Die frühe Drohne fängt das Bild
Automatisches Monitoring per Drohne und KI: Der Einsatz von Drohnen in Kombination mit Bildanalysen mittels Künstlicher Intelligenz (KI) bringt etwa bei Bau- und Instandhaltungsarbeiten zahlreiche Vorteile mit sich: höhere Effizienz und Betriebssicherheit sowie eine verbesserte Dokumentation. Wie auch der Artenschutz davon profitiert, zeigt ein Projekt von Omexom im Bereich Hochspannungstrassen.
Die Überprüfung von schwer zugänglichen Freileitungen gelingt per Drohne deutlich einfacher.
Foto: Omexom Deutschland
Digitale Technik gewinnt auch im Baubereich immer mehr an Bedeutung – etwa für die Planung und Dokumentation. So lassen sich beispielsweise Vermessungen schneller und genauer durchführen, um etwa digitale Zwillinge von einzelnen Bauabschnitten oder ganzen Baustellen zu erzeugen. Auch die Zustandserfassung bei Bau- und Instandhaltungsprojekten profitiert davon und macht die Projektabwicklung effizienter, präziser und produktiver. Omexom setzt eine besondere Form dazu ein, um den Artenschutz zu verbessern: das Monitoring von Hochspannungsmasten zum Auffinden bestehender Vogelnester.
Für wildlebende Tiere wie Vögel besteht ein besonderer gesetzlicher Schutz ihres Lebensraums (unter anderem §§ 39 und 44. BNatSchG, EU-Vogelschutzrichtlinie 2009/147/EG). Dazu zählen insbesondere Brutstätten im Schutzzeitraum vom 1. März bis 30. September. So sind Bau- oder Instandhaltungsarbeiten an Hochspannungsmasten in diesem Zeitraum nicht zulässig, wenn dort Nester vorgefunden werden. Denn damit bestünde eine Beeinträchtigung von Nist- und Brutplätzen. In der Vergangenheit waren Trassen daher personal- und zeitaufwendig abzufahren, um die einzelnen Masten auf Vogelnester zu überprüfen. Das gestaltete sich besonders umständlich, wenn zwischen den Masten Hindernisse wie Flüsse oder Täler lagen. Dann mussten sehr weite Strecken zurückgelegt werden. Omexom, die Marke für Energieinfrastrukturen von Vinci Energies, hat daher eine Methode entwickelt, um den gesamten Vorgang effizienter, sicherer und kostengünstiger zu realisieren.

Mittels Künstlicher Intelligenz können Vogelnester auf Freileitungen eigenständig identifiziert werden.
Foto: Omexom Deutschland
Flinker Helfer am Himmel
Dank ihrer einfachen Handhabung und der flexiblen und zugleich präzisen Flugeigenschaften erleichtern es Drohnen, sowohl weitläufige Areale als auch schwer erreichbare Bereiche aus der Luft zu inspizieren. Die dadurch erstellten Aufnahmen können dann mittels digitaler Technik analysiert werden. Omexom nutzt die Kombination aus Drohnen und Bildanalyse bereits zur allgemeinen Inspektion von Strommasten sowie zur Beweissicherung und Vermessung. So lässt sich etwa für den Wegebau zum Baugrund feststellen, wie viele Stahlplatten vonnöten sind, und darüber hinaus dokumentieren, welche Baufahrzeuge wann und wo standen. Omexom verwendet die Technik zudem, um genaue Angaben zu den Kubikmetern von Haufwerken machen zu können oder Lochmaßausmessungen für das Fundament von Masten durchzuführen. Denn mittels digitaler Messtechnik können nicht nur die Abstände zwischen ausgewählten Punkten exakt vermessen werden, sondern es gelingt auch, anhand mehrerer Messwerte Volumina zu berechnen und so die Angabe von Fundamentaushebungen auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen.
Von der Idee zur Ausführung
Auf einem Innovation Day eines Übertragungsnetzbetreibers lernte Omexom FlyNex kennen. Das Unternehmen aus Leipzig ist ein Spezialist zur digitalen Datenerhebung, -analyse und -verwaltung und bietet zudem maßgeschneiderte KI-Lösungen an. Aus Omexoms bisheriger Erfahrung beim Einsatz mit Drohnen entstand die Idee, Aufnahmen von Hochspannungsmasten per Drohne automatisch auf den Bestand von Vogelnestern analysieren zu lassen. Ein konkretes Projekt dafür war schnell gefunden: der rund 60 km lange und aus 140 Masten bestehende Abschnitt der 380-kV-Freileitung Landesbergen-Borken, die sich an der Grenze zwischen Niedersachsen und Hessen befindet. Hier erfolgt eine Neubeseilung der Leitung mit Hochtemperaturleiterseilen, um mehr Leistung übertragen zu können. Gemeinsam mit FlyNex, die auch Drohnenlösungen anbieten, begann die Planung des Projekts.

