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Phosphorgehalt unter zwei Prozent drücken 25.04.2023, 09:00 Uhr

Phosphor aus Überschussschlamm

Ein Verfahren, das Eisenphosphate im Überschussschlamm aufschließt, erweitert die dezentralen Verfahrensmöglichkeiten zum kommunalen Phosphorrecycling. Dank geschickter Verfahrensführung werden die Phosphate wieder gelöst und von Mineralien und Eisen abgetrennt.

Von 2029 an müssen größere Kläranlagen Phosphor recyceln, falls dessen Gehalt 2 % im Trockenrückstand des Klärschlammes übersteigt. Momentan gehen die meisten Fachleute davon aus, dass die Monoklärschlammverbrennung der erste verfahrenstechnische Schritt sein muss, um das Phosphat wiederverwerten zu können. Daran angeschlossen sind chemische Prozesse, die Phosphate aus der Asche herauslösen und dann aufkonzentrieren. Endprodukte können Phosphorsäure, Dicalciumphosphat oder Struvit sein. Durch die Monoklärschlammverbrennung gehen aber etablierte Verwertungswege für Klärschlammverwertung, wie die Mitverbrennung in der Zementindustrie verloren.

Die Firma SF-Soepenberg aus Hünxe in Nordrhein-Westfalen hat basierend auf ihren Erfahrungen in der Schlammverwertung der Getränkeindustrie und dem Betrieb industrieller Abwasserbehandlungsanlagen das Verfahren „iPhos“ entwickelt. Das Verfahren kann viele Kläranlagen dazu befähigen, vor Ort den Phosphorgehalt im Klärschlamm gezielt unter die 2 %-Grenze in der Trockenmasse zu senken. Das Verfahren arbeitet im Abwasser und kommt deshalb ohne zusätzliche Klärschlammtransporte aus und benötigt einen geringen Energie- sowie einen moderaten Chemikalieneinsatz.

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Das Verfahren

Das Verfahren basiert auf einer Kombination chemischer Gleichgewichts- und Fällungsreaktionen, die vom Säuregrad abhängen und dazu führen, dass sich ausgefällte Eisenphosphate zuerst auflösen und anschließend Phosphate als Struvit ausgeschleust werden.

Die Firma betreibt seit November 2021 eine Versuchsanlage in der Kläranlage Gifhorn in Niedersachsen mit einem Durchsatz von 400 bis 1 000 l Abwasser stündlich. Dort hat die Firma die einzelnen Reaktionsschritte untersucht und verbessert. In dieser Kläranlage fällt täglich eine Phosphorfracht von im Schnitt 87 kg an.

Eigene Berechnungen haben gezeigt, dass wenn der ganze Klärschlamm mit dem iPhos-Verfahren behandelt wird, täglich etwa 55 kg Phosphor aus dem Überschussschlamm entfernt werden würden. Dies würde einer Reduktion der Phosphorfracht von 65 % im Überschussschlamm entsprechen. Der Phosphorgehalt im Klärschlamm könnte damit in Gifhorn auf bis zu 13 kg Phosphor pro Tonne Trockensubstanz gesenkt werden.

Die Planungen für eine größere Versuchsanlage mit einem Durchsatz von stündlich 1 bis 8 m3 sind in Gange. Damit ist der derzeitige Verfahrensstand vergleichbar mit dem vieler anderer Verfahren. Diese Versuchsanlage soll Ende 2023 als voll automatisierte Anlage in Betrieb sein.

Verfahrensdetails

Im Belebungsbecken, aus dem das gereinigte Abwasser in die Nachklärung zur Ableitung in den Vorfluter, also den Fluss, gelangt, wird Phosphat mit Eisensalzlösungen zu Eisenphosphat (FePO4) ausgefällt. Dieses Salz ist schwer löslich, wird Teil des Überschussschlamms, der im Wesentlichen aus organischer Biomasse besteht. Der Schlamm wird herkömmlich eingedickt, einer anaeroben Behandlungsstufe zugeführt, entwässert und verwertet oder direkt entwässert und verwertet.

Das iPhos-Verfahren setzt am Überschussschlamm an.

In einem Reduktionstank werden dem Schlamm schwefelhaltige Reduktionsmittel wie Dinatriumsulfid (Na2S) hinzugegeben. Diese verändern dort das sogenannte Redoxpotenzial, das beschreibt, wie leicht sich Chemikalien oxidieren oder reduzieren lassen.

