Zum E-Paper
Salze ohne Chemie entfernen 03.05.2021, 07:00 Uhr

Wärmetauscher: Wie sich ein zentrales Problem umweltfreundlich lösen lässt

Salzablagerungen beeinträchtigen den Wirkungsgrad von Wärmetauschern. Doch das Kühlwasser muss nicht unbedingt aufbereitet werden. US-Forscher haben eine andere Idee erfolgreich getestet.

Auf hydrophoben Oberflächen eines Wärmetauschers bilden Salze spezielle Strukturen und lösen sich danach ab.
Foto: MIT

Auf hydrophoben Oberflächen eines Wärmetauschers bilden Salze spezielle Strukturen und lösen sich danach ab.

Foto: MIT

Etwa 0,25% des Bruttoinlandsprodukts aller Industrieländer geht durch ein technisches Problem verloren: die Verschmutzung von Wärmetauscher-Oberflächen durch Salze und andere gelöste Mineralien. Ablagerungen senken die Effizienz zahlreicher industrieller Prozesse und erfordern oft teure Gegenmaßnahmen wie eine Vorbehandlung des Wassers. Das kostet Geld und sorgt für Abfall.

Ingenieure des Massachusetts Institute of Technology (MIT), Cambridge, zeigen jetzt, wie sich dieser störende Prozess verhindern lässt – und wie sogar kommerziell verwertbare Produkte entstehen. Sie kombinierten speziell strukturierte hydrophobe (wasserabweisende) Oberflächen und Wärme. Dadurch kristallisierten Salze, sodass sie sich leicht entfernen ließen, teilweise nur durch die Schwerkraft.

Trinkwasser aus Meerwasser: Dampferzeugung mit Polymeren und Cellulosefasern

Umfangreiche Vorarbeiten mit Wärmetauschern

Dass oberflächliche Verschmutzungen die Effizienz von Wärmetauschern beeinträchtigen, ist lange bekannt. Ziel der MIT-Arbeitsgruppe war, eine umweltfreundliche und gleichermaßen kostengünstige Lösung zu entwickeln.

Im ersten Schritt untersuchten die Forscher, wie Salze auf hydrophoben Oberflächen kristallisieren. Sie stellten fest, dass Ausfällungen zunächst schalenförmige Strukturen um ein Tröpfchen bilden. Recht unerwartet erhob sich diese Schale aus Salzen auf einer Reihe von spindelförmigen Fortsätzen, die während der Verdampfung entstanden. Es entstanden wiederholt vielbeinige Formen, die Elefanten und anderen Tieren ähnelten.

Nach vielen Experimenten und detaillierten Analysen bestimmte das Team den Mechanismus, der zu beinähnlichen Ausstülpungen führt. Sie zeigten auch, wie die Strukturen in Abhängigkeit von der Temperatur und der Beschaffenheit der hydrophoben Oberfläche variierten. Gebilde aus Salzen wuchsen zunächst wie Eiszapfen. Ab einer gewissen Größe brachen sie von selbst ab oder wurden weggeschwemmt.

„Diese Beine sind hohle Röhren, und Flüssigkeit wird durch diese Röhren nach unten befördert“, so die MIT-Absolventen Samantha McBride. „Sobald sie den Boden erreicht und verdampft, bilden sie neue Kristalle, welche die Länge der Röhre kontinuierlich vergrößern.“ Das heißt: Der Kontakt zwischen Kristallen und Oberflächen ist gering. Schwache Kräfte reichen aus, um Ablagerungen zu entfernen.

Nanostrukturen in Wärmetauscher-Oberflächen steuern die Kristallisation

Doch dieses Phänomen trat nicht immer wie gewünscht auf. Warum? Als entscheidend erwiesen sich Nanostrukturen auf der Oberfläche des Wärmetauschers. Nur bestimmte Muster erreichten den erwünschten Effekt mit Abstoßung von Salzablagerungen.

„Wenn man einen Tropfen Salzwasser auf einer superhydrophoben Oberfläche verdampft, ist das, was normalerweise passiert, dass diese Kristalle anfangen“, so McBride. „Sie dringen in die Textur ein, bilden Kugeln, heben sich jedoch nicht wie gewünscht von der Oberfläche ab.“ Ihr Fazit: „Wir haben gesehen, dass nur spezifische Nanostrukturen den Effekt ermöglichen.“ Oberflächen lassen sich durch Ätzen, Abrieb oder Beschichtung modifizieren.

Damit nicht genug: Indem man die Wärmemenge entlang der Oberfläche variiert, ist es sogar möglich, die Kristallformationen so zu steuern, dass sie sich in eine bestimmte Richtung bewegen, fanden die Forscher heraus. Je höher die Temperatur, desto schneller war das Wachstum – und desto rascher werden Salze von der Oberfläche abgesprengt.

Erste Experimente wurden mit gewöhnlichem Natriumchlorid, sprich Kochsalz, durchgeführt. McBride erwartet jedoch, dass andere Salzen oder Mineralien ähnliche Effekte zeigen.

Klimawandel: Gletscher schmelzen kaum: Forscher sind überrascht, wo der Eisschwund ausgebremst wird

Alternative Kühlmedien für Wärmetauscher

Wie geht es weiter? Da die Methoden zur Herstellung der Texturen beziehungsweise zur Erzeugung einer hydrophoben Oberfläche bereits gut entwickelt sind, sollte die Umsetzung vom Labor in den industriellen Maßstab leicht gelingen. McBride hofft jedenfalls, dass sich künftig stark salzhaltiges oder brackiges Wasser für Kühlsysteme eignen könnte – als Möglichkeit, um wertvolles Süßwasser zu sparen.

Ein Beispiel: Jedes typische 600-Megawatt-Kraftwerk verbraucht rund eine Milliarde Liter Wasser pro Jahr, was für die Versorgung von 100.000 Menschen ausreichen könnte. Mit dem neu entwickelten Prinzip könnte Meerwasser als Alternative verwendet werden. Darüber hinaus könnten die zurückgewonnenen Salze und andere Mineralien nach weiterer Aufbereitung direkt verkauft werden.

Vorteile sieht McBride aber nicht nur bei Wärmetauschern. Auch Wasserrohre, Brunnen, landwirtschaftliche Einrichtungen und eine Vielzahl von Systemen für erneuerbare Energien werden durch salzhaltige Ablagerungen gefährdet.

Mehr zum Thema Wasser:  

Von Michael van den Heuvel