Energiewende 02.08.2021, 07:00 Uhr

Deutsche wollen mehr Solardächer – doch diese Maßnahme akzeptieren sie nicht

Eine repräsentative Umfrage zeigt: Die Bürgerinnen und Bürger stehen hinter der Energiewende und fordern sogar ein schnelleres Tempo ein. Die Lasten sind aus ihrer Sicht aber ungerecht verteilt – und einige möglichen Maßnahmen würden sie nicht akzeptieren.

Illustration Umfrage Energiewende

Wie ist es um die Akzeptanz der Energiewende bestellt? Die Umfrageergebnisse sind widersprüchlich.

Foto: Kopernikus-Projekt Ariadne

Für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ist es wichtig, die Stimmung im Land einschätzen zu können. Denn ohne Rückhalt in der Bevölkerung kann die Energiewende nicht funktionieren. Schließlich muss ein großer Teil des CO2-Ausstoßes im privaten Bereich eingespart werden, sei es über emissionsfreie Mobilität oder umweltfreundliches Heizen. Im Rahmen des Kopernikus-Projektes Ariadne hat das BMBF daher eine repräsentative Umfrage in Auftrag gegeben. Mehr als 6.800 Menschen sind befragt worden. Jetzt liegen die ersten Ergebnisse des „Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers 2021“ vor, und sie können Klimaschützern gute Laune machen. Denn die Deutschen stehen hinter der Energiewende. Das heißt aber nicht, dass sie alle Maßnahmen mittragen würden.

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Die Befragten stehen hinter den Zielen der Energiewende

Bei den Kopernikus-Projekten handelt es sich um Energieforschungsprojekte, die das BMBF fördert. Ariadne bewegt sich dabei nicht auf der technischen Ebene, sondern im soziologischen und politischen Bereich. Maßnahmen werden dadurch im Grunde genommen vorbereitet und begleitet. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen unter anderem, welche Politikinstrumente geeignet wären, um die Energiewende umzusetzen. Damit ist eng die Frage verbunden, wie es um die Akzeptanz in der Bevölkerung bestellt ist. Durchgeführt wird das Nachhaltigkeitsbarometer von einem Team des Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut forsa.

Die aktuelle Umfrage zeigt: Die Deutschen stehen hinter der Energiewende, und noch viel mehr: Es geht ihnen nicht schnell genug. Fast 80% der Befragten sehen die Veränderungen zum Schutz des Klimas als eine Gemeinschaftsaufgabe der Gesellschaft an und sind der Ansicht, dass jeder Einzelne seinen Beitrag dazu leisten sollte. Es gibt aber auch Kritik: Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden bezeichnet die bisherigen Maßnahmen als bürgerfern.

Die Lasten der Energiewende sind ungerecht verteilt

Natürlich sind Umfragen, bei denen nach Themen gefragt wird, die auch eine moralische Komponente haben, immer mit Vorsicht zu genießen. Dann nicht jeder antwortet ehrlich, wenn er gefragt wird, ob er bereit wäre, für den Klimaschutz Opfer zu bringen. Trotzdem zeigen die Ergebnisse klare Tendenzen.

Zum Beispiel sind 73% der Befragten der Meinung, dass es richtig wäre, den Energieverbrauch in Privathaushalten zu reduzieren, und mehr als jeder Dritte fände es sogar angemessen, wenn umweltschädliche Produkte höher besteuert würden. Das heißt aber auch: Zwei Drittel würden solche Maßnahmen höchstens widerwillig akzeptieren. Das könnte unter anderem damit zusammenhängen, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmenden findet, dass die Lasten ungerecht verteilt sind. Unternehmen würden im Vergleich zu Privatpersonen nicht genug in die Pflicht genommen, beziehungsweise zur Kasse gebeten.

Solaranlagen sind eher gefragt als Windkraft

Der theoretische Wille ist da, doch Verzicht fällt schwer. Das wird in diesem Stimmungsbarometer deutlich. Erneuerbare Energien werden beispielsweise von den meisten Menschen befürwortet. Am größten sieht die Unterstützung für Solardächer aus, über 90% der Befragten wollen den Ausbau. Noch immerhin fast jeder Zweite hätte kein Problem mit zusätzlichen Windkraftanlagen, wenn er persönlich sie nicht sehen müsste. Interessant ist dabei, dass die Zustimmung deutlich geringer ausfällt (22%), wenn der Befragte für den Neubau persönlich eine finanzielle Entschädigung erhielte.

Wer nicht gerade ein Haus neu baut und sich mit Energieeffizienzstandards beschäftigen muss, wird im Alltag allerdings wenig vom Ausbau der erneuerbaren Energien spüren – falls sie nicht in seiner unmittelbaren Nähe entstehen.

Für die Energiewende will fast keiner aufs Auto verzichten

Anders sieht das beim Thema Mobilität aus. Für 50% der Teilnehmenden ist es vorstellbar, häufiger mit dem Rad zu fahren oder zu Fuß gehen. Gleichzeitig lehnt aber ebenfalls die Hälfte eine Maut für Pkw genauso ab wie höhere Parkgebühren. Nur für 3% wäre es denkbar, das eigene Auto abzuschaffen, und 54% der Teilnehmenden wollen nicht, dass eine Neuzulassung von Fahrzeugen mit Verbrenner ab 2030 verboten wird. Immerhin ist ungefähr die gleiche Anzahl dafür, den Steuervorteils für Dieselkraftstoffe abzuschaffen und ein generelles Tempolimit auf Autobahnen einzuführen.

Ortwin Renn vom IASS schließt aus den Ergebnissen: „Die Energiewende kann nur zusammen mit der Gesellschaft gelingen. Für den Erfolg der Energie- und Verkehrswende gilt es dabei nicht nur motivierende Formen der Bürgerbeteiligung einzuplanen, sondern auch soziale Fairness und Gerechtigkeit, Augenmaß und Verhältnismäßigkeit im Blick zu behalten.“

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Von Nicole Lücke