Der Phosphataufschluss im Überschussschlamm hängt von der Temperatur ab sowie davon, wie viel schwefelhaltiges Reduktionsmittel zudosiert wird. Die Grafik zeigt, wie viel Phosphat im Überschussschlamm wie schnell bei 9 °C beziehungsweise bei 20 °C in Lösung geht – jeweils, wenn wenig Dinatriumsulfid und wenn dreimal so viel des Sulfides zudosiert wurde. Grafik: SF-Soepenberg

Nach Zugabe der Sulfide wird dreiwertiges Eisen (Fe3+) im Eisenphosphat zu zweiwertigem Eisen (Fe2+) reduziert. Infolgedessen löst sich das Eisenphosphat auf. Die Geschwindigkeit dieser Reaktion hängt von der Menge des Reduktionsmittels und der Temperatur ab. Im Sommer geht es schneller als im Winter.

In einem zweiten Schritt wird solange beispielsweise mit Schwefelsäure angesäuert, bis der Säuregrad knapp unter pH 4 liegt. Damit wird weiteres Phosphat aus Eisenphosphat frei, sodass jetzt bis zu 85 % des Phosphors im Überschussschlamm als Phosphat gelöst sind.

Danach werden die Eisenionen gezielt gefällt. Dazu werden Sulfide wie Dinatriumsulfid eingesetzt. Es entsteht Eisensulfid (FeS), das mithilfe von Flockungsmitteln gemeinsam mit dem Überschussschlamm ausgefällt und durch eine Bandfiltration abgetrennt wird. Dieses verhindert, dass die Eisenionen später wieder als Eisenphosphat ausfallen.

Im nächsten Schritt werden basisch wirkende Magnesiumverbindungen wie Magnesiumhydroxid (Mg(OH)2) dem Filtrat hinzugegeben. Der Säuregrad steigt auf einen pH-Wert von über 8 und Struvit, also Magnesiumammoniumphosphat (MAP), fällt aus.

Verfahrenstechnisch bedeutet das iPhos-Verfahren für Klärwerke zwei zusätzliche Schritte: den Eisenphosphataufschluss und die Struvitfällung.

Eisenphosphataufschluss

Die verschiedenen Aufschlussreaktionen laufen in zwei zusätzlichen Reaktoren ab. Zuerst verweilt der Schlamm 3 bis 16 Stunden in einem stetig durchflossenen Behälter, dem Reduktionstank, dabei wird der Schlamm chemisch reduziert. Anschließend gelangt der Schlamm in den Rohrreaktor, in dem die meisten Reaktionen stattfinden. Der Schlamm durchläuft diesen innerhalb von 15 Minuten. Zur Prozesskontrolle ist eine pH-Sonde nötig.

Hinter dem Rohrreaktor befindet sich dann die in der Kläranlage bereits vorhandene Schlammeindickung oder -entwässerung, sodass der Belebtschlamm dann wie gewohnt eingedickt oder entwässert werden kann. Das Filtrat enthält das freigesetzte Phosphat und der Schlamm ist phosphatarm.

Phosphor gefällt als Struvit

Das freigesetzte Phosphat im Filtrat wird in einem Struvitfällungstank durch Zugabe von Magnesiumhydroxid als Struvit ausgefällt. Dabei ist Struvit nicht gleich Struvit: Liegen im Belebtschlamm nur wenig Ammoniumionen (NH4+) vor, fallen andere Struvite wie Magnesium-Kalium-Phosphat, Magnesium-Natrium-Phosphat oder Dimagnesium-Kalium-Natrium-Diphosphat aus.

Die so hergestellten Struvite können in einem Düngemittelwerk zu einem quasi schwermetallfreien Düngemittel aufgearbeitet werden. Dieses eignet sich als Langzeitdünger für Phosphor und möglicherweise auch Kalium oder für Stickstoff ‒ je nachdem, welches Struvit ausgefallen ist.

2,35 mm, < 2,35 mm & <  1,4 mm) eines Struvits zu sehen, das im Zentrat eines Anaerobschlamms ausgefällt wurde. Aus jeder Fraktion wurden die makroskopischen Fremdstoffe herausgesucht und unter die jeweilige Fraktion gelegt. 

Foto: SF-Soepenberg“ class=“size-medium“ src=“https://www.ingenieur.de/wp-content/uploads/2023/04/soep_Bild_3.jpg“ />Verschiedene Struvite: Oben zu sehen ist im iPhos-Verfahren gewonnenes Struvit. Das Mineral ist kleinkörnig (< 1,4 mm) und weist kaum Fremdstoffe auf. Zum Vergleich sind in der Mitte drei Siebfraktionen (von links nach rechts: > 2,35 mm, < 2,35 mm & <  1,4 mm) eines Struvits zu sehen, das im Zentrat eines Anaerobschlamms ausgefällt wurde. Aus jeder Fraktion wurden die makroskopischen Fremdstoffe herausgesucht und unter die jeweilige Fraktion gelegt. 

