Elektroautos: im Praxiseinsatz
Elektroautos nicht nur als Verbraucher, sondern auch als Stromlieferanten zu nutzen, gewinnt angesichts der zunehmenden Stromnachfrage, schwankender Netzeinspeisung durch Erneuerbare und steigender Speicherbedarfe an Aktualität. Allerdings bremsen technische und rechtliche Hürden den Einsatz.
Elektroautos mit doppelter Nutzung der Batterie: tagsüber Laden, abends das Haus mit Energie versorgen oder Netzspitzen abfangen.
Foto: Smarterpix/chartphoto7@hotmail.com
Bidirektionales Laden verspricht hier eine doppelte Nutzung der Batterien: tagsüber Laden, abends das Haus mit Energie versorgen oder Netzspitzen abfangen. Doch trotz zunehmender Pilotprojekte bleibt die Umsetzung in der Breite aus. Eine aktuelle Analyse des TÜV-Verbands zeigt, woran es derzeit hakt und welche technischen, regulatorischen und praktischen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit sich das Potenzial des bidirektionalen Ladens entfalten kann.
Elektroautos als smarte Speicher
In der Theorie sind die Vorteile eindeutig: Fahrzeugbatterien könnten – je nach Modell und Zustand – mehrere Kilowattstunden Energie in kurzer Zeit bereitstellen. Im Aggregat würde das ein dezentrales Netz aus Tausenden kleinen Speichern ergeben, das Strom aus Solaranlagen aufnehmen und bei Bedarf zur Verfügung stellen könnte. Damit ließe sich das Stromnetz stabilisieren, ohne auf große zentrale Speicher angewiesen zu sein. Zudem bietet das sogenannte Vehicle-to-Home (V2H) oder Vehicle-to-Grid (V2G) die Möglichkeit, wirtschaftlich zu profitieren: Wenn der Strom vom Fahrzeug zurück ins Haus oder Netz fließt, kann dies Spitzenlastkosten reduzieren oder sogar zusätzliche Einspeisevergütungen generieren.
Technologische Grundlagen und regulatorische Anforderungen
Die technische Machbarkeit ist prinzipiell gegeben: Einige Automodelle, darunter Modelle asiatischer Hersteller wie Nissan und Hyundai, sind bereits heute V2G-fähig. Sie verfügen über entsprechende Leistungselektronik, die den Stromfluss nicht nur in eine Richtung zulässt. Auch die Ladeinfrastruktur entwickelt sich weiter. Wichtig ist, dass Ladegeräte einen bidirektionalen Betrieb unterstützen und zertifiziert sind. Aktuell ist jedoch nur ein kleiner Teil der installierten Wallboxen für bidirektionales Laden ausgelegt. Hinzu kommt: Auch das Zusammenspiel mit dem Häusernetz und dem Energieversorger muss geregelt und technisch abgesichert sein. Hier fehlt es an standardisierten Schnittstellen und einheitlichen Kommunikationsprotokollen.
Auf regulatorischer Seite steht die Einspeisung aus dem Auto vor vergleichbaren Herausforderungen wie Photovoltaik-Anlagen: Die Netzverträglichkeit muss gewährleistet sein, die Abrechnung klar definiert, die Rolle des Fahrzeughalters als Stromlieferant rechtlich geklärt. Der TÜV-Verband fordert in seinem Positionspapier daher eine klare Regelung zur Netzintegration, etwa durch Vorgaben für intelligente Messsysteme und transparente Marktmechanismen für die Abnahme von Strom aus Fahrzeugen. Auch die steuerliche Behandlung von Einnahmen aus V2G bleibt eine offene Frage.
Was heute schon funktioniert – und was nicht
Trotz der Hürden gibt es erste Beispiele für gelungene Implementierungen. In Pilotprojekten etwa werden Fahrzeuge in Quartierspeichern eingebunden oder dienen in Betrieben als Puffer für Lastmanagement. Einzelne Hausbesitzer speisen überschüssigen Solarstrom über das E-Auto abends wieder ins Hausnetz ein. Solche Beispiele zeigen, dass bidirektionales Laden technisch funktioniert, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Doch sie sind bislang Ausnahmen, keine Regel.
Lesen Sie auch: Wie das Projekt Wallbox-Inspektion erstmals Qualität messbar macht
Für einen funktionierenden V2G-Betrieb braucht es vor allem ein abgestimmtes System aus Fahrzeugtechnik, Ladehardware, Netzanschluss und Energiemanagementsoftware. Insbesondere Letztere ist entscheidend, um Lade- und Entladeprozesse intelligent zu steuern. In der Praxis bedeutet das: Die Software muss wissen, wann das Auto gebraucht wird, wie viel Energie gespeichert oder abgegeben werden darf und wie sich dies mit den Stromtarifen und Netzanforderungen verträgt. Ohne diese Koordination bleibt bidirektionales Laden ineffizient oder gar kontraproduktiv.
Elektroautos: Anreize für flächendeckenden Einsatz für bidirektionales Laden fehlen
Zudem ist die Frage der Nutzungsperspektive entscheidend: Wer nutzt das Elektroauto wann, wie lange steht es zur Verfügung, wie viel Reichweite soll erhalten bleiben? Diese Fragen sind nicht nur technisch, sondern auch verhaltenspsychologisch relevant. Studien zeigen, dass Nutzerinnen und Nutzer nur dann bereit sind, ihr Fahrzeug als Energiespeicher freizugeben, wenn sie sich auf Reichweite und Verfügbarkeit verlassen können. Daher sind Transparenz, Steuerbarkeit und einfache Bedienung zentrale Erfolgsfaktoren.
Lesetipp: Effektive solare Stromversorgung dank Elektroautos und smarter Netze
Schließlich bleibt der Kostenaspekt. Bidirektionales Laden erfordert aktuell noch teurere Hardware, aufwendigere Installation und zusätzliche Genehmigungen. Ob sich diese Investition rechnet, hängt von vielen Faktoren ab: Strompreisstruktur, Einspeisevergütung, Fahrverhalten, Netznutzung. In Einzelfällen kann sich das System bereits heute lohnen, flächendeckend ist es ohne Anreizsysteme jedoch kaum wirtschaftlich.




