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Pumpen in der digitalen Welt 01.10.2019, 00:00 Uhr

Industrie 4.0 erreicht die Pumpenwelt

Eine digitale Verwaltungseinheit soll den Betrieb von Pumpen für Flüssigkeiten und Gase letztlich aller Hersteller verbessern. Betriebskosten sollen sinken, Ressourcen besser genutzt werden. Ein Team der Technischen Hochschule Köln bereitet die Pumpen für die Industrie 4.0-Welt vor.

Bei KSB wird die Verwaltungsschale der Technischen Hochschule an einem Prüfstand an einer Pumpe prototypisch getestet. Die Pumpe wird in die Cloud-Lösung der Hochschule eingebunden. Dies zeigt: Remote-Pumpen können über eine Cloud angesprochen und überwacht werden.
Bild: KSB

Bei KSB wird die Verwaltungsschale der Technischen Hochschule an einem Prüfstand an einer Pumpe prototypisch getestet. Die Pumpe wird in die Cloud-Lösung der Hochschule eingebunden. Dies zeigt: Remote-Pumpen können über eine Cloud angesprochen und überwacht werden. Bild: KSB

Industrie 4.0“ – kurz I4.0 –, „Internet of Things“, „Smart Factory“ oder „Machine to Machine“. Dies sind einige der Schlagwörter, mit denen die digitale Transformation der Industrie, die scheinbar unaufhaltsam voranschreitet, beschrieben wird. Die Entwicklung dahin lässt sich statistisch untermauern: Bis 2020 soll nach Angaben des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) das jährliche Investitionsvolumen in I4.0 auf 2,62 Mrd. € steigen, im Vergleich zu 0,32 Mrd. € im Jahr 2013. Jedoch bemängeln 45 Prozent befragter Unternehmen, dass es momentan an Standards für I4.0 fehlt. Dies stellt eines der großen Hindernisse bei der Einführung von I4.0-Anwendungen dar, so eine repräsentative Unternehmensbefragung von Bitkom in 2018.

Das will die Organisation „Plattform Industrie 4.0“ ändern. Sie adressiert in Deutschland den Mangel an Standards und die Einordnung verschiedener Ansätze der digitalen Transformation der Industrie. Die Plattform ist ein Zusammenschluss dreier Verbände: neben Bitkom der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI). Die Plattform entwickelt Handlungsempfehlungen und Standards, die als einheitliche Rahmenbedingungen der digitalen Transformation dienen sollen.

Ein Mitarbeiter der Technischen Hochschule programmiert die Verwaltungsschale für Pumpen. Die Verwaltungsschale wird in eine Cloud-Plattform implementiert und die Pumpen im Labor kommunizieren mit der Plattform. Bild: Daniel Eichberger

Ein Mitarbeiter der Technischen Hochschule programmiert die Verwaltungsschale für Pumpen. Die Verwaltungsschale wird in eine Cloud-Plattform implementiert und die Pumpen im Labor kommunizieren mit der Plattform. Bild: Daniel Eichberger

 

Hier kommt die Technische Hochschule Köln ins Spiel: Im Labor für Gebäudeautomation und Regelungstechnik der Fakultät für Anlagen-, Energie- und Maschinensysteme wird die digitale Industrie 4.0-Komponente für Pumpen im Auftrag des VDMA entwickelt.

Diese I4.0-Komponente für Pumpen soll – wie auch I4.0-Komponenten etwa für Antriebe, Roboter oder Kompressoren – drei allgemeine Ziele erreichen: durchgängiges Engineering über den Lebenszyklus, ein optimierter Betrieb durch Transparenz und Wandlungsfähigkeit ausgelieferter Produkte, sowie die Bereitstellung von Value Based Services [5]. Ziel des durchgängigen Engineerings etwa ist es, dass das in der Planungsphase entstandene Modell einer Anlage konsistent gehalten wird und dynamische Anpassungen an neue Gegebenheiten erfolgen können. Ändert sich der Prozess, in dem eine Pumpe eingesetzt wird, ändern sich auch deren Arbeitsbedingungen und dadurch Arbeitspunkte. Das durchgängige Engineering soll diese Anpassungen der Arbeitspunkte vereinfachen. Die Wandlungsfähigkeit ausgelieferter Produkte ist schon heute aus dem Softwarebereich bekannt. Handys haben bspw. immer das neuste Betriebssystem oder der Viren-Scanner des Laptops ist stets auf dem aktuellen Stand. Dies soll auch auf I4.0-Produkte übertragen werden, sodass neue Features direkt in die Pumpe geladen werden können. Value Based Services befassen sich mit der Analyse von Daten aus der Nutzung der Produkte. Betriebsdaten werden gesammelt und analysiert, um so dem Kunden individuelle Services wie bspw. eine optimierte Wartung oder Anpassung der Arbeitspunkte anzubieten.

