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Schwimmender Solarpark in Europa 09.06.2020, 09:54 Uhr

Solarstrom auf Wasser erzeugen

In weniger als acht Wochen hat ein bayerisches Unternehmen einen großen schwimmenden Solarpark in Europa fertiggestellt: 73 000 Photovoltaik-Module können auf einem Baggersee in den Niederlanden bis zu 27,4 Megawatt Solarstrom produzieren. Ein Gastbeitrag von Stephan Eder.

Auf einem Baggersee bei Zwolle in den Niederlanden schwimmen 73 000 Photovoltaik-Module auf miteinander verbundenen Solarbooten. Die Module haben eine Nennleistung von 27,4 Megawatt. Foto: BayWa r.e.

Auf einem Baggersee bei Zwolle in den Niederlanden schwimmen 73 000 Photovoltaik-Module auf miteinander verbundenen Solarbooten. Die Module haben eine Nennleistung von 27,4 Megawatt.

Foto: BayWa r.e.

„Floating PV“ – also schwimmende Solarenergie – ist ein neuer Hoffnungsträger für die Ökostrombranche. In den Niederlanden erlebt sie sogar einen ersten kleinen Boom. Ein Grund hierfür ist, dass die niederländische Regierung ihr Ökostrom-Förderprogramm SDE+ für den Bau solcher Anlagen im Megawatt-Bereich erweitert hat.

Die Münchener Firma BayWa r.e. sah dies als Chance, nach Industriestandards gefertigte Floating PV-Anlagen in den Niederlanden zu installieren. Die Firma ist eine Tochter des bayerischen Landwirtschaftsversorgers BayWa, einem weltweit tätigen Konzern mit den Kernsegmenten Agrar, Energie und Bau. Die Buchstaben „r“ und „e“ im Namen der Tochter stehen für „renewable energy“.

Energiewende auf Baggerseen

Der Boom findet auf Baggerseen im nördlichen Holland statt. BayWa r.e. hat dort bereits vier schwimmende Solarparks fertiggestellt: Im Dezember 2018 ging der erste in Oosterwolde in der Provinz Friesland mit einer Leistung von bis zu 2 Megawatt (MW) in Betrieb, im Juli 2019 der zweite in Tynaarlo in der Provinz Groningen (8,6 MW), im Oktober 2019 folgte der dritte mit 14,5 Megawatt in Zwolle in der Provinz Overijssel. Der letzte in Bomhofsplas bei Zwolle ist mit 27,4 MW Nennleistung nach Firmenangaben die größte derartige Anlage in Europa überhaupt.

An Land montieren Arbeiter die Module auf die Solarboote. Dann werden die Solarbootreihen ins Wasser gelassen und mit Booten zur Anlage gezogen und dort miteinander verbunden.

Foto: BayWa r.e.

Professionell, zuverlässig, …

Solaranlagen auf Baggerseen und auch auf Stauseen sind nicht neu. Doch BayWa r.e. hat hohe Ansprüche: Es sollten keine vom Wind derangierte Systeme sein, kein Kabel soll im Wasser hängen und nichts veralgen. Zudem wollte das Unternehmen eine Lebensdauer von mindestens 25 Jahren für solch einen Solarpark sicherstellen.

Ein Wechselrichter auf einem Gehweg zwischen mehreren Solarbootreihen. Die Kabel sind vor Sonne und direktem Wasserkontakt geschützt. Zudem verringern kurze Kabelwege Leistungsverluste.

Foto: BayWa r.e.

Das Unternehmen kooperierte dazu mit dem oberschwäbischen Firma Zimmermann PV-Stahlbau GmbH & Co. KG aus Eberhardzell. Diese erstellte die Stahlkonstruktion für „Solarboote“. Es kann hohe Wind-, Wellen- und Schneelasten standhalten und bietet eine sichere Struktur für den laufenden Betrieb und die Wartung. Es ist unter dem Namen „Zim Float“ patentiert.