Foto: SF-Soepenberg

Im Gegensatz zu anderen Struvitquellen aus kommunalen Kläranlagen zeigt sich, dass Verunreinigungen etwa durch Kunststoffe im iPhos-Struvit deutlich seltener sind, wenn das Struvitmineral aus dem Zentrat der Anaerobstufe gewonnen wird. Der Grund hierfür ist, dass die Fremdstoffe, die durch die Rechenanlagen gelangen, vorab mit dem Rohschlamm abgetrennt wurden, in der Anaerobstufe wieder dem Abwasser zugeführt werden und somit zur Verunreinigung beitragen.

Wirtschaftlichkeit

Die Firma SF-Soepenberg gibt den Kläranlagen die Garantie, das Struvit abzunehmen, sodass die Entsorgung beziehungsweise die Verwertung des Materials langfristig gesichert ist.

Für das iPhos-Verfahren benötigen Klärwerksbetreiber moderate Mengen an reduzierenden Schwefelbedingungen, Schwefelsäure und Magnesiumhydroxid. Der Wärmeeinsatz zur Erwärmung des Schlamms auf maximal 25 °C begrenzt die einzusetzenden Chemikalienmengen, genauso wie höhere Reaktionszeiten. Die genauen Chemikalienmengen bestimmt die Firma kläranlagenabhängig in einem etablierten Laborverfahren.

Bisherige Erfahrungen zeigen, dass der notwendige Chemikalieneinsatz unter dem des Phosphorrecyclings nach einer Monoklärschlammverbrennung liegt. Bisherige Wege der Klärschlammverwertung außerhalb der Landwirtschaft bleiben ebenfalls bestehen.

Grenzen & Ausblick

Im iPhos-Verfahren werden Eisenphosphatverbindungen chemisch reduziert. Zudem scheinen zum Teil auch andere Phosphorfraktionen mit dem Verfahren aufgeschlossen zu werden, sodass es sich wohl auch in Anlagen mit kombinierter Bio-P/Eisenfällung eingesetzt werden kann. Bio-P ist eine biologische Phosphorelimination durch Bakterien, die unter bestimmten Umweltbedingungen, einem Wechselspiel zwischen anaeroben und aeroben Verhältnissen, Phosphate in ihren Zellen anreichern und somit aus dem Abwasser entfernen.

Aluminiumphosphate werden jedoch nicht aufgeschlossen, sodass die Aluminiumfällung ein Ausschlusskriterium für das Verfahren darstellt.

Zurzeit erfolgen Versuche zum Wiedereinsatz des Eisensulfids als Fällmittel. Dadurch könnten sich für Klärwerksbetreiber die Kosten für den Einsatz von Eisen um bis zu 60 % verringern. Zu diesem Zweck ist die Abtrennung des Eisensulfids vom Belebtschlamm notwendig, was momentan erprobt wird.

Das Verfahren ist dezentral auf Kläranlagen einsetzbar. Es verringert aufwendige Transportwege des Schlamms zu Klärschlammtrocknungs- und Monoverbrennungsanlagen.

Das Endprodukt Struvit ist ein Dünger, der mineralischen Düngern nicht nachsteht. In Form von Magnesium-Ammonium-Phosphat handelt es sich sogar um ein Düngemittel, das bei gleichbleibender Düngung die Nitratauswaschung und Lachgasemissionen aus landwirtschaftlichen Böden verringert.

Struvit für die Wurzeln

Denn das im Struvit enthaltene Ammonium wird nur dann freigesetzt, wenn sich der Dünger in einer leicht sauren Umgebung befindet. Pflanzenwurzeln scheiden organische Säuren aus, sodass diese das Struvit auflösen und die freigesetzten Phosphat- und Ammoniumionen direkt mit Wasser aufnehmen können.

Dadurch kommt das freigesetzte Ammonium kaum mit im Boden lebenden Bakterien, die Ammonium zu Nitrat oxidieren und gegebenenfalls auch zu Stickstoff oder Stickstoffoxiden reduzieren können, in Kontakt. Dies sind die beiden relevanten bodenbürtigen Prozesse, durch die Lachgasemissionen entstehen. Das gebildete Nitrat kann zudem bei Starkregen ins Grundwasser ausgetragen werden.

Es wäre vermessen anzunehmen, dass die zusätzlich für iPhos notwendigen Arbeitsschritte ohne zusätzlichen Arbeitsaufwand zu bewältigen sind. Dabei ist aber zu bedenken, dass im Vergleich zu zentralen Anlagen zur Monoverbrennung und zum Phosphorrecycling jeweils vor Ort Investitionen getätigt und Arbeitsplätze gesichert werden.

www.soepenberg.com

Von Christine Oeppert & Joachim Clemens

Christine Oeppert
Forschung & Entwicklung SF-Soepenberg GmbH
c.oeppert@soepenberg.com
Dr. Joachim Clemens
Forschung & Entwicklung SF-Soepenberg GmbH
j.clemens@soepenberg.com