Pumpen digital verwalten

Die I4.0-Komponente für Pumpen besteht aus zwei Teilen: einer Verwaltungsschale sowie einem „Asset“, also einem Vermögenswert. Ein Asset kann ein realer Gegenstand wie eine Pumpe oder ein immaterieller wie der Plan einer Pumpe sein. Solch ein Asset steht mit der Verwaltungsschale in digitaler Verbindung. Die Verwaltungsschale selber wird auch digitaler Zwilling des realen oder immateriellen Asset genannt. Sie setzt sich wiederum aus Modulen zusammen. Dies sind Teilmodelle, die jeweils andere Aspekte oder Funktionen des Assets in Form standardisierter Merkmale beschreiben.

Zehn Pumpenhersteller, die in den beiden VDMA-Fachverbänden Pumpen + Systeme sowie Kompressoren, Druckluft- und Vakuumtechnik vertreten sind, haben in einem Arbeitskreis gemeinsam mit der TH Köln 500 Merkmale spezifiziert, welche die Informationen einer Pumpe während ihres Lebenszyklus beschreiben und von der Verwaltungsschale erfasst werden sollen. Dazu zählen Merkmale wie der Maximal zulässige Betriebsdruck, die Verfügbarkeit einer Pumpe, der aktuell gemessene Differenzdruck, oder Ausfallursachen wie Software-Fehler. Wenn möglich, wurden Merkmale aus internationalen Normen wie der Internationalen Organisation für Normung (ISO) oder der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC) referenziert und nicht neu definiert. Das TH Köln-Team hat nun mit Hilfe dieser 500 Merkmale die drei allgemeinen Ziele der I4.0-Welt auf drei Anwendungsfälle bei Pumpen abgebildet.

Ein weiterer Mitarbeiter der Technischen Hochschule Köln überprüft die Kommunikation einer Pumpe mit der Cloud. Die Pumpen können in einem niedrigen Drehzahlbereich betrieben werden, sodass aktuelle Betriebsdaten an die Cloud übermittelt werden. Bild: Daniel Eichberger

Ein weiterer Mitarbeiter der Technischen Hochschule Köln überprüft die Kommunikation einer Pumpe mit der Cloud. Die Pumpen können in einem niedrigen Drehzahlbereich betrieben werden, sodass aktuelle Betriebsdaten an die Cloud übermittelt werden. Bild: Daniel Eichberger

 

Von der Vorkonfiguration, …

Die erste Anwendung ist die Vorkonfiguration von Pumpen auf Basis standardisierter Hersteller- und Betreiberinformationen. Das Untermodell „Design“ erfasst Daten des Herstellers über den Pumpentyp. Dazu zählen Einsatzbereiche, Temperaturen, Druck, Volumenströme als auch Konstruktionsmerkmale und Materialeigenschaften. Das Teilmodell „System Requirements“ wiederum enthält jene Merkmale, die dem Anwender wichtig sind – also etwa Arbeitspunkte wie die Arbeitstemperatur oder der Normalförderstrom, aber auch das zu pumpende Fluid oder die Betriebsart. Die Daten aus beiden Teilmodellen laufen in dem Modul „Implementation“ zusammen.

… über den Betrieb,

Dann folgt die automatische Erhebung und Analyse nutzungsbezogener Produktdaten zur Optimierung des Betriebs von Pumpen. Dadurch kann eine nutzungsabhängige Anpassung und bedarfsgerechte Freischaltung einzelner Funktionalitäten, wie die Anpassung des Arbeitspunktes an sich ändernde Prozessbedingungen angeboten werden. Hierzu hat die TH Köln neun Teilmodelle erstellt, welche den Betrieb, also den Bereich „Operation“, abdecken. Unter anderem behandeln sie die Bereiche Messungen, Ansteuerung oder Meldungen von Pumpen, sowie die Koordination mehrerer Pumpen.

… bis zur Instandhaltung

I4.0 für Pumpen erfasst auch die Bereitstellung spezieller Dienstleistungen rund um die Instandhaltung. Hierfür werden Betriebsdaten zur Leistung, zum Verschleiß und zu Abweichungen im Betrieb erfasst und analysiert. Um die Instandhaltung von Pumpen zu optimieren, können Anwender zwischen drei Teilmodellen wählen: „Breakdown“, „Preventive“ und „Condition Based Maintenance“. Die drei Teilmodelle bilden die drei gängigen Instandhaltungsstrategien ab. Während „Breakdown Maintenance“ die Instandhaltung beschreibt, die nach einer Fehlererkennung ausgeführt wird, befassen sich die anderen beiden Teilmodelle mit der präventiven Instandhaltung. Die Strategie „Preventive Maintenance“ beschreibt hierbei eine Instandhaltung, die in festgelegten Zeitabständen durchgeführt wird. Zu den Merkmalen des Teilmodells zählen beziehungsweise die Termine der letzten und ausstehenden Wartungen. „Condition Based Maintenance“ wiederrum befasst sich mit der Instandhaltung von Komponenten basierend auf einer Analyse von deren Zustandsinformationen. Diese Informationen werden vom „Measurements“ Teilmodell (aus dem Bereich Betrieb) erfasst und können dann auf Merkmale wie Verfügbarkeit oder Zuverlässigkeit abgebildet werden.

