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Dünger direkt aus Klärschlamm 18.04.2023, 08:00 Uhr

Gut Klärschlamm pressen, gibt viel Phosphor

Ein Verfahren aus Düsseldorf erlaubt es, bis zu 70 % des Phosphors direkt aus Klärschlamm zurückzugewinnen. Der Schlamm wird dazu erst thermisch in Gegenwart von Wasser aufgeschlossen, dann angesäuert, bevor Feststoffe abgepresst werden und Phosphor aus dem Filtrat ausfällt. Das Endprodukt ist als Dünger zugelassen.

Die Kohlepresse der Demonstrationsanlage von TerraNova Energy im Klärwerk Duisburg. Die Presse wurde gerade geöffnet und die HTC-Kohle fiel hinunter. Zu sehen sind die schwarzen Filtertücher und weißen Filterplatten. Diese Kohlepresse hat etwa eine Kapazität für eine Kläranlage mit 60 000 Einwohnern. Foto: TerraNova Energy

Die Kohlepresse der Demonstrationsanlage von TerraNova Energy im Klärwerk Duisburg. Die Presse wurde gerade geöffnet und die HTC-Kohle fiel hinunter. Zu sehen sind die schwarzen Filtertücher und weißen Filterplatten. Diese Kohlepresse hat etwa eine Kapazität für eine Kläranlage mit 60 000 Einwohnern. 

Foto: TerraNova Energy

Das Düsseldorfer Unternehmen TerraNova Energy macht sich die Verkohlung von Klärschlamm durch die hydrothermale Karbonisierung, kurz „HTC“, zunutze. Dabei wird durch effektives Entwässern der Großteil des enthaltenen Phosphors zurückgewonnen. Dieses „TerraNova ultra“-Verfahren lässt sich vereinfacht so beschreiben: Biomasse plus Wasser plus Wärme ergibt HTC-Kohle und ein phosphorreiches Filtrat. Dieses Verfahren lässt sich in eine TerraNova-Anlage zum Entwässern von Klärschlammen integriert werden.

Der geschlossene Reaktor

Eine Besonderheit des Verfahrens ist ein geschlossener Reaktor. Dort wird Klärschlamm bei 170 bis 180 °C hydrolysiert. Aus dem organischen Material entstehen dabei Reaktionsgase wie CO2. Diese erhöhen den Druck im Reaktor auf bis zu 28 bar. Dieser Druck liegt über dem theoretischen Sättigungsdampfdruck von reinem Wasser. Das heißt: Wasserdampf kondensiert. Und damit liegt Wasser auch in flüssiger Form vor. Unter diesen Bedingungen hat Wasser andere Eigenschaften und verhält sich ‒ vergleichbar zu Methanol ‒ wie ein Lösemittel für organische Stoffe, wodurch komplexe organische Strukturen im Klärschlamm zu kurzkettigeren Molekülen wie organischen Säuren desintegriert werden.

Gleichzeitig wird die Autoprotolyse, also die Eigendissoziation, von Wasser gefördert, sodass mehr Protonen (H+) vorliegen und damit säurekatalysierte Reaktionen gefördert werden. Nicht nur das: Neben den genannten Funktionen als Katalysator und Lösungsmittel stellt flüssiges Wasser einen Wärmeträger dar, der lokale Überhitzungen vermeidet.

Die Demonstrationsanlage im Jahr 2010, installiert auf der Kläranlage Kaiserslautern. In den beiden unteren Containern befindet sich die Prozesstechnik, in den oberen die Leitzentrale sowie ein Materiallager. 

Foto: TerraNova Energy

Klärschlammchemie

Biomasse und damit auch Klärschlamm besteht zu großen Anteilen aus den Polymeren Zellulose, Hemicellulose und Lignin. Weitere Komponenten sind Fette, Harze, Proteine sowie anorganische Bestandteile. Insbesondere Klärschlamm besitzt einen hohen Ascheanteil, welcher den Prozess der HTC nahezu unverändert durchläuft. Die hydrothermalen Bedingungen fördern zunächst die Hydrolyse dieser Polymere und damit den Aufschluss der Biomasse. Dieses ist im Hinblick auf die Rückgewinnung von Phosphor notwendig: Denn dabei werden die zellulären Strukturen zerstört. Dies erleichtert es, den Klärschlamm mechanisch zu entwässern.

Ab 140 °C sind erste hydrolytische Reaktionen der Hemicellulose bekannt, während die Hydrolyse von Zellulose bei Temperaturen von mehr als 180 °C merklich einsetzt.

Das Fließbild des „TerraNova ultra“-Verfahrens zur Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm. Grafik: TerraNova Energy

Phosphor in Lösung

Geschieht diese Hydrolyse in dem geschlossenen Reaktor, entsteht eine kohlehaltige Suspension und der Säuregrad dieses Hydrolysats liegt bei etwa pH 5. Hier setzt das Phosphorrückgewinnungsverfahren an. Da die Suspension nach der Hydrolyse vergleichsweise wenig viskos ist, kann ihr ohne großen Aufwand eine Säure zugegeben werden, um möglichst viel Phosphor in Lösung zu bringen.

