entscheidungen auf dieser Ebene auch die Umweltpolitik in Deutschland und der EU beeinflussen. Gerade die EU täte gut daran, eine klare Richtung – international, für die EU-Mitgliedsstaaten und somit auch die Unternehmen vorzugeben.

Deutsche Unternehmen: führende Anbieter von Umwelttechnologie

Sehen Sie Möglichkeiten, dass gerade Unternehmen aus Deutschland neue Aufträge zum Klimaschutz oder zur Anpassung erhalten können? Was sind „unsere“ Stärken im weltweiten Wettbewerb?

Imolauer: Deutschland ist generell immer noch ein führender Anbieter von Umwelttechnologie – die Bereiche sind Abfallwirtschaft, Abwasserwirtschaft, Energieeffizienz, und Maschinenbau für Komponenten, die beispielsweise der Energiewende dienen wie auch Elektrotechnik für Netze. Deutsches Engineering hat international zurecht einen guten Ruf. Es gilt diese Stärke nun auch in diesen Technologiebereichen zu nutzen und mit Kreativität voranzubringen.

Wirtschaftsingenieur Kai Imolauer kennt sich aus mit der Dekarbonisierung.

Foto: Rödl & Partner

Anderes gefragt: Können Klimaschutzmaßnahmen wirtschaftlich und damit umsetzbar für Unternehmen werden?

Imolauer: Ja, aber manchmal eher langfristig. Klimamaßnahmen sind in ein gesamtstrategisches Konzept einzubinden. Es startet mit Klimabilanzierung, Product Carbon Footprint und der Zielsetzung, daraus folgen die Maßnahmen und ein Klimatransformationsplan, der das Unternehmen intern wie extern auf den Klimawandel vorbereitet. Es ist vor allen Dingen langfristig zu denken: Eine Amortisationszeit von drei Jahren wird nicht immer klappen, aber eine höhere Resilienz in Bezug auf Energie – durch Einbindung von erneuerbaren Energien – oder Materialkosten – durch höhere Recyclingquoten – ist langfristig eben viel wert. Und ein waches Auge auf den wachsenden Markt der Umwelttechnik kann auch neue Absatzmöglichkeiten erschließen.

Blick nach Belém: Die deutsche Delegation ist Teil der EU-Delegation: Wie läuft die Koordination in der EU?

Imolauer: Während der COP wird die Delegation durch die Ratspräsidentschaft – aktuell hat Dänemark den Ratsvorsitz – und die Europäischen Kommission koordiniert. Man will natürlich mit einer Stimme sprechen. Als Führungsperson ist EU-Kommissar für Klimapolitik Wopke Hoekstra, der das EU-Verhandlungsteam leitet, auch technisch-politisch für die Verhandlungsebene zuständig.

Deutschland: aktuell kein Zugpferd für Klimaschutz

Spielt Deutschland – als zumindest ehemaliger Vorreiter etwa durch Energiewende – eine Sonderrolle?

Imolauer: Nein, Deutschland spielt keine Sonderrolle und ist eben auch kein Vorreiter mehr, hier würden sich vor allen Dingen die skandinavischen Länder anbieten. Auch ließ Bundeskanzler Friedrich Merz in seinem Statement dort ein klares Commitment für Klimaschutz missen, was unterstreicht, dass Deutschland hier kein Zugpferd für Klimaschutz auf internationaler Ebene ist. Allerdings ist Deutschland gerade aus der Historie heraus und aufgrund der wirtschaftlichen Stärke sicher ein wichtiger Gesprächspartner auf der COP30 und die Erwartungen beispielsweise in Bezug auf Geldzahlungen für den avisierten Waldfond sind hoch.

Chinas Doppelstrategie

Herr Koppitz, aktuell scheint China in Sachen erneuerbare Energien voranzuschreiten. Warum prescht China voran? Oder ist es eine Doppelstrategie, da China ja auch weiter zur Kohle hält?

Ralph Koppitz: China treibt erneuerbare Energien aus mehreren Motiven voran. Einerseits ist der politische Wille zur „grünen Transformation“ echt. China will bis 2030 den CO2-Ausstoß peaken und bis 2060 klimaneutral werden. Bis 2030 sollen auch grundlegende Standards zum ESG-Reporting erlassen werden. Massive Investitionen in Solar-, Wind- und Wasserkraft sollen Energieunabhängigkeit, Technologieführerschaft und Exportchancen sichern. Aus Sicherheitsgründen bleibt Kohle aber weiter ein „stabilisierender Faktor“ im Energiemix. Sie garantiert Versorgungssicherheit und Beschäftigung, besonders in Binnenprovinzen. So entstehen parallel weiter neue Kohlekraftwerke, obwohl der Ausbau Erneuerbarer rasant läuft. Mit dem im April 2025 vorgelegten Entwurf eines Umweltgesetzbuchs, der rund 1 200 Artikel in fünf Kapiteln umfasst, wird China den bislang fragmentierten Umwelt-Rechtsrahmen auch bald grundlegend neu strukturieren.

