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Arbeitsschutz auf Baustellen 01.07.2019, 00:00 Uhr

Staubarm auf Baustellen arbeiten

Seit Januar 2019 gilt für alle Unternehmen ein abgesenkter Grenzwert für lungengängigen Staub. Professionell arbeitende Unternehmen, die bereits wirksame staubarme Technologien einsetzen, halten diese Vorgabe ein.

Wird Staub beim Bearbeiten einer Betonplatte mit einem Trennschleifer direkt abgesagt, genügt eine Schutzbrille. Dies zeigte die BG Bau auf der Veranstaltung „Aktionsprogramm gegen Staub in der Bauwirtschaft“ im Juni 2019 in der Arbeitswelt Ausstellung der DASA in Dortmund. Bild: BG Bau

Wird Staub beim Bearbeiten einer Betonplatte mit einem Trennschleifer direkt abgesagt, genügt eine Schutzbrille. Dies zeigte die BG Bau auf der Veranstaltung „Aktionsprogramm gegen Staub in der Bauwirtschaft“ im Juni 2019 in der Arbeitswelt Ausstellung der DASA in Dortmund. Bild: BG Bau

Es gibt viel zu tun am Bau. Selten war die Auftragslage in der Bauwirtschaft so gut. Die Mitgliedsunternehmen des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes haben zum März 2019 über eine nahezu unverändert gute Geschäftslage berichtet. Um die Aufträge auch in Zukunft zeitnah abarbeiten zu können, planen viele Unternehmen zusätzliches Personal einzustellen und ihre Investitionen zu erhöhen.

Der anhaltende Bauboom lässt auch den Bedarf an Fachkräften anschwellen. Bereits heute herrscht in der Branche ein Mangel an Facharbeitern. Und vielen Betrieben fällt es immer schwerer, junge Menschen für eine Ausbildung zu begeistern. Ein Grund: Staub: Fragt man Auszubildenden, was sie in ihrem Job stört, kommt oft die Antwort: erstens der häufige Lärm, zweitens der Staub beim Bauen.

… wird aber ohne Staubabsauger gearbeitet, sind Atemmaske und Schutzbrille vorgeschrieben. Bild: BG Bau

… wird aber ohne Staubabsauger gearbeitet, sind Atemmaske und Schutzbrille vorgeschrieben. Bild: BG Bau

 

Klar – beim Bauen entsteht Staub oder wird Staub aufgewirbelt. In der Branche besteht leider oft die Auffassung, dass dies dazu gehöre. Daher werden vermeidbare Belastungen für die Gesundheit der Beschäftigten gar nicht als solche wahrgenommen und Maßnahmen zur Staubminimierung nicht ergriffen.

Staub mach krank

Doch Staub ist nicht nur lästig, sondern auch gesundheitsschädlich. Daher wurden die Regelungen zum Allgemeinen Staubgrenzwert wie auch für Quarzstaub in den letzten Jahren mehrfach deutlich verschärft (siehe Kästen). Dabei wird generell von einem quarzhaltigen Material ausgegangen. Denn Baustaub ist in der Regel ein Mischstaub, der immer auch Anteile von Quarzstaub enthält. Die Einhaltung dieser Grenzwerte ohne wirksame technische und organisatorische Schutzmaßnahmen ist nach aktuellem Wissenstand nicht möglich.

Postkartenmotiv der BG Bau. Bild: BG Bau

Postkartenmotiv der BG Bau. Bild: BG Bau

 

Schlechte Praxis sind Arbeitsweisen mit hoher Staubentwicklung ohne jegliche staubmindernde Schutzmaßnahme wie trockenes Kehren und Abblasen von Staub sowie Stemmen, Meißeln, trockenes Schneiden, trockenes Schleifen, trockenes Fräsen und Bohren über Kopf ohne Absaugung sowie Abschlagen von Putz und Fliesen ohne Luftreiniger. Wird so gearbeitet, liegt die Belastung der Bauarbeiter oft deutlich oberhalb des Allgemeinen Staubgrenzwertes beziehungsweise des Beurteilungsmaßstabes für Quarzstaub. Beispiele aus Expositionsmessungen der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) der letzten Jahre (jeweils bezogen auf ein Kubikmeter Luft): Wurde Putz abgeschlagen, wurde gut 9 mg A-Staub gemessen und 0,4 mg Quarzstaub. Wurde trocken in Beton gebohrt, lagen die Werte bei 7 mg für A-Staub und bei 2,2 mg für Quarzstaub, wurden Pflastersteine trocken geschnitten, stiegen sie auf 19,2 und auf 5,5 mg. Und bei Schleifenarbeiten an Decken über Kopf oder an Gipskarton wurden fast 30 mg A-Staub gemessen sowie 0,2 mg Quarzstaub.