Auch wenn 500 Merkmale erfasst werden, wird es immer Spezialfälle geben. Das System wird so ausgestaltet, dass weitere Teilmodelle hinzugefügt werden können. Dies könnten zum Beispiel Modelle sein, welche die Sicherheit oder Energieeffizienz beschreiben.

Wie geht es weiter?

Im nächsten Schritt will das Kölner Labor die Teilmodelle mit dem Kommunikationsstandard OPC UA abbilden, dem gängigen Standard, mit dem I4.0-Szenarien realisiert werden. Dessen Vorteil liegt darin, dass er um „Companion Specifications“ erweitert werden kann. Die Specification wird von der OPC Foundation vergeben und stellt sicher, dass die Teilmodelle in ein Kommunikationsprotokoll integriert werden und die Pumpen die gleiche Sprache sprechen.

Um die Teilmodelle für Pumpen letztlich in I4.0-Umgebungen integrieren zu können, werden die Teilmodelle und deren Merkmale in den eCl@ss Standard integriert. Dieser Standard wird verwendet, um die Semantik von Produktdaten abzulegen. Auf diese Weise erhalten die Merkmale eine weltweit eindeutige Identifizierung, was für I4.0-Konzepte unverzichtbar ist. Die eindeutige Identifizierung kann etwa verwendet werden, um einen automatisierten Abgleich von Anforderungen des Bestellers und Zusicherungen des Herstellers zu ermöglichen.

Im Kölner Labor wird mit dem OPC UA-Kommunikationsstandard bereits gearbeitet – und auch in zwei Unternehmen, wo die Verwaltungsschale getestet wird. Für die Hannover Messe 2019 und die Rotating Equipment Conference wurde ein Demonstrator entwickelt, der die Ergebnisse des Arbeitskreises prototypisch umsetzt. Auf Basis eines kleinen Computers – eines Einplatinencomputers, bei dem alle Komponenten auf einer einzigen Leiterplatte zusammengefasst sind – sowie einem open-source-software development kit (open-source SDK) (der „BaSyx Industrie 4.0“) werden Pumpen verschiedener Hersteller durch die Abbildung der Verwaltungsschale zu standardisierten I4.0-Komponenten. Das BaSyx-SDK stellt die Struktur der Verwaltungsschale bereit, die als Basis für die Implementierung der Teilmodelle dient. Für den Demonstrator wurden Pumpen der Mitgliedsunternehmen des Arbeitskreises an die TH Köln geholt und mit Verwaltungsschalen ausgestattet. Die Kommunikation zwischen den Pumpen sowie einer Cloud-Computing-Plattform erfolgt hierbei via OPC UA. Außerdem wurden bei KSB und BASF Pumpen aus Prüfständen ebenfalls mit Verwaltungsschalen versehen. Auf diese Pumpen kann auch „remote“, also aus der Ferne, zugegriffen werden. Der Demonstrator verdeutlicht, dass durch die gemeinsamen Teilmodelle Anwendungen wie das Asset- und Dokumentationsmanagement als auch das Energiemonitoring deutlich verbessert werden können. Da auf alle Pumpen gleich zugegriffen werden kann und diese die gleiche Sprache sprechen, lassen sich diese sehr einfach in solche Anwendungen einbinden. Neue Pumpen im System können automatisiert hinzugefügt und in die Anwendungen integriert werden.

Verwaltungsschale für alle

Last but not least will das Labor für Gebäudeautomation und Regelungstechnik die Teilmodelle ihre Verwaltungsschale bei der Plattform Industrie 4.0 einreichen. Erhalten diese den Status als offizielle I4.0-Teilmodelle und sind die anderen beschriebenen Schritte durchgeführt, womit in zwei, drei Jahren gerechnet wird, können Pumpenhersteller die Verwaltungsschale in neue Pumpen integrieren.

Von Prof. Jochen Müller, Maximilien Both, Björn Kämper & Daniel Eichberger

Prof. Dr. Jochen Müller, Maximilian Both, Björn Kämper, Daniel Eichberger, jochen.mueller@th-koeln.de maximilian_alexander.both@th-koeln.de