Zum E-Paper
Energiewende Irland 11.07.2023, 15:00 Uhr

„Grüne Wirtschaft ist für Irland sehr wichtig“

Irland gibt Gas bei der Energiewende und verspricht sich dadurch auch wirtschaftliche Vorteile. Die Akzeptanz für große Infrastrukturprojekte wie Windkraft sei hoch, sagt Ian O‘Hora, Head of Green Economy and Engineering bei der Investment Development Agency Ireland (IDA), im Interview.

PantherMedia B36201197

Irland treibt vor allem den Ausbau der Onshore-Windkraft stark voran, neben der Offshore-Windkraft und der Photovoltaik.

Foto: PantherMedia/morrbyte

Herr O‘Hora, die Europäische Union hat jüngst ihre Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien hochgeschraubt. Bis 2030 sollen 45 % des Bruttoendenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energien kommen. Welche Ziele hat sich Irland gesetzt? Gehen diese noch über die EU-Vorgaben hinaus?

Ian O‘Hora: Irland will seinen Anteil an Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030 auf 80 % erhöhen und die Stromerzeugung aus Kohle und Torf einstellen. Dies soll durch 9 GW Onshore-Windkraft, 8 GW Solarenergie und mindestens 7 GW Offshore-Windkraft erreicht werden. 2 GW der Offshore-Windenergie sind für grünen Wasserstoff vorgesehen. Die Offshore-Windenergie teilt sich wie folgt auf: 5 GW Offshore Windenergie bis 2030 und weitere 2 GW schwimmende Offshore Windenergie, die bis 2030 entwickelt werden sollen. Das Gesamtziel für Offshore Windenergie erhöht sich bis 2050 auf mindestens 37 GW. Diese Ziele für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien werden nicht nur die Stromemissionen verringern, sondern auch zur weiteren Elektrifizierung des Verkehrs und der Wärmeversorgung beitragen.

Wie weit ist Irland schon bei der Erreichung dieser Ziele gekommen?

Irland hat vor kurzem sein erstes Förderprogramm für Offshore-Elektrizität aus erneuerbaren Energien abgeschlossen. Bei diesem auktionsbasierten Verfahren werden Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien aufgefordert, Gebote abzugeben, um Verträge über die Lieferung von Strom zum gebotenen Preis über einen Zeitraum von 20 Jahren zu erhalten. Die Auktion war äußerst erfolgreich und führte zu einem der weltweit niedrigsten Preise auf dem Offshore-Windmarkt. Es wurden über 3 GW Kapazität aus vier Offshore-Windkraftprojekten beschafft, die jährlich über 12 TWh Strom aus erneuerbaren Energiequellen liefern werden. Darüber hinaus profitieren die lokalen Gemeinden von den erforderlichen Rückstellungen für den Gemeinschaftsfonds, die sich über den Zeitraum von 20 Jahren auf insgesamt 24 Mio. € jährlich belaufen werden.

Mit welchen politischen Maßnahmen und Anreizen treibt Irland die Energiewende voran?

Die folgenden sechs Maßnahmen unterstützen die Energiewende in Irland:

  • Offshore-Wind: Irland hat eine nationale Industriestrategie für Offshore-Windkraftanlagen angekündigt. Das irische Offshore-Energieprogramm beinhaltet das Ziel, bis 2030 5 GW Offshore-Windkraftanlagen und weitere 2 GW schwimmende Offshore-Windkraftanlagen zu errichten, die sich bis 2030 in der Entwicklung befinden werden. Diese Strategie wird in Absprache mit den zuständigen Ministerien, Behörden und der Industrie entwickelt, um sicherzustellen, dass Irland den Wert sowohl der Lieferkette für die Schaffung eines Offshore Windenergie-Sektors in großem Maßstab als auch der Marktwege für diese erneuerbare Energie voll ausschöpft und die weitere Entwicklung der Offshore-Windenergie fördert.
  • Gebäude & Nachrüstung: Die irische Regierung hat sich verpflichtet, bis 2030 500 000 Wohnungen nachzurüsten (einschließlich einer Aufstockung der Mittel im Rahmen des Nationalen Entwicklungsplans, insbesondere für kostenlose Nachrüstungen für Haushalte mit geringem Einkommen) und 680 000 Wärmequellen für erneuerbare Energien in neuen und bestehenden Wohngebäuden zu installieren. Alle neuen Wohngebäude werden bis 2025 nach dem Standard für Niedrigstenergiegebäude und bis 2030 nach dem Standard für Null-Emissionsgebäude geplant und gebaut.
  • Förderprogramm für erneuerbare Wärme (Support Scheme for Renewable Heat – SSRH): Das Hauptziel des SSRH ist es, zur Erreichung der irischen Ziele für erneuerbare Energien beizutragen und gleichzeitig die Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren. Das SSRH umfasst einen Installationszuschuss für Wärmepumpen und eine Betriebsunterstützung (eine laufende Zahlung für bis zu 15 Jahre) für Heizsysteme mit Biomasse und anaerober Vergärung (Biogas). Das SSRH wurde entwickelt, um Anreize dafür zu schaffen, dass zusätzliche 3 % des Wärmeverbrauchs in Irland aus erneuerbaren Quellen stammen. Der aktuelle Nationale Entwicklungsplan sieht für den Zeitraum bis 2027 300 Mio. € für die Einführung des SSRH vor.
  • Regelung für Kleinstkraftwerke: Alle Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energiequellen, die Strom in das Netz einspeisen, erhalten jetzt eine Vergütung, die sogenannte Clean Export Guarantee (CEG), unabhängig davon, mit welchem Energieversorger sie einen Liefervertrag haben. Die Regelung unterstützt Haushalte und Unternehmen bei der Entwicklung der Erzeugung erneuerbarer Energien für den Eigenverbrauch und ermöglicht gleichzeitig Zahlungen für überschüssigen Strom, der ins Netz eingespeist wird. Die Regelung zielt auf eine installierte Kapazität von 380 MW für die Mikroerzeugung ab, was zu unserem Gesamtziel für erneuerbare Energien beitragen wird.
  • Verpflichtungsprogramm für erneuerbare Wärme: Um den Anteil der erneuerbaren Energien im Wärmesektor Irlands zu erhöhen, hat die irische Regierung beschlossen, den Wärmesektor zu verpflichten, bis 2024 erneuerbare Wärme einzubeziehen. Diese Verpflichtung wird den Anbietern aller Brennstoffe im Wärmesektor weitere Anreize bieten, um sicherzustellen, dass ein bestimmter Anteil der gelieferten Energie erneuerbar ist.
  • Stromabnahmevereinbarungen für Unternehmen: Dieser Plan enthält sieben Kernprinzipien, die entwickelt wurden, um sicherzustellen, dass die Strombeschaffung von Unternehmen effektiv und effizient zur Erreichung der irischen Ziele in den Bereichen Klima und erneuerbare Energien beiträgt.

Wie hoch ist die Akzeptanz der betroffenen Bevölkerung für größere Infrastrukturprojekte, seien es der Bau von Wind- und Solar- oder Batterieparks, neue Stromleitungen oder grünen Pipelines?

Studien haben ergeben, dass die Akzeptanz für große Infrastrukturprojekte recht hoch ist. So ergab eine Umfrage der Environmental Protection Agency (EPA) zum vierten Mal in Folge, dass der Klimawandel als das drängendste Umweltproblem Irlands angesehen wird, wobei 73 % der Erwachsenen angaben, bereits Schritte unternommen oder persönliche Veränderungen vorgenommen zu haben, um der Umwelt zu helfen. Außerdem ergab ein Bericht des Environmental Systems Research Institutes (ESRI) aus dem Jahr 2021, dass mehr als drei Viertel der Befragten Windkraftanlagen positiv gegenüberstehen.

Verfolgen Sie auch die Strategie, künftig erneuerbare Energien, sei es Strom oder grünen Wasserstoff, zu exportieren – und wohin?

