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Förderung von Biodiversität und Klimaschutz 02.01.2023, 07:00 Uhr

Agrarreform 2023: Was kommt auf die Landwirtschaft zu?

Zum 1. Januar 2023 tritt eine Agrarreform mit teils drastischen Einschnitten in Kraft. Für Landwirtinnen und Landwirte gelten einige Ausnahmen als Kompromiss zwischen Produktivität und Biodiversität.

Mähdrescher

Die Agrarreform schafft für Betriebe neue Rahmenbedingungen. Vorgaben zum Fruchtwechsel greifen jedoch erst in 2024, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

Foto: panthermedia.net/mpavlov

Wie geht es weiter mit Agrarprämien der Europäischen Union? Zahlungen sind künftig stärker denn je an ökologische Ziele oder an Klimaleistungen gebunden. Der Weg dahin war jedoch steinig: Alle Mitgliedsstaaten mussten für ihre gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nationale Strategiepläne zur Förderung landwirtschaftlicher Betriebe entwickeln. Am 21. November 2022 hat die Europäische Kommission nach einigen Änderungen und Verzögerungen grünes Licht für Deutschlands Strategie gegeben. Dazu gehören der gute landwirtschaftliche und ökologische Zustand der Flächen (GLÖZ) und die Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB). Gefördert werden Ackerflächen, Dauergrünlandflächen, Dauerkulturen und Stilllegungsflächen. Auf die Bewirtschaftung haben folgende Maßnahmen den größten Einfluss:

Gewässerrandstreifen einhalten

Zum Maßnahmenpaket der Agrarreform gehört, dass Landwirtinnen und Landwirte entlang von Gewässern künftig drei Meter als Pufferzone einzuplanen haben. In diesem Bereich dürfen sie weder Pflanzenschutzmittel noch Dünger ausbringen. Die Bundesländer könne solche Streifen auf einen Meter verkürzen, etwa in Ländern mit vielen Entwässerungsgräben oder Gewässerläufen. Die Ausnahme gilt jedoch nicht für besonders schützenswerte Flächen. Gewässerrandstreifen können Teil der verpflichtenden Stilllegung sein.

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Die Mindestbodenbedeckung berücksichtigen

Hinzu kommt, dass landwirtschaftliche Betriebe – soweit für sie zutreffend – 80% ihrer Ackerfläche mit mehrjährigen Pflanzen, Winterkulturen oder Zwischenfrüchten zu bedecken haben. Das gilt zwischen 15. November und 15. Januar des Folgejahres. Möglich sind auch Stoppelbrachen von Mais oder von bestimmten Leguminosen, jedoch ohne Bodenbearbeitung. Wer mit frühen Sommerkulturen arbeitet, benötigt nur zwischen 15. September und 15. November eine Bodenbedeckung. Ausnahmen von den Regeln gibt es nicht, aber etliche Besonderheiten, etwa bei schweren Böden. Hier gilt die Mindestbodenbedeckung ab der Ernte bis 1. Oktober. Abdeckungen mit Folien oder Vlies zählen auch zur Mindestbodenbedeckung. Zum Herbst 2023 gelten solche Regelungen erstmalig.

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Fruchtwechsel einhalten

Der Krieg in der Ukraine macht sich auch agrarpolitisch bemerkbar. Im kommenden Jahr werden Vorgaben zum Fruchtwechsel ausgesetzt – mit dem Ziel, die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Erst ab 2024 sind Landwirtinnen und Landwirte verpflichtet, auf mindestens 33% ihrer Fläche die Hauptkultur zu wechseln. Auf weiteren 33% müssen sie entweder einen Fruchtwechsel durchführen oder eine Zwischenfrucht anbauen. Spätestens im dritten Jahr ist auch hier ein Fruchtwechsel erforderlich. Ausnahmen gelten unter anderem für kleine Betriebe mit weniger als zehn Hektar Anbaufläche, für Betriebe, die auf mehr als 75% ihrer Fläche Grünfutter oder Leguminosen anbauen, aber auch für Brachen. Für zertifizierte Ökobetriebe gelten Regelungen zum Fruchtwechsel nicht.

Sonderregelungen zur Stilllegung von Flächen

Zwar greift auch in 2023 die Flächenstilllegung von vier Prozent des Ackerlandes, doch es gibt einige Ausnahmen, etwa für sogenannte ökologische Vorrangflächen. Das können beispielsweise Flächen zum Erhalt von Hecken, Feldränder oder Pufferstreifen sein. Auch Brachen fallen unter die Ausnahme. Hat der Betrieb solche Flächen in 2021 und 2022 ausgewiesen und legt sie auch in 2023 weiterhin still, kann er auf Brachen Getreide, Leguminosen oder Sonnenblumen anbauen, um die Vorgaben zur Stilllegung zu erfüllen, aber keine anderen Pflanzen wie Soja oder Mais. Dahinter steckt die Idee, Teilflächen möglichst lange ungenutzt zu lassen – zum Nutzen der Biodiversität.

Prämien für Muttertiere

Besonders gefördert werden auch Betriebe, die Muttertiere halten: mindestens drei Mutterkühe, mindestens sechs Mutterschafe oder mindestens sechs Mutterziegen. Die Tiere müssen nicht zwangsläufig auf Weiden stehen. Allerdings können Betriebe nicht gleichzeitig Mutterkühe und Milchkühe halten.

Freiwillige Ökoregeln der Agrarreform

Ab 2023 erhalten Betriebe Fördergelder, wenn sie freiwillig bestimmte Ökoregelungen in ihrem Betrieb umsetzen. Sie können beispielsweise mehr Flächen stilllegen als vorgegeben oder Blühstreifen beziehungsweise Blühflächen anlegen. Blühflächen dürfen maximal einen Hektar groß sein, während Streifen mindestens 20 Meter breit sein müssen. Dünger oder Pestizide sind in den Bereichen tabu. Weiterhin schützenswert ist Dauergrünland.

Weitere Ziele der GAP sind mehr Flächen als Dauergrünland, der Anbau vielfältiger Kulturen anstelle von Monokulturen, der generelle Verzicht von Pflanzenschutzmitteln sowie der besondere Schutz von Natura 2000-Gebieten. Natura 2000 ist ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten innerhalb der EU.

Mehr digitale Technologien im Zuge der Agrarreform

Eine weitere Neuerung: Digitale Technologien sollen Vor-Ort-Kontrollen mehr und mehr ersetzen. Um herauszufinden, ob landwirtschaftliche Betriebe sich an Vorgaben halten, setzen Behörden künftig im Zuge des Flächenmonitorings auf Satellitendaten. Auch bei Verwaltungskontrollen sollen computergestützte Verfahren stärker als zuvor eingesetzt werden. Die Agrarreform begünstigt Innovationen in dem Bereich.

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Von Michael van den Heuvel