Jedes Solarboot ist mit vier Schwimmkörpern ausgestattet und trägt zwölf Solarmodule. In den Solarparks werden mehrere Solarboote mit Stahlschrauben zu Reihen miteinander verbunden. Am Ende jeder Reihe schwimmt ein Wechselrichter. „Viele dieser Reihen ergeben dann den Solarpark“, erklärt Benedikt Ortmann, Leiter der Geschäftseinheit Solar Projects der BayWa r.e.

Arbeiter bewegen sich auf stabilen und sicheren Wartungs- und Gehwegen der schwimmenden Anlage. Einer fährt im Schlauchboot zurück zum Montageband an Land. Bild: BayWa r.e.

… schnell …

Das Unternehmen arbeitet schnell. Es konnte den Solarpark Bomhofsplas in weniger als acht Wochen fertigstellen. Das Unternehmen ist damit in der Lage, ein Megawatt an einem Tag zu bauen. „Das ist schneller als eine Freiflächenanlage auf der grünen Wiese, weil es einfacher zu montieren ist“, betont Edgar Gimbel, Leiter der Kraftwerksplanung bei BayWa r.e..

… und stabil bei Wind und Wetter

Zwischen den Modulreihen sind die schwarzen Schwimmkörper der Boote zu sehen. Diese „Floater“ sehen wie Kanister aus. Sie sind zweischichtig aufgebaut und bestehen aus langlebigem hartem Polyethylen (HDPE). Die innere Schicht besteht aus recyceltem HDPE, die äußere Schicht ist lebensmittelecht und mit zusätzlichem Kohlenstoff beschichtet, um trotz der UV-Belastung eine 25-jährige Haltbarkeit zu gewährleisten.

Die Module auf den Booten sind mit geringer Neigung gegeneinander gelehnt und sehen aus wie kleine Dächer. Dies bietet dem Wind weniger Angriffsfläche, als würden die Module nur nach der Sonne hin ausrichtet werden.

Der 27,4 MW-Solarpark von oben. Mittendrin – am Ende von Wechselrichterstraßen – befinden sich Transformatoren. Eine Wanne schützt sie vor Wasser. Zudem werden in den Transformatoren biologisch abbbaubare Ester anstelle von Öl verwendet. Bild: BayWa r.e.

Keine Konflikte mit Touristen – und wohl keine mit dem Naturschutz

Das Wasser unter den Solarparks kann frei fließen. Ergebnisse aus wissenschaftlichen Langzeitstudien zum Einfluss solcher Anlagen auf Pflanzen und Tiere fehlen zwar noch, doch das Unternehmen hat eine solche Studie bereits in Auftrag gegeben, die dies untersuchen soll.

Und aus allen genutzten Seen wird Sand und Kies abgebaut. Sie sind daher nicht für Badegäste geeignet – und in den Niederlanden auch für den Publikumsverkehr gesperrt.

Große Pläne

Bis zu 100 MW an neuen schwimmenden Solarparks hofft BayWa r.e., noch in diesem Jahr auf Bagger- und Stauseen verwirklichen zu können – dies vor allem in den Niederlanden. Aber auch in Deutschland und Frankreich werden erste Projekte entwickelt. Noch machen diese schwimmenden Parks recht wenig der Gesamt-Projektpipeline der BayWa r.e. von momentan sieben GW allein im Solarbereich aus – doch der Trend zeigt nach oben.

Eine Idee ist, Solarparks auch in planmäßig vollgelaufenen Braunkohletagegruben zu errichten. Das Potenzial hierfür wäre erheblich, meint das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE): In Deutschland könnten in solchen Gruben im rheinischen Revier und in Mitteldeutschland bis zu 2,74 Gigawatt installiert werden.

Weltweit geht die Weltbank derzeit von 400 GW Gesamtpotenzial für Floating PV auf künstlichen Gewässern aus. „Richtige Offshore-PV auf offener See im Stil von großen, schwimmenden Megawattparks wird es in absehbarer Zeit nicht geben“, glaubt Gimbel. Doch für Solarparks in Küstennähe werden bereits Technologien entwickelt und Anlagen projektiert.

https://www.baywa-re.de/en/floating-pv/

Von Stephan Eder

Redakteur, VDI nachrichten, seder@vdi-nachrichten.com