Mit den großen Mengen an Offshore-Windkraftanlagen, die in Irland zur Verfügung stehen, sind wir in einer hervorragenden Position, um Energieexporteure zu werden. Irland wird auf dem Höhepunkt der Nachfrage 50 TW an Strom benötigen. Mit dem geplanten Ausbau der Projekte für erneuerbare Energien könnte Irland jedoch bis 2030 55 TW erzeugen. Diese zusätzliche Leistung könnte über grünen Wasserstoff oder als Strom über die keltische Verbindungsleitung zwischen Irland und Frankreich exportiert werden. Das Projekt der Verbindungsleitung soll 2026 fertiggestellt werden und ermöglicht, 700 MW Strom zwischen den beiden Ländern zu übertragen und eine sicherere Stromversorgung zu gewährleisten.

Sehen Sie auch die Chance, Irland zu einem wichtigen Hub im Bereich der Fertigung von Erneuerbare-Energien-Technologien auszubauen, so im Bereich von Batteriezellen, Photovoltaikmodulen und -zellen oder Windkraftanlagen?

Die grüne Wirtschaft ist für Irland sehr wichtig, und wir arbeiten aktiv mit Herstellern von Technologien für erneuerbare Energien und Forschenden zusammen, um dieses Angebot zu entwickeln. Wir glauben, dass Irlands Forschungs-Ökosystem von unschätzbarem Wert für Unternehmen sein wird, die Innovationen in ihrer Produktion vorantreiben wollen. Darüber hinaus verfügt Irland über ein vernetztes Ökosystem, das es zu einem erstklassigen Standort für die Erprobung und Prüfung von Klimaschutztechnologien macht. Das Land ist auch führend in globalen wissenschaftlichen Rankings für die Qualität der wissenschaftlichen Forschung, mit starken Verbindungen zwischen Industrie und Akademie und hat die höchste Anzahl von MINT-Absolventinnen und -Absolventen pro Kopf in der EU unter den 20- bis 29-Jährigen.

Die Dekarbonisierung ist auch ein vorrangiges Forschungsthema, das inzwischen in die meisten wettbewerbsfähigen öffentlichen Fördermittel in Irland integriert ist. Erneuerbare Energien, Energiespeicherung und Nachhaltigkeit sind gemeinsame Themen in vielen irischen Forschungszentren, darunter:

  • MaRei: Technologien für erneuerbare Meeresenergien und Testeinrichtungen, zum Beispiel Offshore-Wind-, Wellen- und Gezeitenenergie.
  • Amber: Materialforschung, einschließlich Batterieelektroden und Lithium-Ionen-Batterien.

In dem Maße, wie die Produktion erneuerbarer Energien in Irland zunimmt, wird das Land potenziell zu einem sehr attraktiven Standort für die umweltfreundliche Produktion. Die gut ausgebildeten irischen Arbeitskräfte profitieren auch von den kontinuierlichen Weiterbildungsmöglichkeiten, die von Organisationen wie Skillnet und Springboard angeboten werden, sodass unsere Kompetenzen im Bereich der Technologien für erneuerbare Energien weiter wachsen werden.

Wo liegen noch wichtige Hürden und Herausforderungen für die irische Energiewendepolitik?

Der Übergang zu vollständig erneuerbaren Energien wird zweifellos zahlreiche Herausforderungen mit sich bringen. Unser Nationaler Klimaaktionsplan beschreibt die Schritte, die wir unternehmen müssen, um diesen Übergang zu erreichen. Irland verfügt über ein enormes Potenzial für erneuerbare Energien, und obwohl es einige Hürden gab, wie die verzögerte Wasserstoffstrategie und der Einsatz von Offshore-Windenergie, sind wir zuversichtlich, dass Irland seine Ziele für erneuerbare Energien und den erfolgreichen Übergang zu erneuerbarer Energie erreichen wird.

Herr O‘Hora, vielen Dank für das Gespräch.

Von Das Interview führte Hans-Christoph Neidlein

Ian O‘Hora, Head of Green Economy and Engineering bei der Investment Development Agency Ireland (IDA)