Dank digitalem Zwilling der 380-kV-Freileitung Landesbergen-Borken kann die Flugroute der Drohnen bereits vor deren Start einprogrammiert werden.
Foto: Omexom Deutschland
Im März 2025 wurden entlang der Leitung insgesamt fünf Drohnenhangars (Docks) an strategisch geeigneten Standorten installiert. Dank mit SIM-Karten ausgestatteten LTE-Modulen und einer Cloud-basierten Softwarelösung gelingt eine datenschutzkonforme Übertragung und Auswertung der Daten. Um den Personalaufwand zu reduzieren, sollten die Drohnenflüge automatisch erfolgen und aus einem zentralen Leitstand in Bielefeld koordiniert und überwacht werden. Dabei handelt es sich um sogenannte BVLOS-Flüge (Beyond Visual Line of Sight), bei denen kein direkter Sichtkontakt zwischen dem Piloten und der Drohne besteht. Ermöglicht wurde das auch durch einen bereits vorhandenen per Laserscanning erstellten digitalen Zwilling der gesamten Leitung aus 3-D-Punktwolken. So lassen sich die Routen der Drohnen jeweils einprogrammieren.
Analyse per KI
Wie üblich muss auch in diesem Fall die KI zunächst trainiert werden. Ein Mensch lernt sehr schnell, wie ein Vogelnest aussieht – unabhängig von der Umgebung. Eine KI benötigt dagegen zahlreiche Bilder, um Objekte zu erkennen und von anderen Objekten der Umgebung zu unterscheiden. Dabei untersucht ein Neuronales Netz Bildinformationen etwa anhand von Farben, Texturen, Mustern und Formen, die typische Merkmale des gesuchten Objekts aufweisen. Während des Lernprozesses kommen auch Bilder von anderen Objekten zum Einsatz, um klare Unterscheidungen machen zu können. Mit der Zeit lernt die KI immer besser zu erkennen, ob sich auf einem Bild ein Vogelnest befindet.
Bildauswertung in der Praxis
Ab April 2025 fanden die ersten Drohnenflüge statt. Dreimal pro Woche erfolgt der autonome Anflug aller 140 Masten auf der Strecke von 60 km, wobei pro Mast acht Fotos aus verschiedenen Perspektiven gemacht wurden. Zu diesem Zeitpunkt begutachteten Mitarbeitende von Omexom noch alle Bilder, markierten entdeckte Vogelnester und fütterten mit diesen Daten die KI. Bereits durch die manuelle Durchsicht gelingt der gesamte Vorgang des Monitorings präziser, schneller und weitestgehend wetterunabhängig. Ohne Drohnen wären für die Aufgabe Mitarbeitende in Vollzeit damit beschäftigt – bei diesem Projekt voraussichtlich bis zu drei. Dank der Bilderfassung per Drohne kann das Personal jetzt andere Aufgaben übernehmen und effizienter eingesetzt werden. Für entdeckte Vogelnester, die sich auf einem im Bauplan vorgesehenen Abschnitt befinden, aber selbst noch im Bau sind oder darin noch kein Gelege ist, steht der Netzbetreiber in der Verantwortung, diese zu entfernen. Andere Nester außerhalb dieser Abschnitte sind davon nicht betroffen, wodurch Vögel hier weiterhin unberührt nisten und brüten können.
Dank der menschlichen Anlernphase erreicht die KI bereits eine hohe Erfolgsquote und übernimmt mittlerweile die Bilderkennung weitestgehend selbstständig. Um Fehler sicher auszuschließen, greift Omexom auf das Prinzip „Human-in-the-loop“ zurück: Identifiziert die KI ein Vogelnest, verifiziert anschließend ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin das Ergebnis. Durch die Rückmeldung eines Menschen an die Software lernt die KI erneut hinzu – und im Verlauf verringern sich die Zahl der zu überprüfenden Bilder sowie der zeitliche Aufwand massiv. Insgesamt ist die Neubeseilung der 380-kV-Freileitung Landesbergen-Borken auf drei Jahre angesetzt und das Projekt befindet sich aktuell außerhalb des Schutzzeitraums von Brutstätten. Daher geht das Vogelnestmonitoring per Drohne und KI im kommenden Jahr weiter. Omexom plant dazu auch einen eigenen Leitstand zu errichten, um den Drohnenflug eigenständig koordinieren und überwachen zu können. Alles in allem ermöglicht die Kombination moderner Drohnen- und KI-Technologie, kostenintensive Bauverzögerungen zu vermeiden und zugleich dem Artenschutz in vollem Umfang Rechnung zu tragen.
Thilo Gronholz ist Vertriebsleiter Nord/Ost bei Omexom Deutschland
thilo.gronholz@omexom.com