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Grubenwasser zur Wärmenutzung – rechtlicher Rahmen 15.09.2025, 14:00 Uhr

Grenzenlose Nutzung von Wärme aus dem Pütt

Aus stillgelegten Gruben wird Energie für morgen: Grubenwasser soll als Quelle für klimafreundliche Fernwärme dienen. Das Projekt „Cross_Heat“ zeigt Chancen für ganze Regionen – wenn technische Lösungen auch juristische Grenzen überwinden.

Wärmenetze nutzen Grubenwasser als Quelle und Speicher von Wärme. Modelle prognostizieren die Wärmeflüsse in den alten Bergwerken, wie hier am Beispiel des Projekts "D2Grids" in Bochum-Dannenbaum zu sehen. Foto: Rene Verhoeven/Fraunhofer IEG

Wärmenetze nutzen Grubenwasser als Quelle und Speicher von Wärme. Modelle prognostizieren die Wärmeflüsse in den alten Bergwerken, wie hier am Beispiel des Projekts "D2Grids" in Bochum-Dannenbaum zu sehen.

Foto: Rene Verhoeven/Fraunhofer IEG

Grubenwasser galt lange Zeit als Abfallprodukt des Bergbaus, das lediglich abgepumpt und entsorgt werden musste, um die Stabilität alter Stollen zu sichern. Inzwischen rückt es als wertvolle Energiequelle in den Fokus: Unter der Erde gespeichertes Wasser aus ehemaligen Kohle- oder Erzbergwerken hat durch die geologischen Verhältnisse eine stabile Temperatur, die sich mit Wärmepumpen für die Beheizung von Gebäuden nutzen lässt. Während in Deutschland zahlreiche Projekte laufen, um dieses Potenzial für die Wärmewende zu erschließen, stellen sich in Grenzregionen besondere Herausforderungen.

Grubenwasser als Energiequelle: Technik trifft auf Recht

Denn dort, wo Wärmeströme nicht an Staatsgrenzen Halt machen, müssen technische, rechtliche und organisatorische Fragen grenzüberschreitend geklärt werden. Genau hier setzt das von der EU und dem Land Nordrhein-Westfalen geförderte Projekt Cross_Heat an. Mit einem Budget von rund 2,5 Mio. € untersuchen deutsche und niederländische Partner, wie ein Wärmenetz zwischen Herzogenrath, Kerkrade und Landgraaf gestaltet werden könnte. Die Initiative verfolgt ein klares Ziel: Industrielle Abwärme und geothermische Ressourcen wie Grubenwasser sollen nicht nur lokal genutzt, sondern auch über Grenzen hinweg verteilt werden. Denn die Wärmeversorgung, so die Initiatoren, darf nicht an politischen Linien enden, wenn sie effizient und nachhaltig gestaltet werden soll.

Die technische Grundlage ist vergleichsweise klar: In ehemaligen Bergbauregionen steht Grubenwasser in großen Mengen zur Verfügung. Es sammelt sich in alten Schächten und Gruben, wird durch geothermische Prozesse auf Temperaturen zwischen 15 und 30 °C erwärmt und kann mithilfe von Wärmeübertragern und Pumpen in lokale Wärmenetze eingespeist werden. Dort sorgt es in Kombination mit Wärmepumpen für die Bereitstellung von Heizenergie und Warmwasser. Im Sommer wiederum lassen sich die Speicher für Kühlzwecke nutzen oder für die saisonale Wärmespeicherung. Während in Bochum, Essen und im Ruhrgebiet bereits Pilotprojekte laufen, richtet sich der Blick im Projekt Cross_Heat auf die grenzüberschreitende Umsetzung.

Das Besondere: Die beteiligten Städte liegen in einer historisch gewachsenen Bergbauregion, in der die alten Stollen teilweise unterirdisch miteinander verbunden sind. Damit könnte Grubenwasser nicht nur innerhalb einer Kommune genutzt werden, sondern auch in Nachbarregionen – und damit auch jenseits der Staatsgrenze. Das eröffnet große Chancen: Wohngebiete, Gewerbeflächen und öffentliche Einrichtungen könnten künftig von einer regionalen Wärmequelle profitieren, die fossile Brennstoffe ersetzt, stabile Preise ermöglicht und die Abhängigkeit von Importen reduziert.

Unterschiedliche Vorgaben als Herausforderung

Doch gerade weil die Nutzung sich nicht an Verwaltungsgrenzen hält, ist der rechtliche Rahmen entscheidend. In Deutschland wie in den Niederlanden existieren unterschiedliche Vorgaben für Wasser-, Berg- und Energierecht. Während in Deutschland beispielsweise der Umgang mit Grubenwasser stark durch wasserrechtliche Genehmigungen geregelt ist, stehen in den Niederlanden vor allem Fragen der Netzregulierung und der Wärmeversorgung im Mittelpunkt. Wenn Wärme über die Grenze transportiert wird, greifen gleich mehrere Rechtsordnungen. Das betrifft sowohl die Nutzung des Untergrundes als auch die Gestaltung von Wärmepreisen, Förderbedingungen und Zuständigkeiten bei Genehmigungen.

