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MIT-Simulation 13.06.2022, 07:00 Uhr

Feinstaub: Natürliche Quellen können ein Problem bei Grenzwerten sein

Luftverschmutzung wie Feinstaub hat nicht nur anthropogene Ursachen. MIT-Forschende zeigen, dass natürliche Quellen oft erheblich zur Belastung beitragen – und dass pauschale Grenzwerte der falsche Weg sind.

Sandsturm

Natürlich aufgewirbelter Sand trägt ebenfalls zur Feinstaub-Belastung bei.

Foto: Panthermedia.net/Yerbolat

Neben dem Klimawandel ist die Luftverschmutzung eine der größten Bedrohungen für die menschliche Gesundheit. Feinstaub-Partikel mit einem aerodynamischen Durchmesser kleiner als 2,5 Mikrometer (PM 2,5) gelten als besonders gefährlich, weil sie tief in die Lunge wandern. Sie können den Atemtrakt oder das Herz-Kreislauf-System schädigen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) macht Feinstaub jedes Jahr für Millionen vorzeitiger Todesfälle verantwortlich.

Deshalb hat die WHO ihre Leitlinien für die Luftqualität aktualisiert und den empfohlenen Jahresgrenzwert für die PM2,5-Exposition um 50% gesenkt: von zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft auf fünf Mikrogramm pro Kubikmeter. Bleibt als Problem, dass die Feinstaub-Emission nicht nur auf anthropogene, sondern auf natürliche Ursachen zurückzuführen ist. Deshalb haben Forschende am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge untersucht, ob sich die neuen Werte in unterschiedlichen Regionen erreichen lassen, falls es gelingt, anthropogene Emissionen einzudämmen.

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Großer Beitrag natürlicher Quellen zur Feinstaub-Emission

Die Ingenieurinnen und Ingenieure wollten klären, inwieweit der Verzicht auf fossile Brennstoffe dazu beiträgt, die neuen WHO-Grenzwerte einzuhalten. Zwar würden solche Maßnahmen die Luftqualität weltweit verbessern, sagt Colette Heald vom MIT. Es gelinge jedoch nur in einigen Regionen, die erforderlichen Zielwerten zu erreichen, aber keineswegs in allen.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass mehr als 90% der Weltbevölkerung derzeit jährlichen Feinstaub-Konzentrationen ausgesetzt sind, die über dem empfohlenen Richtwert liegen. Die Autoren zeigen außerdem, dass über 50% der Weltbevölkerung immer noch PM2,5-Konzentrationen exponiert wäre, die neue Grenzwerte überschreiten, selbst wenn es keine anthropogenen Emissionen gäbe. Zu den wichtigsten natürlichen Quellen zählen Staub, Meersalz, Material aus vulkanischen Eruptionen und organische Stoffe aus der Vegetation.

„Wenn man in Teilen Indiens oder Nordafrikas lebt, hier sind Menschen großen Mengen an Feinstaub ausgesetzt, kann es eine Herausforderung sein, die PM2,5-Belastung unter den neuen Richtwert zu senken“, erklärt Sidhant Pai vom MIT. Er rät, den Wert verschiedener Maßnahmen stärker unter regionalem Fokus zu bewerten.

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Mit Modellsimulationen unterschiedliche Quellen von Feinstaub bewerten

Grundlage dieser neuen Erkenntnisse waren Simulationen mit unterschiedlichen Modellen. Damit wollten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausfinden, inwieweit die aktualisierten PM2,5-Grenzwerte weltweit unter verschiedenen Szenarien zur Verminderung von Emissionen erreicht werden können. Grundlage der Berechnungen waren repräsentative Daten aus 2019.

So führten die Forschenden beispielsweise eine Simulation durch, bei der alle vom Menschen verursachten Emissionen virtuell ausgeschaltet wurden, um den Anteil der PM2,5-Belastung zu ermitteln, der natürlichen Quellen zuzuschreiben ist. Durch die Analyse der chemischen Zusammensetzung des PM2,5-Aerosols in der Atmosphäre konnte die MIT-Arbeitsgruppe auch ein genaueres Verständnis der wichtigsten PM2,5-Quellen in einer bestimmten Region gewinnen. Sie untersuchte etwa Staub, Sulfat und Kohlenstoff aus Verbrennungsvorgängen.

So zeigte sich beispielsweise, dass erhöhte PM2,5-Konzentrationen im Amazonasgebiet überwiegend aus kohlenstoffhaltigen Aerosolen bestehen, die aus Quellen wie Bränden bei der Abholzung stammen. In Nordeuropa hingegen waren stickstoffhaltige Aerosole vorherrschend, wobei Fahrzeuge und der Einsatz von Düngemitteln einen großen Beitrag leisteten. Die beiden Regionen bräuchten stark unterschiedliche Strategien und Methoden, um ihre Luftqualität zu verbessern. Dazu gehört auch, unterschiedliche chemische Spezies toxikologisch verschieden zu bewerten.

Empfehlungen zu Feinstaub überarbeiten

Doch wie geht es weiter? Als die WHO-Richtlinien zur Luftqualität 2005 das letzte Mal aktualisiert worden sind, hatte sie einen erheblichen Einfluss auf die Umweltpolitik. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten selbst Lösungen zu offenen Fragen vorschlagen, um die Luftqualität in der Region zu verbessern.

Die Autorinnen und Autoren vom MIT jedenfalls sehen in ihren neuen Erkenntnissen eine Möglichkeit, die aktuellen Leitlinien zu erweitern und zu überarbeiten. Sie empfehlen, routinemäßig auf globaler Ebene die chemische Zusammensetzung von PM2,5-Feinstaub zu erfassen und entsprechende Daten Regierungen zur Verfügung zu stellen. Neue Daten könnten auch dazu beitragen, Feinstaub mit unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung toxikologisch präziser als bislang zu bewerten.

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Von Michael van den Heuvel