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Ökodesignrichtlinie 25.06.2021, 11:00 Uhr

Eine Wasserpumpe ist keine Glühlampe

Pumpen können ein Viertel weniger an Strom verbrauchen, würden Pumpe, Steuerung und Motor zusammen optimiert. Dies sollte die EU beim Ökodesign bedenken.

Eine Tauchmotorpumpe wird zusammengebaut. Deren hydraulischen Bauteile - das Pumpengehäuse, das Laufrad und die  Leitvorrichtung - als auch der Motor sind vom Fördermedium überflutet. Solche Pumpen werden etwa als Abwasser- oder als Entwässerungspumpe eingesetzt. Foto: Sulzer

Eine Tauchmotorpumpe wird zusammengebaut. Deren hydraulischen Bauteile - das Pumpengehäuse, das Laufrad und die Leitvorrichtung - als auch der Motor sind vom Fördermedium überflutet. Solche Pumpen werden etwa als Abwasser- oder als Entwässerungspumpe eingesetzt.

Foto: Sulzer

Europa hat nach China und den USA den drittgrößten Stromverbrauch der Welt – mit rund 3.300 Terrawattstunden (TWh) im Jahr. Davon entfallen mehr 300 TWh auf elektrische Pumpen. Das ist ungefähr so viel, wie 30 große Kohlekraftwerke an Strom produzieren.

Kein Wunder, dass die EU-Kommission bei ihrem Bestreben, den Energieverbrauch in der EU zu senken, schon früh ins Auge gefasst hat, mit der Ökodesign-Richtlinie (s. Kasten) auch Pumpen zu regulieren.

Im Unterschied zu vielen Branchen, die sich durch eine Regulierung eingeengt sahen und sich dagegen zu wehren versuchten, hat die Pumpenindustrie in der EU eine sinnvolle Regulierung von Beginn an begrüßt, betont der Fachverband Pumpen + Systeme im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Denn im Grunde setzte hat mit Ökodesignrichtlinie auf politischer Ebene das fortgesetzt, was 2004 in der Pumpenindustrie schon begonnen hatte: die Suche nach Energieeinsparpotenzialen.

Sparsamere Pumpen

Der europäische Pumpenverband Europump hat im Rahmen der Zuarbeiten zur Verordnung in den Jahren 2009 und 2010 am Beispiel von Wasserpumpen ermittelt, dass sich deren Stromverbrauch von 137 TWh im Jahr um 35 TWh – also rund um ein Viertel – verringern lässt. Allein durch diese Einsparung ließen sich etwa drei bis vier große Kohlekraftwerke abschalten.

Dies kann dadurch erreicht werden, dass die Pumpleistung exakt am Pumpbedarf ausgerichtet wird. Das kann mit einer Steuerung wie mit einem Frequenzumrichter funktionieren. Diese Geräte ermöglichen es, die Drehzahl des die Pumpe antreibenden Motors zu verringern und damit auch die Leistung der Pumpe.

Normalerweise laufen die Motoren von Pumpen immer mit einer festen Drehzahl. Im schlimmsten Fall fahren Pumpen immer sozusagen mit Vollgas – und dies oft auch dort, wo der Bedarf an Pumpleistung variiert. Ein Beispiel: In Hotels ist der Wasserbedarf auf Zimmern morgens hoch, weil die Gäste duschen; mittags dagegen ist er vergleichsweise niedrig, weil kaum Gäste im Hotel sind. Der Motor der Wasserpumpe wird in diesem Fall aber meistens den ganzen Tag so viel Strom verbrauchen, wie morgens benötigt wird. Wird weniger Wasser gebraucht, wird der Volumenstrom entsprechend gedrosselt. Die Energie verpufft.

Eine Pumpanlage des Unternehmens KSB aus Frankenthal, Rheinland-Pfalz, in der Brauerei Weihenstephaner in Freising nördlich von München.

Foto: KSB

Ideales Zusammenspiel

„Die Einsparung entsteht dadurch, dass wir regeln statt drosseln. Wir erreichen die 35 TWh also durch eine Eindämmung der Verschwendung“, sagt Thomas Heng. Er ist beim Pumpenhersteller KSB für Serienpumpen zuständig ist und arbeitet bei Europump in verschiedenen Arbeitsgruppen mit.

Die enorme Energieeinsparung resultiert also aus dem idealen Zusammenspiel von Motor, Frequenzumrichter und Pumpe. Sie kann folgerichtig nicht erreicht werden, wenn man nur die Pumpe oder den Motor allein betrachtet.

Warum wird diese Einsparung aber heute kaum genutzt? „Weil meist nur die Anschaffungskosten und nicht die Kosten über den gesamten Lebenszyklus betrachtet werden“, meint Heng. Die aufgrund des Frequenzumrichters teurere Pumpe würde sich aber in den meisten Fällen nach etwa zwei bis vier Jahren amortisieren. In der Industrie sei dies aber eine lange Zeit, erklärt Heng. Investitionen müssten sich oft schon nach zwei Jahren oder noch schneller rechnen.

Industrieunternehmen verzichten bislang weitgehend auf eine möglichst effiziente Auslegung ihrer Pumpen. Das wiegt umso schwerer, als die Anlagenplaner oft großzügige Leistungsreserven vorsehen und zur Überdimensionierung neigen: Pumpen werden auf einen möglichst hohen Betriebspunkt ausgelegt, auch wenn der in der Praxis nie gefordert wird. Man will auf Nummer sicher gehen. Hat man nun aber eine ohnehin viel zu große Pumpe und fährt diese noch dazu immer mit „Vollgas“, ist die Energieverschwendung naturgemäß riesig.

Tauchbelüfter im Belebungsbecken der Kläranlage einer Käse- und Yoghurtproduktion.