Übergangsfrist abgelaufen

Die Einhaltung des A-Staub Grenzwerts von 1,25 mg/m³ stellt in die Praxis für viele eine Herausforderung dar. Daher wurde den Bauunternehmen eine Übergangsregelung bis Ende 2018 eingeräumt. Bis dahin konnten Unternehmen unter Voraussetzungen wie der „Erstellung eines Schutzmaßnahmenkonzeptes“ und der Bereitstellung von Atemschutz noch den früheren Grenzwert von 3 mg/m³ heranziehen.

Eine speziell für diesen Zeitraum von 2015 bis 2019 erarbeitete Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 504 „Tätigkeiten mit Exposition gegenüber A- und E-Staub“ beschriebt die notwendigen Maßnahmen. Mit Auslaufen der Übergangsfrist wurde konsequenterweise diese TRGS zurückgezogen. Die auch weiterhin geltenden Inhalte und erforderlichen Maßnahmen bei Tätigkeiten mit A-Staub und E-Staub werden in die Neufassung der TRGS 500 „Schutzmaßnahmen“ einfließen, die der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) im Mai beschlossen hat.

Um es erneut zu betonen: Ohne wirksame technische Lösungen lassen sich weder die Grenzwerte noch der Beurteilungswert einhalten. Doch es gibt bereits viel technische Lösungen oder Verfahren. Leider werden diese nur von wenigen Betrieben eingesetzt.

Wer sich über Arbeitsschutzprämien zum staubfreien Arbeiten informieren will, wird hier fündig. Bild: BG Bau

Wer sich über Arbeitsschutzprämien zum staubfreien Arbeiten informieren will, wird hier fündig. Bild: BG Bau

 

Der Grundschutz

Bei den üblichen auf Baustellen durchzuführenden Tätigkeiten wie Bohren, Schleifen und Stemmen kann durch eine Basisausrüstung die Staubfreisetzung ganz erheblich gesenkt werden. Eine solche Basisausrüstung für staubarmes Arbeiten kann bereits mit Investitionskosten in Höhe von ca. 3.000 € erworben werden. Es gibt grundsätzlich vier Techniken zur Staubminderung:

  • Geräte mit wirksamer Stauberfassung wie abgesaugte Mauernutfräser, Betonschleifer oder Trennschleifer senken deutlich die Die Staubfreisetzung. Solche Maschinen listet die BG BAU auf Positivlisten auf.
  • Freigesetzter Staub kann durch Entstauber aufgefangen werden. Hier reicht der Einsatz von L-Saugern wegen des Quarzstaubanteils im Baustaub nicht. Erforderlich sind mindestens Entstauber der Staubklasse M. Die noch besseren H-Sauger sind nicht notwendig, da Staub an der Bearbeitungsmaschine meist ohnehin nicht vollständig aufgefangen wird und sich die Filter der H-Sauger bei Feinstäuben schnell zusetzen. Die Absaugleistung geht dann zurück.
  • Luftreiniger sind eine Alternative, wenn keine Geräte vorhanden sind, die direkt den Staub absaugen.
  • Auch Abschottungen wie Staubschutztüren sind möglich.

Staubarmes Arbeiten als Chance

Nicht wenige Bauherren finden sich in folgender Situation wieder: Die Kinder sind aus dem Haus, ein gewisses finanzielles Polster ist vorhanden und der Wunsch nach zum Beispiel einem größeren modernen Bad, anderen Fenstern oder ähnlichem wächst stetig.

