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Abwasserpumpen 01.12.2019, 00:00 Uhr

Störungsfrei mit Wellen statt Messern

Verzopfungen sorgen in Pumpen immer häufiger für Probleme. Denn während die Abwassermenge sinkt, enthalten Haushaltsabwässer zunehmend mehr Feststoffe. Feuchttücher, faserige Hygieneartikel, Verpackungsmaterial und ein sparsamer Wassereinsatz führen dazu, dass Pumpen oft zu ungünstigen Zeitpunkten verstopfen. Doppelwellenzerkleinerer verhindern dies, da sie auch widerstandsfähige Feststoffe pumpfähig machen.

Die „Muffin Monster“ von Sulzer sind kompakte robuste Zerkleinerer für Anwendungen im Schlamm- und Abwasserbereich. Der Zulauf ‧erfolgt über eine Rohrleitung (links) oder über einen offenen Kanal (rechts). Bild: Sulzer

Die „Muffin Monster“ von Sulzer sind kompakte robuste Zerkleinerer für Anwendungen im Schlamm- und Abwasserbereich. Der Zulauf ‧erfolgt über eine Rohrleitung (links) oder über einen offenen Kanal (rechts). Bild: Sulzer

Mehr Feststoffe im Abwasser stellen Pumpenhersteller vor Herausforderungen. Diese haben sich darauf eingestellt und Pumpen mit speziell entwickelten Laufrädern entwickelt. Ein Ansatz ist, Zerkleinerer mit Schneidrädern zu verwenden. Diese Mazeratoren sind gut geeignet, um Feststoffe möglichst fein zu zerkleinern. Doch auch dies ist nicht immer optimal: Je nach Auslegung der nachgeschalteten Rechen und der Anlage insgesamt kann dies unvorteilhaft sein: Die fein zerkleinerten Feststoffe können durch die Rechen in die nachfolgenden Prozesse bis hin in den Vorfluter gelangen. Bei größeren Feststoffen und längeren Verzopfungen steigt zudem auch bei Mazeratoren die Gefahr einer Blockade.

Doppelwellenzerkleinerer verarbeiten hingegen auch solche Abwässer zuverlässig und störungsfrei. Im Vergleich zu Mazeratoren laufen Doppelwellenzerkleinerer mit nur 40 bis 80 Umdrehungen pro Minute etwa zehnmal langsamer und sind damit weniger anfällig für Störungen und Verschleiß. Sie lassen sich so einrichten, dass die Feststoffe gut pumpfähig sind und gleichzeitig in den Rechen aufgefangen werden.

Bisher: regelmäßiger Ausfall

Ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz eines Doppelwellenzerkleinerers ist die Zwischenpumpstation Murg-Niederhof in Baden-Württemberg nah der Grenze zur Schweiz. Die Station gehört zur Kläranlage der Hochrheingemeinde Murg. Sie nimmt in einer Trennkanalisation das Abwasser von etwa 30 privaten Wohnhäusern eines Neubaugebiets auf.

Wie die meisten derartigen Pumpstationen ist sie nicht mit Rechen ausgestattet. „Mit Zunahme der Feucht- und Reinigungstücher mussten wir die Pumpen mit schwerem Gerät alle zwei bis drei Wochen ziehen und reinigen“, beschreibt Ronnie Schellin von den Gemeindewerken Murg die Situation.

Da die Station am Rande des Wohngebiets nicht über eine öffentliche Straße erreichbar ist, war die Anfahrt mit Bagger oder Kran jedes Mal aufwendig. Zudem band jeder Einsatz drei Personen für mindestens zwei Stunden. Zwar springt bei Ausfall einer Pumpe ein Reserveaggregat ein, doch um die zuverlässige Funktion der Station zu sichern, war bei Störungen immer eine kurzfristige Reaktion nötig.

Lösung: Doppelwellen

Da sich die Lage nach Information der Einwohner zu dem von Feuchttüchern verursachten Problem nicht dauerhaft besserte, entschied die Gemeinde, einen „Muffin Monster Doppelwellenzerkleinerer“ des Maschinenbauunternehmers Sulzer in Bonn zu installieren. Ein Antriebsmotor mit 2,2 Kilowatt Motorenleistung treibt die Maschine an. Der Motor erfüllt die Anforderungen der Schutzart „IP68“. Das heißt, er kann schadlos 30 Minuten lang überflutet werden. Durch die 25:1-Untersetzung des Zykloidgetriebes entsteht ein hohes Drehmoment. Die Installation erfüllt auch die „ATEX“-Anforderungen für Zone 1. Dies steht für „ATmosphères EXplosibles“ und ist ein Synonym für zwei EU-Richtlinien zum Explosionsschutz. Pumpen, die diese Anforderungen für Zone 1 erfüllen, funktionieren auch, liegt gelegentlich eine zündfähige Atmosphäre etwa durch Benzin- oder Dieseldämpfe vor.

