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Projekt für zukünftige Batteriespeicher 21.11.2025, 15:00 Uhr

Zehnmal höhere Spannung, hundertmal weniger Verluste

Batteriespeicher gelten als Schlüsseltechnologie der Energiewende – sie gleichen Schwankungen von Wind- und Solarstrom aus und sichern damit die Versorgung. Doch es gilt: Je größer der Speicher, desto höher die Ströme – und desto größer die Verluste. Ein Forschungsprojekt der FH Dortmund tritt an, dies mit Hochspannungszellen zu ändern und Verluste zu minimieren.

Haben ihre selbst entwickelten, modularen Batteriespeicher-Baugruppen im Hochspannungslabor der FH Dortmund getestet: die KV-BATT-Teammitglieder Vanessa Steinkötter, Florian Leßmann und Marvin Sommer (v.l.n.r.). Foto: FH Dortmund/Benedikt Reichel

Haben ihre selbst entwickelten, modularen Batteriespeicher-Baugruppen im Hochspannungslabor der FH Dortmund getestet: die KV-BATT-Teammitglieder Vanessa Steinkötter, Florian Leßmann und Marvin Sommer (v.l.n.r.).

Foto: FH Dortmund/Benedikt Reichel

Eine einfache Lösung zur Lösung der Problematik von hohen auftretenden Strömen in großen Batteriespeichern wäre es, die Spannung deutlich zu erhöhen. Doch hier setzt bisher das technische Regelwerk Grenzen. Über 1 500 V hinaus wagt sich kaum jemand. An der Fachhochschule Dortmund will man das ändern. Im Forschungsprojekt „KV-Batt“ arbeitet ein Team um Professor Stefan Kempen und Professor Martin Kiel an einem Batteriespeichersystem, das die Systemspannung um den Faktor zehn steigert – auf bis zu 13 000 V Gleichspannung. Damit könnten die Energieverluste im System nicht nur sinken, sondern regelrecht kollabieren: „Mit einer zehnfach höheren Spannung sinken die Verluste auf Systemebene um das Hundertfache“, erklärt Kempen, Leiter des Labors für Hochspannungstechnik an der FH Dortmund.

Was in der Theorie einfach klingt, ist technisch eine Herausforderung. Denn Bauteile wie Isolatoren, Leistungselektronik und Batteriemanagementsysteme sind bisher nicht für solche Spannungsniveaus ausgelegt. Genau hier setzt KV-Batt an: Das Team entwickelt gemeinsam mit Industriepartnern und kommunalen Unternehmen ein vollständig neues Hochspannungs-Batteriesystem – inklusive Isolationskoordination, Mittelspannungsumrichter, Sensorik und digitalem Zwilling.

Batteriespeicher-Allianz aus Forschung, Wirtschaft und Kommunen

Beteiligt sind einige Partner: Siemens Energy war am Aufbau der ersten Hochspannungsbatterie beteiligt, AEG Power Solutions aus Warstein steuert einen speziell entwickelten Mittelspannungsumrichter bei, und Weissgerber Engineering aus Dortmund kümmert sich um Batteriemanagement, Datenauswertung und Diagnosesysteme. Für die praktische Erprobung entsteht in Ense (NRW) ein Reallabor, betrieben von den Gemeindewerken Ense. Dort soll das System unter realen Netzbedingungen laufen, um Alterung, Betriebssicherheit und Effizienz im Alltagsbetrieb zu untersuchen. Gefördert wird das Vorhaben über das Landesprogramm progres.NRW – Innovation (Themenfeld Energiespeicher) durch das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.

Im Reallabor werden die Lithium-Ionen-Zellen im Jahreszyklus belastet – zwischen 0,1 und 1 C, also mit realistischen Lade- und Entladeraten. C beschreibt dabei den C-Koeffizienten, der den Ladestrom in Bezug zur Batteriekapazität setzt. Erprobt wird zudem ein robotergestützter Modultausch, der Wartungszeiten verkürzt und den Betrieb in einer sauerstoffreduzierten Atmosphäre ermöglicht – ein wichtiger Beitrag zur Brandsicherheit.

Grundlagenforschung mit Wirkung

Trotz der hohen technischen Komplexität bleibt das Ziel klar: die Verluste großer Batterie-Energiespeicher-Systeme (BESS) drastisch zu reduzieren und damit die Effizienz der Energiewende zu steigern. „Unser Hauptprodukt ist die Erkenntnis – wir entwickeln keine Produkte“, sagt Kiel. „Aber Forschungs- und Entwicklungsprozess hängen eng zusammen und bestärken sich gegenseitig, daher sind wir im beständigen Austausch sowohl zu konkreten Aspekten im Projekt als auch über unseren Industriebeirat.“ Das Projekt illustriert beispielhaft, wie Hochschulen der angewandten Wissenschaften in Deutschland Innovationsräume schaffen. Während Unternehmen oft an wirtschaftliche Zyklen gebunden sind, können Hochschulen risikoreichere Forschungsfragen stellen und dabei gleichzeitig praxisnah bleiben. Für die beteiligten Firmen bedeutet das den Zugang zu neuen Technologien – für die Hochschule den Gewinn an Erfahrung und Know-how.

Technisch zielt KV-Batt auf mehrere Innovationen gleichzeitig. Im Mittelpunkt steht die Systemspannung zwischen 6 und 13 kV, die auf 13 kV Isolationskoordination ausgelegt ist. Ergänzend dazu werden zwei unterschiedliche Subsystem-Topologien getestet, um Sicherheit und Modularität zu erhöhen. Parallel entwickelt das Team automatisierte Trendanalysen, mit denen sich der Alterungszustand einzelner Batteriezellen frühzeitig erkennen lässt. Alle Subsysteme erhalten eine eigene Schutzbeschaltung, um Hochspannungsrisiken zu minimieren. Und schließlich soll das Gesamtsystem so konstruiert werden, dass es auch in einer sauerstofffreien Atmosphäre betrieben werden kann – eine Voraussetzung für deutlich erhöhte Brandsicherheit. Diese Kombination macht KV-Batt zu einem Modellprojekt für künftige Energiespeicherarchitekturen. Die zehnfache Spannung eröffnet neue Leistungsbereiche, die bisher als technisch kaum realisierbar galten. Gleichzeitig liefert das Projekt wertvolle Daten für die nächste Generation sicherer, wartungsarmer Batteriesysteme.

Beispielhafte Kooperationen

Ein Erfolgsfaktor ist das Netzwerk hinter dem Projekt: Die FH Dortmund ist Teil der Hochschulallianz Ruhr, in der sie mit der Hochschule Bochum und der Westfälischen Hochschule zusammenarbeitet. Gemeinsam bündeln die drei Einrichtungen das Know-how von rund 650 Professorinnen und Professoren und über 30 000 Studierenden. Aktuell bestehen bereits 85 Unternehmenspartnerschaften – ein Verbund, der Forschung, Lehre und Transfer eng verzahnt. „Unsere Hochschulen ergänzen sich ideal“, sagt Kempen. „In der Allianz können wir interdisziplinär denken und schneller auf die Bedarfe der Wirtschaft reagieren.“

Noch steht das System am Anfang seiner Erprobung. Doch schon jetzt ist klar: Wenn die Ergebnisse halten, was die Simulationen versprechen, könnte KV-Batt den Standard für Großspeicher neu definieren. Eine zehnfache Spannung, hundertfach geringere Verluste – und eine Forschungskooperation, die zeigt, wie Hochschulen, Industrie und Kommunen gemeinsam die Zukunft der Energieversorgung gestalten können.

Von Elke von Rekowski