Besser vorhersagen 02.11.2020, 06:24 Uhr

Klima: Uralte Mineralien leisten Erstaunliches

Siderite sind besondere Mineralien. Sie geben eine Menge Informationen preis über das Klima vor rund 55 Millionen Jahren. Forscher der ETH-Zürich, der Pennsylvania State University und des CASP in Cambridge, Großbritannien, haben herausgefunden, wie diese Informationen helfen, das künftige Erdklima besser zu bewerten.

Siderit Mineral

Das Mineral Siderit speichert wichtige Informationen, die Klimaforscher für aktuelle Klimavorhersagen nutzen können.

Foto: panthermedia.com/ Valery Vvoennyy

Forscher der ETH Zürich, der Pennsylvania University und des CASP in Cambridge haben anhand von Mineralien das Klima rekonstruiert, das vor rund 55 Millionen Jahren auf der Erde geherrscht haben muss. Interessant ist, dass gerade in dieser Zeit besonders viel Kohlendioxid in der Atmosphäre war: Man geht von 1.400 bis 4.000 parts per million (ppm) aus. Das bedeutet auch, die Erde war wie eine Bio-Sauna – die Temperaturen heiß und schwül. Eis an den Polkappen gab es nicht. Aus diesen klimatischen Bedingungen versuchen die Forscher, die Entwicklung des heutigen und zukünftigen Klimas abzuleiten. Die Informationen zum Klima vor rund 55 Millionen Jahren hat die Forschergruppe aus winzigen Mineralien abgeleitet, die sie aus ehemaligen Sumpfböden herausgearbeitet haben.

Mineralien sind aufgrund ihrer Struktur wie Datenspeicher

Wissenschaftler bezeichnen diese Zeit als den Übergang das Paläozän zum Eozän. Das Paläozän beschreibt die Epoche der Geochronologie, in der sich vor allem ehemals kleine Säugetiere weiterentwickelten – in Größe und Artenvielfalt. Die Dinosaurier waren bereits ausgestorben, die Vögel erreichten in dieser Zeit ihre weltweite Verbreitung. Die nachfolgende Epoche, das Eozän, ist gekennzeichnet durch einen starken Temperaturanstieg und der gleichzeitig sprunghaften Weiterentwicklung der Säugetiere. Es entstanden die Gattungen der Unpaarhufer, Fledertiere, Primaten und Nagetiere.

Bei den Mineralien aus dieser Zeit handelt es sich um sogenannte Siderite, Mineralien, die aus Eisenkarbonat bestehen. Genauer gesagt aus einem Eisen-Atom, einem Kohlenstoff- und drei Sauerstoff-Atomen (FeCO3). Sie sind hauptsächlich in sauerstoffarmen Böden entstanden. Diese Böden haben sich vor allem in Sümpfen unter dichten Pflanzendecken gebildet. Während ein Siderit-Kristall wächst, lagern sich je nach Bodentemperatur verschiedene Kohlenstoff- und Sauerstoff-Isotopen in das Kristallgitter ein. Informationen über Luftfeuchtigkeit speichern die Kristalle ebenfalls. Der Hintergrund: Sauerstoffisotope stammen aus dem Wasser, das durch den Regen in den Boden eindringen konnte. Das belegt, wie Kristalle praktisch Daten speichern – und zwar konkret zum Klima der Epoche, in der sie gewachsen sind. Über die spezielle Zusammensetzung der Isotope sind Forscher heute in der Lage, diese Informationen im Labor herauszulesen. Das ermöglicht es ihnen, den Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre und der Lufttemperaturen vor 55 Millionen Jahren einzuschätzen.

Die Forschergruppe wollte einen möglichst großen Radius einschätzen und hat daher Siderite von insgesamt 13 verschiedenen Fundorten untersucht. Diese liegen alle auf der Nordhalbkugel der Erde und decken die Fläche von den Tropen bis zur Arktis ab. Da die Mineralien extrem winzig sind und nur in fossilen Sumpfböden vorkommen, sind sie schwer zu finden. Sie liegen meist in mehreren Kilometern Tiefe unter der Erdoberfläche. „Wir haben mehrere Expeditionen zu Fundorten unternommen, aber wir konnten nur in einem Fall Siderit finden“, sagt Joep van Dijk von der Forschergruppe. Deshalb habe man auf die Sammlung von Tim White zurückgegriffen. Der US-Amerikaner und Mitautor der Studie besitzt wohl die weltweit größte Siderit-Sammlung.

Transport von Feuchtigkeit verstärkt die Erwärmung der Polgebiete

Die Mineralien verraten, dass die mittlere Lufttemperatur am Äquator im heutigen Kolumbien vor 57 bis 55 Millionen Jahren etwa 41 Grad Celsius betrug. In Sibirien lag die durchschnittliche Sommertemperatur bei 23 Grad Celsius. Darüber hinaus haben die Forscher nachweisen können, dass der globale Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre beziehungsweise die spezifische Feuchtigkeit im Paläozän und Eozän viel höher war als heute. Da diese spezifische Feuchtigkeit stärker zunahm als Verdunstung und Niederschlag, blieb auch der Wasserdampf länger in der Luft. Allerdings stieg die spezifische Feuchtigkeit nicht überall gleich stark an. Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung: Die Tropen und höheren Breiten wiesen eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit aus. Die Forscher erklären das damit, dass der Wasserdampf aus den Subtropen in die entsprechenden Zonen transportiert wurde. Da in den Subtropen die spezifische Feuchte am wenigsten anstieg, dort die Verdunstung zunahm und die Niederschläge sich reduzierten, entstand mehr Wasserdampf. Dieser gelangte zum Äquator und den Polen und mit ihm auch Wärme.

Klimaforscher beobachten auch heute den Strom des Wasserdampfes und der Wärme von den Subtropen in die Tropen. „Dieser Transport dürfte im Eozän noch stärker gewesen sein“, sagt van Dijk. „Und die Zunahme des Transports von Wärme in hohen Breiten kann tatsächlich die Verstärkung der Erwärmung in den Polregionen begünstigt haben.“ Für die Forscher hat sich ergeben: Der Transport von Feuchtigkeit ist ein wichtiger Prozess, der die Erwärmung der Polgebiete verstärkt. „Der CO2-Gehalt der Atmosphäre war damals deutlich höher als heute, doch der Anstieg auf diese Werte vollzog sich über Millionen von Jahren. Dies im Gegensatz zu heute, wo die Menschheit den CO2-Gehalt seit der Industrialisierung in nur 170 Jahren um fast 50% erhöht hat“, erklärt van Dijk. Die aktuelle, rasante Entwicklung mache es unmöglich, dass Tiere und Pflanzen sich an die verändernden klimatischen Bedingungen anpassen können.

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Von Nina Draese