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Biotechnologie 25.01.2021, 07:00 Uhr

Dieses innovative Konzept könnte Wälder retten

Holz zählt zu den wichtigsten Rohstoffen, doch Rodungen gefährden die „grüne Lunge“ der Erde immer stärker. Jetzt zeigen MIT-Forscher, wie man holzartige Strukturen im Labor züchten kann.

Kommt Holz für den Weltmarkt bald nicht mehr aus Wäldern?
Foto: panthermedia.net/natursports

Kommt Holz für den Weltmarkt bald nicht mehr aus Wäldern?

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Weltweit benötigen Ingenieure Holz, unter anderem für den Bau oder für die Papiererzeugung. Doch nicht immer wird der Rohstoff nachhaltig hergestellt. Nach Berechnungen der Umweltorganisation WWF wurden in den letzten Jahren rund 43 Millionen Hektar tropischen Regenwalds zerstört, vor allem in Brasilien, Kolumbien, Peru, Bolivien, Venezuela und Guyana. Teilweise geschah das per Brandrodung, um neue Flächen für die Landwirtschaft zu gewinnen, teilweise landete Holz auf dem Weltmarkt.

Forschern am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge ist es jetzt gelungen, holzähnliche Strukturen im Labor zu züchten. Sie sehen perspektivisch darin nicht nur eine Strategie gegen Rodungen. Man könnte außerdem Holz mit definierten Eigenschaften herstellen – deutlich besser, als es die Natur zu leisten vermag.

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Produktion wie vor 1.000 Jahren

Bis Bäume für die Holzproduktion geschlagen werden, vergehen lange Zeiträume. „Die Art und Weise, wie wir diese Materialien erhalten, hat sich seit Jahrhunderten nicht geändert und ist sehr ineffizient“, kritisiert Luis Fernando Velásquez-García vom MIT. Sein Ansatz: „Wenn Sie einen Tisch benötigen, sollten Sie einfach einen Tisch wachsen lassen.“ Das ist noch Zukunftsmusik, doch Velásquez-García und seine Kollegen haben einen Weg gefunden, um bestimmte Pflanzengewebe wie Holz oder Fasern im Labor zu züchten.

Die Wissenschaftler arbeiteten mit Zinnien. Das sind beliebte Blütenpflanzen. Sie prägen im Frühjahr und im Sommer das Bild vieler Gärten, sind aber auch in Parks zu finden. Aus Blättern dieser Pflanzen extrahierte Velásquez-García einzelne lebensfähige Zellen und übertrug sie in ein flüssiges Nährmedium. Bis dahin ist die Methode nicht neu; manche Zierpflanzen wie Orchideen werden über diesen Weg vermehrt. In der Flüssigkeit teilten und vermehrten sich die Zellen. Erde oder Sonnenlicht war dafür nicht erforderlich. Danach wurden Zellen entnommen und in eine gelartige Masse überführt.

Im Gegensatz zu einem unstrukturierten flüssigen Medium fungiert das Gel als Gerüst für das Wachstum der Zellen in bestimmten Formen. „Pflanzenzellen ähneln Stammzellen insofern, als sich nach einer Induktion zu unterschiedlichen Geweben entwickeln können“, sagt Velásquez-García. Dieser Ansatz sei neu.

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Anschließend gaben die Forscher Auxin und Cytokinin, zwei pflanzliche Hormone, zum Gel. Damit gelang es ihnen, das weitere Wachstum zu steuern. Ihre Zellen bildeten starre, holzähnliche Strukturen aus. Durch Variation der Spiegel dieser beiden Hormone im Gel kontrollierten sie die Produktion von Lignin in den Zellen, einem organischen Polymer, das dem Holz seine Festigkeit verleiht. Untersuchungen mit einem Fluoreszenzmikroskop zeigten den zunehmenden Verholzungsgrad. Velásquez-García spricht von einem „kontrollierten Produktionsprozess“, um Materialien mit definierten Eigenschaften herzustellen. „Eine offene Frage lautet: „Wie übertragen wir diesen Erfolg auf andere Pflanzenarten?“, so der Forscher.

Bekannte Technologien in neuem Zusammenhang einsetzen 

Die Zellkulturen waren nur ein erster Schritt, um ideale Wachstumsbedingungen zu erforschen. Velásquez-García arbeitet schon länger im Bereich additiver Technologien wie dem 3D-Druck. Andere Labors haben bislang Einsatzmöglichkeiten in der Medizin untersucht. Ihnen ist es gelungen, aus Stammzellen eine Ohrmuschel und ein kleines Herz herzustellen. Weitere Experimente beschäftigen sich mit künstlich hergestellten vitalen Knochen als Implantate nach Unfällen oder Krankheiten.

Über ähnliche Ideen denken auch die MIT-Wissenschaftler nach. Aus lebenden Zellen könnte man eine Biotinte herstellen. Danach bauen 3D-Drucker räumliche Strukturen auf. Und mit Hormonen wie Auxin und Cytokinin ließe sich der Verholzungsgrad steuern. „Die Idee ist nicht nur, Eigenschaften des Materials anzupassen, sondern auch dessen Form zu steuern“, sagt Velásquez-García. So sieht er die Möglichkeit, eines Tages einen Tisch wachsen zu lassen, ohne dass man Dübel, Schrauben und Leim benötigt.

Wirtschaftliche Stolpersteine 

„Die Frage ist, ob die Technologie wettbewerbsfähig ist“, gibt David Stern, Präsident des Boyce Thompson Institute, zu bedenken. Hochskalierungen des Ansatzes würden erhebliche finanzielle Investitionen erfordern. Jeffrey Borenstein vom MIT ist jedoch optimistisch. Er sieht im Verfahren einen „Paradigmenwechsel“ und hofft, bisherige Schwächen der landwirtschaftlichen Holzproduktion zu überwinden.

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Von Michael van den Heuvel