Gerne würde man sofort loslegen und einen Handwerker beauftragen, wäre da nicht die Furcht vor Schmutz und Staub. Das Auslagern oder Abdecken des Inventars und die anschließenden aufwendigen Reinigungsarbeiten schrecken schlichtweg viele Bauherren und potenzielle Auftraggeber ab.

Unternehmen, die sich auf „staubarmes Arbeiten“ spezialisiert haben und damit in die Offensive gehen, erreichen Anfragen aus ganz Deutschland. Gerne investieren Kunden in den Mehraufwand zum Staubschutz, denn der kann auch Geld sparen, weil zum Beispiel das Freiräumen und Abklebearbeiten entfallen. Noch sind Unternehmen, die sich mit staubarmem Arbeiten einen Namen machen rar. Diese Situation sollte als Chance genutzt werden. Werben Sie mit dem Slogan: Echte Profis arbeiten staubarm!

Darüber hinaus verbessert staubarmes Arbeiten das Image der Anbieter von Bau- und Baudienstleistungen und schafft, wenn geschickt beworben wird neue Geschäftsfelder. Und es verhindert staubbedingte Erkrankungen der am Bau Beschäftigten: Allein 2017 verzeichnete die BG BAU 459 Tote unter ihren Versicherten, die in Folge einer Berufskrankheit durch die Erkrankung der Atemwege verstarben. Über alle Industriebranchen hinweg waren es sogar 2.264 Tote. Damit sind 87,8 Prozent aller tödlichen Berufskrankheiten Folgen der Erkrankung der Atemwege. Gemeinsam gegen den Staub.

Alle Anstrengungen einzelner Unternehmen werden aber zunichte gemacht, arbeitet das Gewerk nebenan weiter wie bisher und die gesamte Baustelle verstaubt. Daher müssen alle Akteure am Bau zusammenwirken. Vor diesem Hintergrund ist das Aktionsprogramm “Staubminimierung beim Bauen“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zu sehen. Es hat die generelle Staubminimierung zum Ziel, vor allem die des Quarzstaubes.

Bereits im Oktober 2016 haben sich zahlreiche Verbände der Bau- und Ausbaugewerke gemeinsam mit der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie weiteren Institutionen und Organisationen auf gemeinsame Aktivitäten zur Staubminimierung beim Bauen verständigt. Ziel ist, Betrieben viele Informationen und Handlungshilfen zu geben, so dass diese auch bei staubigen Tätigkeiten sicher arbeiten, staubarme Techniken kennen und fachkundig einsetzen können.

Das Bündnis „Staubminimierung beim Bauen“ ist richtungsweisend. Es zeigt die Bereitschaft aller Partner, sich für mehr Prävention einzusetzen und die Lage auf den Baustellen konkret und nachhaltig zu verbessern. Das Aktionsprogramm baut auf bewährte Aktivitäten der beteiligten Institutionen auf. Die systematische Kooperation und Koordinierung in den vier Handlungsfeldern Kommunikation, Technik, Ermittlung der Staubexposition sowie Qualifikation soll die Wirksamkeit aller Einzelmaßnahmen steigern.

Hilfe für staubarmes Arbeiten

Seit mehreren Jahren fördert die BG BAU die Beschaffung staubarmer Techniken im Rahmen von Arbeitsschutzprämien. Der Katalog der geförderten staub-mindernden Technologien wird ständig erweitert, siehe: -> www.bgbau.de/praev/arbeitsschutzpraemien/foerderkatalog#atemwege.

Bauherren können staubfreies Arbeiten auch vertraglich festlegen: Um sie hierbei zu unterstützen, hat die BG BAU mit dem Arbeitskreis des VDI zur Arbeiten ATV DIN 18448 zu schadstoffbelasteten baulichen und technischen Anlagen so genannte „Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen“ (ZTV) für staubarmes Bauen“ als Mindestanforderungen für ein staubarmes Arbeiten auf Baustellen formuliert. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. In Zweifelsfällen hat der Unternehmer die vom Auftraggeber eingesetzte Fachbauleitung oder den zuständigen Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator zur Beratung in Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes hinzuzuziehen.

Von Norbert Kluger

Norbert Kluger, BG BAU, norbert.kluger@bgbau.de