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René Verhoeven von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geotechnologien IEG, das mit seiner Ingenieur- und Modellierungskompetenz maßgeblich am Projekt beteiligt ist, bringt es auf den Punkt: Technische Hürden ließen sich meist mit guter Planung lösen, rechtliche und organisatorische Unterschiede seien jedoch mindestens ebenso anspruchsvoll. Das Projektteam untersucht deshalb nicht nur, wie viele Megawattstunden Wärme tatsächlich aus dem Grubenwasser und industrieller Abwärme gewonnen werden können, sondern auch, wie sich diese Energie rechtlich korrekt und wirtschaftlich tragfähig über Grenzen hinweg verteilen lässt.

Abläufe müssen harmonisiert werden

Eine zentrale Frage ist dabei die Harmonisierung der Genehmigungsverfahren. Schon innerhalb Deutschlands können wasserrechtliche Auflagen von Bundesland zu Bundesland variieren, im internationalen Vergleich sind die Unterschiede noch größer. Für Unternehmen, die in die Infrastruktur investieren, ist es daher entscheidend, verlässliche Rahmenbedingungen zu haben. Cross_Heat arbeitet deshalb eng mit Kommunen, Universitäten und Energieagenturen zusammen, um mögliche Modelle zu entwickeln. Neben Fraunhofer IEG sind unter anderem die Universität Maastricht, das Item-Institut, Vito NV aus Belgien sowie NRW.Energy4Climate beteiligt.

Energie aus Grubenwasser muss sich lohnen

Neben dem juristischen Rahmen geht es auch um ökonomische Aspekte. Ein Wärmenetz über Grenzen hinweg muss nicht nur technisch möglich sein, sondern sich auch rechnen. Deshalb fließen Finanzierungsmodelle, Investitionspläne und Tarifszenarien in die Projektarbeit ein. Für Bürgerinnen und Bürger in der Euregio Maas-Rhein könnte dies langfristig niedrigere Heizkosten bedeuten, da regionale Restwärmequellen stabiler kalkulierbar sind als fossile Energieträger. Zugleich eröffnet ein solches Netz Chancen für die Wirtschaft: Unternehmen erhalten Zugang zu verlässlicher, planbarer und nachhaltiger Wärme, was Standorte attraktiver macht und Arbeitsplätze sichert.

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Die Einbindung der Bevölkerung spielt ebenfalls eine Rolle. Informationsveranstaltungen, Nachbarschaftsgespräche und ein Infopunkt sollen sicherstellen, dass Anwohnerinnen und Anwohner nicht nur informiert, sondern aktiv beteiligt werden. Denn die Akzeptanz für neue Wärmenetze hängt entscheidend davon ab, ob Bürgerinnen und Bürger den Nutzen nachvollziehen können und Vertrauen in die Technik entwickeln.

Die Dringlichkeit ist hoch: In der Euregio entfallen rund 50 % des gesamten Energieverbrauchs auf Heizenergie. Der Anteil nachhaltiger Wärme liegt in den beteiligten Ländern noch unter dem europäischen Durchschnitt. Während Deutschland bei etwa 17 % liegt, verzeichnen die Niederlande rund 9,6 % und Belgien 11,3 %. Das Projekt will dazu beitragen, diese Lücke zu schließen. Indem Restwärme aus Industrie und Bergbau genutzt wird, sollen CO2-Emissionen deutlich reduziert, regionale Klimaziele unterstützt und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen gesenkt werden.

Dass dies gelingen kann, zeigen erste Erfahrungen aus ähnlichen Projekten. So läuft in Bochum-Dannenbaum mit „D2Grids“ bereits ein Vorhaben, bei dem Grubenwasser als saisonaler Wärmespeicher modelliert und in Wärmenetze integriert wird. Dort erarbeiten Geologinnen und Geologen gemeinsam mit Ingenieurinnen und Ingenieure mithilfe mathematischer Modelle, wie sich die Ressource optimal nutzen lässt. Cross_Heat knüpft an diese Erfahrungen an und erweitert sie um die grenzüberschreitende Dimension.

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Die kommenden drei Jahre werden entscheidend sein, um herauszufinden, wie sich ein Wärmenetz zwischen Herzogenrath, Kerkrade und Landgraaf praktisch realisieren lässt. Neben der technischen Machbarkeit stehen vor allem die rechtlichen und organisatorischen Fragen im Fokus. Wenn es gelingt, diese Hürden zu überwinden, könnte ein Modell wie dieses auch für andere europäische Grenzregionen interessant sein.