Rechtsanwalt Ralph Koppitz berät hiesige Unternehmen, die in China aktiv werden wollen.

Foto: Rödl & Partner

Welche Rolle spielen die fehlenden USA? Baut sich China als Gegenspieler zu den USA auf?

Koppitz: Die USA spielen im globalen Klimaschutz derzeit eine wechselhafte Rolle. Innenpolitisch sind sie gespalten und teils mit unklarer Langfriststrategie. China nutzt dieses Vakuum, um sich als verlässlicher Akteur und Technologieführer zu positionieren. Das Motiv ist weniger reine Gegnerschaft, sondern strategische Eigenständigkeit: China will Standards beispielsweise bei grünem Wasserstoff oder der Batterietechnik setzen und so Einfluss auf globale Lieferketten und Normen gewinnen. Gleichwohl ist die Rivalität mit den USA Teil des geopolitischen Kalküls.

Tipp: Unternehmen sollten resilienter werden

Herr Imolauer, zurück zu Unternehmen in Deutschland: Sollten sie sich unabhängig von der Politik mit Transformationsplänen auf den Klimawandel vorbereiten?

Imolauer: Absolut! Der Klimawandel schreitet voran, wartet nicht auf die Politik und wird Druck auf Standorte, Wertschöpfungsketten, Logistik, Gesundheit der Mitarbeitenden ausüben. Es gilt, Unternehmen bezüglich dieser Risiken resilienter aufzustellen und etwa Klimaresilienzanalysen, die physische und transitorische Risiken umfassen, durchzuführen. Auch eine größere Diversifikation bei der Energieversorgung ist ein wichtiger Faktor – ich erinnere an die Gaspreiskrise 2022, die manchmal schon wieder vergessen scheint.

Während der COP30-Eröffnungsszerenomie: Die brasilianische Kulturministerin Margareth Menezes (links) und die brasilianische Sängerin Fafá de Belém mit einer kurzen Showeinlage. In der Mitte schaut André Corrêa do Lago, Präsident der COP30, ebenfalls Brasilien, begeistert zu.

Foto: IISB/ENB/Mike Muzurakis

In der EU zwingt ja der Emissionshandel (ETS) Firmen dazu, effizienter zu werden, erneuerbare Energien einzusetzen – oder Produktionsanlagen zu schließen oder zu verlagern. Wie lauten Ihre Ratschläge an Unternehmen?

Imolauer: Soweit bekannt, soll die Einführung des ETS II um ein Jahr nach hinten geschoben werden und die Bundesländer über „Frontloading“, also die Auszahlung von Geldern an die Länder vor Einführung für Aufbau von Fördermaßnahmen, früher an Geld kommen. Diese Zeit müssen Unternehmen nutzen um das Risiko von Transformationskosten durch den CO2-Aufschlag zu minimieren. Die Kosten werden deutlich höher sein, als aktuell und da diese das Hauptinstrument der EU sein wird, sektoral gezielt Klimaschutz zu fördern, sollte man nicht darauf hoffen, dass das nicht kommt.

Es ist somit eine Frage der Vernunft und des strategischen Handelns, den eigenen CO2-Fußabdruck zu kennen und zu reduzieren. Das gilt auch für den ETS I und damit für große Erzeuger und Kraftwerke. Die ETS-I-Novelle ist seit März 2025 in Kraft und soll letztendlich helfen, das „Fit-for-55“-Paket mit dem Ziel Reduktion der Netto-THG-Emissionen um mindestens 55 % bis 2030 gegenüber 1990 umzusetzen. Über einen weiteren Abbau der kostenlosen Zuteilung wird erwartet, dass sich auch der CO2-Preis vom jetzigen Niveau um die 70 bis 80 € in Richtung mehr als 100 €/t CO2 bis 2030 entwickelt.

… und auch vielleicht an die Politik?

Imolauer: Die EU-Politik und die deutsche Politik müssen verstehen, dass die Wirtschaft planbare, stabile Rahmenbedingungen für Investitionen benötigt, denn ansonsten werden sie nicht in „grüne“ Technologien investieren. Ein klarer regulatorischer Rahmen und gezielte Fördermaßnahmen werden insbesondere den Mittelstand, der aktuell eine Hauptlast der Energiewende trägt, motivieren, eine Vielzahl an Projekten umsetzen, die dann einen Löwenteil der gewünschten Dekarbonisierung bis 2045 für Deutschland und 2050 für die EU beitragen werden. Hinzu gehören auch energieregulatorischen Rahmenbedingungen: denn wenn erneuerbarer Strom nicht fließt, wird die Dekarbonisierung durch Elektrifizierung schwierig umsetzbar.

Herr Imolauer, Herr Koppitz, vielen Dank für das Gespräch.

Von Dr. Ralph H. Ahrens

Dr. Ralph H. Ahrens ist Redakteur bei der VDI energie + umwelt