Verteilnetz-Wechselrichter stabilisieren das Stromsystem
Mit dem Forschungsprojekt Surevive testen Fraunhofer ISE und Partner erstmals, wie netzbildende Wechselrichter in Verteilnetzen aktiv zur Stabilität beitragen können. Die Forschenden wollen einen sicheren Betrieb in einem zunehmend volatilen Erneuerbare-Energien-System erreichen.
Test des Wechselrichters im Multi-Megawatt-Labor des Fraunhofer ISE.
Foto: Fraunhofer ISE
Das deutsche Stromnetz befindet sich in einer Umbruchphase: Konventionelle Kraftwerke mit rotierenden Generatoren liefern zunehmend weniger. Gleichzeitig wächst die Einspeisung aus volatilen Quellen wie Wind und Sonne. Diese spezielle Kombination bringt zwei zentrale Herausforderungen mit sich: Einerseits sinkt die sogenannte Trägheit im Netz – die Fähigkeit, Frequenzschwankungen kurzfristig abzufedern – da erneuerbare Erzeuger häufig über elektronische Wechselrichter angebunden sind und keine mechanische Rotationsmasse besitzen. Damit fehlt ein wichtiger Impulsgeber für Systemstabilität.
Andererseits unterliegt die Einspeisung prinzipiell wetterabhängigen Schwankungen: Starke Sonneneinstrahlung oder Winddruck führen zu hohen Einspeisungen, die bei plötzlichen Wetterwechseln abrupt abfallen können. Dieses Schwankungsverhalten stellt insbesondere bei Dunkelflauten ein Risiko dar – schließlich müssen Erzeugung und Verbrauch im Sekundentakt in Einklang bleiben. Solche Phasen müssen durch Speicher, flexible Lasten oder verbleibende Kraftwerke überbrückt werden, was zunehmend anspruchsvoller wird, da diese flexiblen Reserven abgebaut werden.
Testfeld für netzbildende Anlagen im Verteilnetz
Hier greift das Projekt Surevive (Stabilitäts-Versuche zur Momentanreserve-Erbringung aus Verteilnetz-Anlagen) an. Ein Konsortium unter Führung des Fraunhofer ISE untersucht im Rahmen des Projektes unter realen Bedingungen, wie netzbildende Wechselrichter in Verteilnetzen zur Systemstabilität beitragen – eine Rolle, die bisher ausschließlich traditionellen Kraftwerken vorbehalten war.
Zentraler Bestandteil ist ein groß dimensionierter Batteriespeicher mit 20 MW Leistung und 55 MWh Kapazität, der direkt an ein Umspannwerk in Föhren angeschlossen wird. Vor Start der Feldtests werden Wechselrichter und Batteriespeicher in einem Multi-Megawatt-Labor in Freiburg untersucht. Dort simulieren die Forschende mögliche Störfälle, um das Verhalten der netzbildenden Systeme im Vorfeld zu validieren.
Ziel ist es, die Fähigkeiten dieser modernen Anlagen unter Praxisbedingungen zu erfassen und daraus einen Best Practice Guide für Hersteller, Netzbetreiber und Projektierer abzuleiten. Darüber hinaus sollen Methoden zur Stabilitätsbewertung in Verteilnetzen entwickelt werden, inklusive der Identifikation möglicher Interoperabilitätsrisiken bei flächendeckendem Einsatz.
Lesen Sie auch: Latentwärmespeicher sollen Netzstabilität fördern
Die Labordaten werden durch Simulationsmodelle ergänzt. Damit entsteht ein belastbares Fundament, um netzbildende Eigenschaften auch in der Praxis richtig einzuordnen und zu implementieren. Das Projekt läuft bis Juni 2028 und wird im Rahmen des Förderprogramms „OptiNetD“ durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unterstützt. Partner sind unter anderem Westnetz, das Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik (IFK) der Universität Stuttgart sowie weitere assoziierte Einrichtungen.
Praktischer Nutzen für Netzbetreiber und Energiewende-Akteurinnen und -Akteure
Für den täglichen Netzbetrieb bringt das Projekt praxisrelevante Erkenntnisse. Netzbildende Wechselrichter können Spannung und Frequenz auch ohne Synchrongeneratoren stabilisieren – eine Funktion, die bisher von Großkraftwerken übernommen werden musste. Dezentral eingesetzte Systeme können so lokal und schnell reagieren, etwa bei Spannungseinbrüchen oder plötzlicher Nachfrageänderung.
Lesen Sie ebenfalls: Viel Sonne befeuert keinen Blackout
Für Verteilnetzbetreiber bedeutet das potenzielle Entlastung: Statt auf teure Reservekraftwerke zurückzugreifen oder Netze drastisch zu überdimensionieren, können sie netzbildende Anlagen zielgerichtet einsetzen. Das reduziert Investitionsbedarf und macht das Netz flexibler und resilienter gegenüber kurzfristigen Schwankungen. Ergänzt durch Simulationen und standardisierte Leitfäden, könnten die Ergebnisse von Surevive unmittelbar in Netzentwicklungspläne einfließen. Gerade bei hoher Erneuerbaren-Durchdringung, wenn Pumpspeicher oder Großspeicher begrenzt verfügbar sind, eröffnen netzbildende Anlagen den Weg zu einem stabilen, kosteneffizienten Verteilnetz.