Foto: Tsurumi

Ökodesignrichtlinie

Da die Pumpenhersteller diese Verschwendung erklärtermaßen eindämmen wollen, kommt ihnen eine Regulierung durch die Ökodesignrichtlinie gerade recht. Die Sache hat allerdings einen Haken:

Die EU-Kommission verfolgt in der 2009 verabschiedeten Ökodesignrichtlinie einen „engen Produktansatz“. Das kommt daher, dass diese Richtlinie anfangs vor allem Verbraucherprodukte wie Kühlschränke, Fernseher und die Glühlampe im Auge hatte. Eine Glühlampe macht man an oder aus. Ist sie an, verbraucht sie Strom, ist sie aus, verbraucht sie keinen. Eine Glühlampe ist autark, eine Pumpe nicht.

Würde man eine Pumpe separat betrachten und auf Stromsparen trimmen, bekäme man nach der Untersuchung von Europump mit extremen Design- und Produktionsaufwand nur einen Einspargewinn von 5 TWh hin statt der 35 TWh bei einer gemeinsamen Betrachtung von Pumpe, Frequenzumrichter und Motor.

Die EU kann mittels der Ökodesignrichtlinie dazu beitragen, dass Pumpen mit ihrem Elektromotor und Steuerungselement als Gesamtheit betrachtet werden und deutlich weniger Strom verbrauchen.

Foto: PantherMedia/PaulGrecaud

… mit erweitertem Produktansatz

Grundsätzlich zeigt sich die EU-Kommission bereit, einen „erweiterten Produktansatz“, kurz EPA, als Basis für die Effizienzbetrachtung in Erwägung zu ziehen. Aber sie kann das nicht allein entscheiden. „Das Problem sind die Mitgliedsstaaten. Sie sagen, der erweiterte Produktansatz sei für ihre Marktaufsichtsbehörden zu schwierig zu überprüfen“, sagt Frank Ennenbach, Vorsitzender der Normungskommission bei Europump und Manager beim Pumpenhersteller Sulzer.

Das Argument der Kritiker lautet: Wenn man drei unterschiedliche Produkte zu einem zusammenbaut, kann niemand überprüfen, ob das auch richtig gemacht wurde und die Einsparungen infolgedessen greifen.

Beispiel Heizungspumpen

Das Gegenargument lautet Heizungspumpe. Für diese kleine Pumpe, die hunderttausendfach in Häusern verbaut wird, existiert bereits eine Regulierung, bei der der erweiterte Produktansatz angewendet wird: In dem kleinen Gerät sind nämlich Pumpe, Frequenzumrichter und Motor auf engstem Raum zusammengebaut. Die Kommission sieht also das Gerät als Produkt an, obwohl es aus drei einzelnen Produkten besteht. Die ersten Heizungspumpen wurden im Zuge der Ökodesign-Richtlinie bereits 2013 reguliert.

Auch bei Wasserpumpen!

Seit 2012 werden zwar auch Wasserpumpen durch die Ökodesignrichtlinie reguliert, genauer in der Durchführungsverordnung „im Hinblick auf die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung von Wasserpumpen“. Hier wird aber nur die eigentlichen Pumpe, also die Hydraulik, die eine Flüssigkeit von A nach B befördert, betrachtet.

„Wir wollen versuchen, in der anstehenden Revision dieser Durchführungsverordnung den erweiterten Produktansatz auch bei Wasserpumpen durchzusetzen“, erklärt Markus Teepe. Er ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe Ökodesign bei Europump und repräsentiert den Pumpenhersteller Wilo.

Bislang unterliegen Heizungspumpen als Aggregat und Wasserpumpen als Komponente der Regulierung. Das liegt zum einen daran, dass es davon am meisten gibt, zum anderen auch daran, das große Industriepumpen häufig so speziell sind, dass man sie kaum in eine Kategorie zusammenfassen kann.

In der EU-Kommission ist es üblich, Entscheidungen alle fünf Jahre zu überprüfen. Die Überprüfung der Wasserpumpenverordnung hat sich jedoch verzögert, sie ist jetzt für 2022 angekündigt. Dazu lässt die Kommission solche technischen Sachverhalte von externen Berater*innen prüfen, bevor sie zu einer Entscheidung kommt. Diese Experten setzen sich mit allen Beteiligten zusammen. Hier müssen die Pumpenhersteller also mit ihren Argumenten überzeugen.

Tauchbelüfter im Belebungsbecken der Kläranlage einer Käse- und Yoghurtproduktion.

Foto: Tsurumi

Wettbewerbsnachteil abwenden

Doch was ist, wenn die Berater*innn oder die EU-Kommission den erweiterten Produktansatz schlussendlich nicht akzeptieren? „Wir sehen die Gefahr, dass wir dann die 35 TWh, die wir einsparen könnten, nicht einsparen“, sagt Ennenbach. Das wäre eine verpasste Chance, einen großen Beitrag zur Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu leisten. „Wir haben alles da. Wir brauchen nur den Gesetzgeber, der die richtigen Entscheidungen trifft.“

Neben der ökologischen Verantwortung geht es auch um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Pumpenindustrie. Denn in anderen Teilen der Welt gelten längst drastische Effizienzvorgaben für Pumpen. In den USA, zum Beispiel, und auch in Kanada. Bald auch in China. „Wir als Hersteller müssen etwas tun, um diese Märkte nicht zu verlieren. Wollen wir weiter Technologieführer sein, müssen wir die Effizienzgewinne in Europa zeigen“, sagt Ennenbach.

pu.vdma.org

Von Christoph Singrün

Christoph Singrün
Geschäftsführer des VDMA Fachverbands Pumpen + Systeme
christoph.singruen@vdma.org
Foto: VDMA