Rohr- und Kanalreinigung 01.10.2019, 00:00 Uhr

Verzweigte Kanäle sanieren

Sanierer von Abwasserrohren wissen gerne, wo diese verlaufen. Auf privatem Gelände fehlen diese Daten oft. Hier hilft eine Dreh-Schwenkkopfkamera mit einer speziellen Software: die Lindauer Schere. Ein Völklinger Ingenieurbüro hat damit gute Erfahrungen gesammelt.

Die Lindauer Schere ist ein abbiegefähiges Inspektionssystem für Reinigung und Dokumentation von Entwässerungssystemen. Zu sehen ist die Scherenmechanik, die beim Abbiegen aus	fährt und danach wieder in das Kameragehäuse zurückfährt. Bild: JT-elektronik

Die Lindauer Schere ist ein abbiegefähiges Inspektionssystem für Reinigung und Dokumentation von Entwässerungssystemen. Zu sehen ist die Scherenmechanik, die beim Abbiegen aus fährt und danach wieder in das Kameragehäuse zurückfährt. Bild: JT-elektronik

In lokalen Verwaltungen entstanden Katasterpläne meist, als die Kanalisation und andere Sammel- und Transportkanäle gebaut wurden. Die Pläne wurden stetig aktualisiert und die Daten sind über GIS-Datenbanken oder georeferenzierten Lageplänen und Schnitten jederzeit abrufbar. Anders sieht es aus bei Anschlusskanälen und Entwässerungsanlagen auf Grundstücken. Für deren Sanierung liegen selten ausreichend Informationen vor. Doch um Instandhaltungs- und Sanierungsarbeiten zu planen und schnell und kosteneffizient durchführen zu können, wären solche Daten wichtig.

Die Deutsche Vereinigung der Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) nennt für Deutschland eine Länge von mehr als 500.000 km an Sammelkanälen. Die Länge privater Entwässerungsleitungen inklusiver der von Industrie- und Gewerbebetrieben beträgt ein Mehrfaches davon: Geschätzt wird, das es mehr als 1 Mio. km an privaten Liegenschaftsentwässerungskanäle sind. Und die sind oft verzweigt und haben geringe Rohrdurchmesser. Sie verlaufen oft unter der Bodenplatte der Gebäude. Hin und wieder enthalten Bauakten zwar Skizzen einer früher geplanten Verlegung der Kanäle. Oft fehlen aber Revisions- oder Bestandspläne völlig, sind unzutreffend, nicht mehr aktuell oder falsch gezeichnet.

Durch ein Abflussrohr geht der Blick auf das Kamerasystem der Lindauer Schere. Bild: JT-elektronik

Durch ein Abflussrohr geht der Blick auf das Kamerasystem der Lindauer Schere. Bild: JT-elektronik

Alle Anlagen altern

Grundstücksentwässerungsanlagen (GEA) und Anschlusskanäle altern wie alle Rohre und Kanäle. Undichtigkeiten, Rohrversätze, Gegengefälle, Scherbenbrüche verbunden mit Ex- und Infiltrationen, stillgelegte Leitungen, sowie Fehlanschlüsse an Schmutz- und Regenwassertransportkanälen sind an der Tagesordnung. Dabei sind Dichtheit, statische Festigkeit und Betriebssicherheit der Entwässerungsanlagen wichtige Anforderungen an eine erfolgreiche und nachhaltige Sanierung.

Wie saniert werden soll, wird in einem Sanierungsplan festgelegt. Die Vorgaben dafür stehen im DWA-Merkblatt „Sanierung von Entwässerungssystemen außerhalb von Gebäuden – Teil 1: Planung und Überwachung von Sanierungsmaßnahmen“ (DWA A 143–1). Um das richtige Verfahren auszuwählen, muss das Material der Leitung bekannt sein und welche Schäden vorliegen. Auch die detaillierte Lage der Leitungen und deren Gefälle sind wichtig. Diese werden mit üblichen TV-Befahrungen nicht erkannt, da diese nur den Zustand der Leitungen optisch erfassen und dokumentieren. Solche Befahrungen mit üblicher Satellitentechnik und aufwendiger Ortung des Kamerakopfes von der Oberfläche aus ist Störeinflüssen wie unterschiedlichen Bodenqualitäten und -Verdichtungen unterworfen. Leitungsverläufe und die ortsfeste Lage der Schadstellen lassen sich deshalb oftmals gar nicht oder ungenau darstellen. Dabei ist die Kenntnis der Leitungsverläufe in den drei räumlichen Koordinaten unerlässlich.

Der Spülvortrieb der Lindauer Schere funktioniert über eine leistungsfähige Spezialdüse.

Der Spülvortrieb der Lindauer Schere funktioniert über eine leistungsfähige Spezialdüse.

