Neues Portal rund um Großwärmepumpen
Großwärmepumpen sind in ihrer Bedeutung für die Wärmewende nicht zu unterschätzen: Die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geotechnologien IEG sieht darin ein Potenzial, in Europa jährlich bis zu 150 Mio. t CO2 einzusparen. Wie es derzeit in der Praxis um den Stand der Nutzung dieser Wärmepumpen aussieht, beleuchtet ein neu eingerichtetes Portal der Fraunhofer IEG in Kooperation mit der LandesEnergieAgentur (LEA) Hessen.
Julia Woth Abteilungsleiterin für Erneuerbare Energien, Wasserstoff & Mobilität bei der LEA Hessen und Hessens Energieminister Kaweh Mansoori präsentieren das neue Portal rund um Großwärmepumpen.
Foto: LEA Hessen/Jens Braune
Die Wärmewende gehört zu den größten Baustellen der Energiewende – und steht dabei oft im Schatten der Diskussionen um Stromnetze oder Elektromobilität. Doch gerade in der Industrie und bei der Fernwärmeversorgung, wo Temperaturen jenseits der 100 °C gefordert sind, wird der Ruf nach Lösungen laut, die nicht länger auf fossile Brennstoffe setzen. Genau hier kommen Großwärmepumpen ins Spiel – und mit ihnen ein neuer digitaler Wegweiser, der helfen soll, Technik und Anwendung zusammenzubringen: das Großwärmepumpen-Infoportal.
Wie die Transformation des Energiesystems gelingen kann
Die Fraunhofer IEG hat das Portal im Auftrag der LEA Hessen aufgebaut. Der Anspruch ist hoch: Markttransparenz schaffen, Unsicherheiten ausräumen und Planungssicherheit bieten. Die nötige Grundlage dafür bildet eine Datenbank, wie sie in Europa bisher einzigartig sein soll. Auf ihr finden sich detaillierte Informationen zu Produkten, Herstellern, Projekten – mit durchsuchbaren Filtern nach Leistung, Temperaturbereich oder Kältemitteltyp. Dabei geht es nicht nur um technische Parameter, sondern auch um konkrete Praxisbeispiele, etwa aus Rechenzentren, Kläranlagen oder Industrieprozessen.
Aus der Praxis für die Praxis
Das Portal ist keine bloße Sammlung von theoretischen technischen Daten, sondern den Entwicklern zufolge das Ergebnis intensiver Recherche. So wurden die Daten nicht nur aus öffentlich verfügbaren Quellen aggregiert, sondern auch mit Beiträgen aus der angewandten Forschung und von Marktakteuren selbst ergänzt und lektoriert. „In die Datenbank fließt unsere eigene angewandten Forschung mit der Industrie ein, aber wir sammeln auch Informationen aus frei zugänglichen Quellen und lektorieren Einträge der einschlägigen Marktteilnehmer. Wir versuchen Markttransparenz herzustellen und auf diesem Wege den Rollout zu beschleunigen“, erklärt Fabian Ahrendts von der Fraunhofer IEG.
Die Herausforderung liegt in der Komplexität: Denn Großwärmepumpe ist nicht gleich Großwärmepumpe. Je nach Standort, verfügbarer Abwärmequelle oder gewünschtem Temperaturniveau müssen völlig unterschiedliche technische Lösungen gefunden werden. Das beginnt beim geeigneten Kältemittel – von natürlichen Substanzen wie Ammoniak bis zu synthetischen Alternativen – und endet bei der Wahl der Verdichtertechnologie, der Verschaltung von Modulen oder der Frage, ob Dampf statt Heißwasser benötigt wird. Für viele Projektentwickler und Energieplaner ist die Suche nach der passenden Lösung bislang ein mühseliges Puzzlestück gewesen. Das Infoportal will dieses Puzzle nicht lösen – aber die passenden Teile liefern.
Vom Großwärmepumpen-Datenportal zur technologischen Drehscheibe
Die neue Plattform ist mehr als ein digitales Nachschlagewerk. Sie ist Teil einer größeren Strategie, die die Fraunhofer IEG verfolgt: den Rollout von Großwärmepumpen in Deutschland systematisch zu unterstützen. Das zeigt sich auch im Zusammenspiel mit weiteren Initiativen, etwa dem Projekt „WinPro“ oder der Studie zur Marktentwicklung von Großwärmepumpen, die das Institut 2023 gemeinsam mit Agora Energiewende veröffentlicht hat. Dort wurde herausgearbeitet, wie dringend Wärmepumpentechnologien für Fernwärmenetze und industrielle Prozesse gebraucht werden – nicht zuletzt, weil sie eine der wenigen Optionen bieten, um Prozesswärme klimaneutral zu erzeugen.
Die dafür nötigen Temperaturniveaus sind beachtlich: Moderne Großwärmepumpen schaffen inzwischen bis zu 200 °C, in Kombination mit Dampfkompressoren sogar 300 °C. Genau diese Marken sind essenziell in der Metallverarbeitung, in der Chemiebranche oder bei bestimmten Trocknungsprozessen. Und während bislang für solche Anforderungen meist Gas oder Öl verbrannt wurde, eröffnet sich nun ein neues Szenario: Wärme aus Flüssen, aus der Luft oder aus der Abwärme der Nachbarfabrik.
Vergleichbarkeit von Großwärmepumpen
In Bochum und Cottbus betreibt die Fraunhofer IEG dafür sogar eigene Forschungs- und Erprobungsanlagen. Dort werden Wärmepumpen der Megawatt-Klasse unter realitätsnahen Bedingungen getestet, auch mit Blick auf spätere Integration in bestehende Systeme. Perspektivisch sollen von dort auch reale Messdaten in das Infoportal einfließen. Denn was heute als ambitioniertes Technologieverzeichnis startet, könnte sich zu einer vollwertigen, datengetriebenen Entscheidungsplattform entwickeln – inklusive Wirkungsgradvergleichen und Benchmarking-Tools. Ein erster Schritt in diese Richtung ist bereits gemacht: Ein integrierter Wirkungsgrad-Rechner erlaubt es, verschiedene Systeme miteinander zu vergleichen – je nach Quelle, Zieltemperatur und Anwendungsprofil.
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Nützlich in frühen Projektphasen
Die Politik hat das Potenzial ebenfalls erkannt. Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori betont, dass mit dem Portal eine entscheidende Informationslücke geschlossen werde. Und in der Tat: Für viele Kommunen, Stadtwerke und Industrieunternehmen könnte das neue Tool zu einem echten Kompass werden – gerade in der frühen Phase der Projektentwicklung, wenn noch Unsicherheit darüber herrscht, welche Technologie mit welchen Parametern am besten zum Standort passt.