Abhängig von dem auf der Kläranlage verwendeten Fällmittel liegt Phosphor meist als Eisen- oder Aluminiumverbindung vor. Entsprechend dem jeweiligen Löslichkeitsprodukts des Phosphorsalzes muss der Säuregrad des Hydrolysats auf pH 1 bis 3 eingestellt werden, damit diese Substanzen in die flüssige Phase übergehen. Dies geschieht in einem separaten Tank. Die Firma TerraNova setzt, um den pH-Wert abzusenken, eine von zwei Säuren ein: entweder Schwefelsäure (H2SO4) oder eine organische Säure.

Phosphor wird schrittweise angereichert. Im linken Glasbehälter befindet sich Klärschlamm, in dem daneben das Hydrolysat, in dem fast der gesamte Phosphor gelöst ist Im dritten Behälter von links ist das abgetrennte Prozesswasser zu sehen, in dem sich je nach Prozess‧einstellung 60 bis 70 % des Phosphors befinden. Der rechte Behälter enthält die phosphorarme HTC-Kohle mit dem verbleibenden Phosphor. 

Foto: TerraNova Energy

Gut gepresst dank Kammerfilterpresse

Das nach der Säurezugabe saure Hydrolysat wird zur Schlammentwässerung in eine Kammerfilterpresse geleitet. Dort wird die HTC-Kohle vom Filtrat getrennt. Im Gegensatz zum normalen TerraNova-Verfahren ohne Säurezugabe ist die Kohle nun phosphorarm und das Filtrat phosphorreich.

Das Filtrat mit hohe Mengen an Phosphor wird anschließend in einem Fixierungstank unter kontrollierten Bedingungen mit Calciumsilikathydrat (CSH) versetzt. Der gelöste Phosphor bindet dabei an die hochporöse Oberfläche des Silikathydrats. Die CSH-Filtrat-Suspension wird in einer weiteren Fest-Flüssig-Trennung in ein phoshorarmes Filtrat und das Endprodukt, ein Calcium-Phosphor-Rezyklat, separiert, „TerraNova P“ genannt.

Das Endprodukt „TerraNova P“, mit dem Landwirte entsprechend der deutschen Düngeverordnung und der Düngemittelverordnung der EU düngen dürfen. 

Foto: TerraNova Energy

Für eine hohe Konzentration an Phosphor im Endprodukt bei einer gleichzeitig möglichst vollständigen Bindung des gelösten Phosphors im angesäuerten Filtrat muss die Zugabemenge an CSH optimiert werden. Die beste Variante muss vor Ort in jeder Kläranlage gefunden werden.

Die phosphorarme HTC-Kohle darf als erneuerbarer Brennstoff weiterhin in Zementwerken, Kraftwerken oder Müllverbrennungsanlagen fossile Brennstoffe ersetzen. 

Foto: TerraNova Energy

Pflanzenverfügbarkeit

Das „TerraNova P“-Produkt ist gut pflanzenverfügbar und kann als Dünger genutzt werden. Dessen Pflanzenverfügbarkeit hat ein großer Düngemittelhersteller getestet. Im Gewächshaus wurden dazu Topfversuche mit Weidelgras auch mit dem TerraNova P durchgeführt. Die Einsaat erfolgte im Mai 2019, alle vier Wochen wurde die Gesamttrockenmasse eines Topfes bestimmt. Es erfolgten fünf aufeinanderfolgende Ernten bis September 2019. Als Kontrolle diente die identische Anzahl an Topfversuchen mit Tripelsuperphosphat mit vergleichbaren P-Konzentrationen.

Das Ergebnis ist, dass in allen Ansätzen die Zugabe von TerraNova P-Produktes Phosphor den Ertrag erhöhte – und zwar um 64 bis 92 % des Ertrags, der mit herkömmlichem Phosphatdünger (TSP) erzielt wurde.

Bei einer Untersuchung des hessischen Umweltministeriums im Jahr 2022, bei der die Düngerwirkung von zehn Phosphorrezyklaten aus unterschiedlicher Verfahren verglichen wurde, hat TerraNova P als bestes Rezyklat abgeschlossen.

Vorteile

Der Vorteil des TerraNova ultra-Verfahrens zur Phosphorrückgewinnung liegt im hohen Rückgewinnungsgrad von 60 bis 80 % des Phosphors. Der Grund hierfür ist die sehr gute Entwässerungsleistung der Filterpresse. Durch die effiziente Abtrennung der phosphorreichen Flüssigphase verbleibt nur wenig Phosphor im Filterkuchen, der der nachfolgenden Rückgewinnung entzogen bleibt.

Für diese mechanische Abtrennung eines Großteils des ursprünglich im organischen Material enthaltenen Wassers wird weniger Energie benötigt als bei konventionellen meist thermischen Trocknungsverfahren. Im Gesamtprozess der Klärschlammentsorgung gelangt man somit zu einer deutlichen Steigerung der Energieeffizienz und Reduktion der Treibhausgasemissionen gegenüber dem Stand der Technik. 

www.terranova-energy.com

Von Marc Buttmann

Marc Buttmann
Geschäftsführer TerraNova Energy GmbH
marc.buttmann@terranova-energy.com
Foto: Foto: TerraNova Energy