Foto: JT-elektronik

Gute Erstinspektion

Es gibt eine bessere Möglichkeit: die Lindauer Schere der Firma JT-elektronik aus Lindau/Bodensee. Das ist eine abbiegefähige Schwenkkopfkamera. Sie kann vom Hauptkanal aus das gesamte Entwässerungssystem mit allen Abzweigungen, Höhenveränderungen und Verästelungen erfassen und dokumentieren. Die dazugehörige Software ist das 3D-Lageermittlungs-System ASYS, das JT-elektronik mit der Firma bluemetric software aus Griesheim entwickelt hat. Für Sanierer ist damit ein abbiegefähiges Kamerasystem verfügbar, welches zuverlässig die für eine Sanierung notwendigen und erforderlichen Daten liefert.

Diese Vorgehensweise entsteht durch das Ermitteln und Auswerten der Ausgangssituation, sowie dem Entwickeln und Festlegen von Sanierungsstrategien und -zielen. Aus der TV-Untersuchung entwickelt der Planer somit seine Strategie zur Optimierung der Reparatur, Renovierung, Erneuerung oder Neuverlegung. Dabei kann auch eine Rattenbekämpfung durch das Verschließen nicht benötigtet oder totgelegter Kanalbereichen erfolgen. Nach der Sanierung bestätigt eine abschließende Dichtheitsprüfung der GEA, sowie deren Kanalanschlussleitungen die Vorgehensweise und die Dichtheit der Entwässerungsleitungen.

Die Anschlusskanäle eines zwölfstöckigen Gebäudes wurden ausgehend vom Kanalisationskanal DN 700 erfasst und danach saniert. Schmutzwasserleitungen sind rot, Regenwasserleitungen blau markiert. Die Leitung L17 ist „tot“, und wäre Basis für Ratten-Nester. Bild: Hans + Partner

Die Anschlusskanäle eines zwölfstöckigen Gebäudes wurden ausgehend vom Kanalisationskanal DN 700 erfasst und danach saniert. Schmutzwasserleitungen sind rot, Regenwasserleitungen blau markiert. Die Leitung L17 ist „tot“, und wäre Basis für Ratten-Nester. Bild: Hans + Partner

Datenerfassung

ASYS 3D ist ein Ortungs- und Erfassungssystem für Grundleitungsnetze. Es unterscheidet sich von herkömmlichen Systemen dadurch, dass mehrere Lage-Sensoren in einer Verarbeitungssoftware den Verlauf detektieren. Diese Sensorik ist im Kamerakopf integriert und registriert im Zuge der Untersuchung jede horizontale und vertikale Lageveränderung. Aus den Sensordaten errechnet die ASYS 3D-Sortware den Leitungsverlauf als dreidimensionales topologisches Netz. Dies ermöglicht einen automatischer Bezug der GEA und deren Kanalanschlussleitungen über das Koordinaten-Netzsystem des Transportkanals mit seinen eingemessenen Schächten. Wesentlich ist dabei der stetig dargestellte Verlauf der untersuchten Leitung, speziell in der Höhenlage über die elektronische Gefälle-Neigungs-Anzeige. Diese Anzeige simuliert – wie bei Flugzeugen – die Lage in einem künstlichen Horizont. Somit erhält der Inspekteur gezielte und detaillierte Informationen zu Gefälle, Gegengefälle, Lageabweichungen, Unterbögen und Höhensprüngen oder Höhenversätzen.

Die Lindauer Schere ermöglicht mit der Software ASYS 3D somit eine realitätsgetreue Dokumentation des gesamten Grundstücks- bzw. Liegenschaftsentwässerungssystems. Im Ergebnis ist ein Bestandsplan verfügbar und damit eine Voraussetzung für die effektive Instandhaltung für eine vernünftige und kosteneffiziente Sanierungsplanung von Entwässerungsanlagen geschaffen.

Fazit

Anlagen zur Grundstücksentwässerung sind meist stark verästelt, verwinkelt, von geringer Nennweite und sind plötzlichen Richtungsänderungen unterworfen. Revisions- und Bestandspläne fehlen, sind unzutreffend oder nicht mehr aktuell. Undichtigkeiten, Rohrversätze, Gegengefälle, Scherben- und Rohrbrüche – verbunden mit Ex- und Infiltrationen, stillgelegte Leitungen, sowie Fehlanschlüsse an Schmutz- und Regenwassertransportkanäle sind an der Tagesordnung. Zudem lassen sich so auch aufwendige Fehlaufgrabungen und überbreite Gräben bei einer offenen Kanalsanierung vermeiden, da durch zugeordnete Referenzpunkte ein optimiertes Positionieren eventuell notwendiger Suchgräben oder Schlitzen erfolgen kann. Auch bei der Neubauabnahme von Kanalanschlussleitungen kann die Lindauer Schere die Qualität der Bauausführung steigern. Denn eine vernünftige Dokumentation der GEA- und Liegenschaftsentwässerung schafft den Mehrwert zu einer Optimierung der Leitungsverläufe und einer effektiven Sanierung der Entwässerungsstrukturen, auch speziell wenn die Mischwasserkanäle getrennt werden in Regen- und Schmutzwasserleitungen oder der Einbau von Rückstausicherungen oder ein Hochwasserschutz geplant werden muss.

Von Thomas Hans

Thomas Hans, Hans + Partner GBR info@hans-partner.de