Das „Muffin-Monster“ von Sulzer ist an der Schachtdecke hängend montiert. Der blaue Motor ist sichtbar. Der Zulauf erfolgt über einen offenen Kanal (links). Der Zerkleinerer arbeitet untertags alle 14 Minuten und zwischen 22 und 5 Uhr alle 40 Minuten jeweils 1 Minute. Bild: Sulzer

Das „Muffin-Monster“ von Sulzer ist an der Schachtdecke hängend montiert. Der blaue Motor ist sichtbar. Der Zulauf erfolgt über einen offenen Kanal (links). Der Zerkleinerer arbeitet untertags alle 14 Minuten und zwischen 22 und 5 Uhr alle 40 Minuten jeweils 1 Minute. Bild: Sulzer

 

Diese seit Jahrzehnten weltweit eingesetzten Maschinen zerkleinern mit geringer Drehzahl und hohem Drehmoment hartnäckigste Feststoffe einschließlich Steine, Toilettenpapier, Kosmetik- und Reinigungstücher, Kleidung, Kunststoffe und Sonstige. Sie sind deutlich wirkungsvoller als Aggregate mit einer Welle, Mazeratoren oder Häckselpumpen.

Je nach Situation erfolgt die Steuerung der Doppelwellenzerkleinerer mit festen Laufzeiten, im Dauerbetrieb bei sehr hohem Zufluss oder bedarfsabhängig nach Füllstand mit Sensoren im Zulauf. Die Aggregate lassen sich für offene Zulaufkanäle und den Einbau in Rohrleitungen verwenden. Für hohe Durchflussraten bei starker Feststoffbelastung sind vorgeschaltete Maschinen mit rotierenden Siebtrommeln geeignet. Bei Verwendung der Zerkleinerer im Schlammbereich sind patentierte Schneidräder mit Hinterschnitt ideal. Sie sorgen für ein nahezu quadratisches Schnittbild und vermeiden so fast vollständig jede Wiederverzopfung.

Anforderungen vor Ort

In Murg-Niederhof ist eine Maschine installiert, die auf den Zulauf im offenen 300er-Kanal optimiert ist. Im Gegensatz zum Einbau in eine Rohrleitung musste hier ein individueller Anschluss mit künstlichem Gefälle hergestellt werden. Der Zerkleinerer ist überflutungssicher installiert; ein Notüberlauf schließt einen Rückstau im Kanal bei Störungen aus. Zudem mussten bei der Installation die ungewöhnlich dünne Wandstärke (60 mm) und die im Einzelnen unbekannte Zusammensetzung und damit Tragfähigkeit des Baumaterials des alten Bauwerks beachtet werden.

Mit einer an der Schachtdecke abgehängten Installation ließ sich das Anbohren der Wand vermeiden. Die kompakte Bauweise (1.166 x 305 x 210 Millimeter) und das geringe Gewicht (zirka 250 Kilogramm) erwiesen sich hier als weitere Vorteile. Diese gute Lösung für die Montage, die durchgängig an den Anforderungen der Anlage orientierte Beratung sowie die langjährige Erfahrung des Vertriebsingenieurs von Sulzer und gute Referenzen waren für die Wahl des Lieferanten entscheidend. Die Gemeinde brauchte kein externes Ingenieurbüro einzuschalten.

Einfache Wartung

Der modulare Aufbau erleichtert die Wartung. Sie ist ohne Spezialwerkzeug und -kenntnisse vor Ort möglich. Auch den Zerkleinerungsgrad können die Mitarbeiter selbst anpassen – einzelne Schneidräder lassen sich mit wenigen Handgriffen in Zwischenstufen austauschen. Es fallen keine nachträglichen Kosten an. Die Schnittgröße und damit der Zerkleinerungsgrad orientieren sich am Kugeldurchgang der Pumpe und der Rechenanlage.

Störungsfreier Betrieb

Dank Lieferung aus einer Hand und Montage vor Ort durch den Hersteller in Zusammenarbeit mit Serviceunternehmen vor Ort benötigte der Einbau nur einen Tag. Seitdem arbeitet der Zerkleinerer und damit auch die Pumpen vollkommen störungsfrei. 

Ronnie Schellin, verantwortlich für die Kläranlage der Gemeinde Murg, steht am Schaltkasten der Pumpstation in Murg-Niederhof. Sie läuft sehr mehrere Monaten störungsfrei. Vorher gab es alle zwei, drei Wochen eine Verstopfung. Bild: Sulzer

Ronnie Schellin, verantwortlich für die Kläranlage der Gemeinde Murg, steht am Schaltkasten der Pumpstation in Murg-Niederhof. Sie läuft sehr mehrere Monaten störungsfrei. Vorher gab es alle zwei, drei Wochen eine Verstopfung. Bild: Sulzer

 

 

Von Rafael Lellesch

Rafael Lellesch Leiter Vertrieb und Service kommunales und industrielles Abwasser Sulzer Pumps Wastewater Germany GmbH rafael.lellesch@sulzer.comBild: Sulzer