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Empfehlungen für die Praxis 05.10.2020, 07:00 Uhr

Wie gelingt die lokale Wertschöpfung aus Windkraft-Anlagen?

Die Bundesregierung möchte Kommunen an Windparks beteiligen, ohne Details zu nennen. Doch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es bereits Lösungen – und diese haben viel Potenzial für alle Länder.

Windkraft leistet einen wichtigen Beitrag zur Energiewende. Nur wie sollte man Kommunen einbinden?
Foto: panthermedia.net/xxlphoto

Windkraft leistet einen wichtigen Beitrag zur Energiewende. Nur wie sollte man Kommunen einbinden?

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Die Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz sieht vor, Kommunen mit Windkraftanlagen am Ertrag wirtschaftlich zu beteiligen. Sie tritt Anfang 2021 in Kraft, wirft aber eine zentrale Frage auf: Wie könnte eine solche Partizipation in der Praxis aussehen? Eva Eichenauer vom Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung und Ludger Gailing von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg haben nach mehrjähriger Forschung jetzt Ergebnisse veröffentlicht.

Windkraft ja – aber lieber nicht vor Ort

Zum Hintergrund: Viele Bürger befürworten die Energiewende, sind aber gegen Windkraftanlagen in ihrer eigenen Umgebung. Durch regionale Proteste können sich Planungszeiten auf fünf oder mehr Jahre erhöhen. Deshalb setzen Politiker immer häufiger auf die Strategie, Kommunen an Windparks zu beteiligen.

Im Jahr 2016 verabschiedete der Landtag in Mecklenburg-Vorpommern das bundesweit erste Gesetz dazu. Es gilt als Meilenstein; Effekte des Regelwerks wurden von Eichenauer und Gailing deshalb eingehend untersucht. Zuvor waren Lasten und Kosten häufig in der Region verankert, während ein Großteil aller Gewinne in andere Regionen abgeflossen ist.

++ Warum ein Lüftchen zur Energiegewinnung ausreicht ++

Verschiedene Modelle der Beteiligung von Kommunen

Doch wie lässt sich dieses Problem lösen? Experten haben ganz unterschiedliche Ansätze entwickelt. Die Denkfabrik Agora Energiewende favorisiert Einmalzahlungen und zweckgebundene jährliche Zahlungen, deren Höhe sich an Leistungsparametern der Anlagen orientiert. Im Unterschied dazu empfiehlt der Städte- und Gemeindebund Brandenburg Einspeisekonzessionsabgaben für Gemeinden, die Strom herstellen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um erneuerbare oder konventionelle Energie handelt. Die Stiftung Umwelt- und Energierecht bringt eine Einspeisekonzessionsabgabe in das Gespräch, und der Bundesverband Windenergie e. V., ein Interessenverband, fordert, dass 1% bis 2% des Jahresumsatzes an Gemeinden gehen.

Lehren aus Mecklenburg-Vorpommern

Zurück nach Berlin. Die EEG-Novelle sieht vor, Gemeinden eine leistungsbezogene Abgabe zu gewähren – jedoch ohne eine verpflichtende Beteiligung. Im Unterschied dazu geht das Bürgerbeteiligungsgesetz aus Mecklenburg-Vorpommern deutlich weiter. Es verpflichtet Betreibergesellschaften, 20% ihrer Anteile an Kommunen beziehungsweise Anwohner zu verkaufen – für maximal 500 Euro pro Anteilsoption. Alternativ sind Ausgleichszahlungen, Vergünstigungen für Anwohner oder – bei Zustimmung aller Beteiligten – weitere flexible Lösungen möglich. Die meisten Politiker und Firmenvertreter unterstützen Mecklenburg-Vorpommerns Lösung. Nur ein Betreiber klagt dagegen, aktuell vor dem Bundesverfassungsgericht.

Es gibt aber auch Schwächen bei der Lösung. So sieht das Gesetz vor, alle Haushalte im Umkreis von fünf Kilometern über Möglichkeiten der Beteiligung zu informieren. Das Verfahren hat sich als aufwändig und fehleranfällig erwiesen. Unklar bleibt darüber hinaus, wo Grenzen der Fünf-Kilometer-Zone liegen. Bei manchen Gemeinden liegt das Zentrum zwar innerhalb dieser Zone, Wohngegenden befinden sich aber deutlich außerhalb.

++ Der Anteil erneuerbarer Energien war noch nie so hoch ++

Die Empfehlungen im Überblick

Aus allen genannten Aspekten haben Eichenauer und Gailing zehn Empfehlungen für ein Gesetz zur Beteiligung von Kommunen abgeleitet:

  • Nur eine bundeseinheitliche Lösung bietet Rechtssicherheit und schafft gleichermaßen Mindeststandards.
  • Die Regelungen müssen einfach, nachvollziehbar und transparent sein.
  • Gemeinden brauchen Planungssicherheit. Deshalb raten die Experten, klare Informationen über Zahlungen mit aufzunehmen. Im Idealfall verringern sich dann Proteste von Bürgern, und die Planungszeit verkürzt sich.
  • Sollten sich Kommunen – aus welchem Grund auch immer – nicht durch Investitionen beteiligen, sollte ausgeschlossen werden, dass sie leer ausgehen.
  • Individuelle Vereinbarungen, die über gesetzliche Vorgaben hinausgehen, sollten möglich sein.
  • Kommunen brauchen eine neutrale Instanz, die sie bei allen Fragen berät.
  • Wichtig ist ebenfalls, den Austausch von Kommunen untereinander zu fördern.
  • Zur Umsetzung sind neue Organisationsformen, etwa Landesenergieagenturen, sinnvoll. Sie benötigen eigene Budgets und eigene Mitarbeiter.
  • Die Gemeinden sind in ihrer Vielfalt zu berücksichtigen.
  • Eine räumliche Gleichverteilung von Windenergie-Anlagen ist weder möglich noch erstrebenswert. Wichtiger ist, Gerechtigkeit bei Verfahren zur Beteiligung und bei der finanziellen Verteilung walten zu lassen.

Bleibt als Fazit: Ein Gesetz zur Stärkung lokaler Wertschöpfung aus Windkraftanlagen kann nur erfolgreich sein, wenn es die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten, aber auch die Vielfalt der Kommunen berücksichtigt. Die Autoren des Papiers sehen Mecklenburg-Vorpommers Weg als eine gute Basis dafür.

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Von Michael van den Heuvel