01.03.2019, 00:00 Uhr

Synthetische Kraftstoffe: zentral und dezentral

Von 2020 an sollen in Norwegen und der Schweiz klimaneutrale Kraftstoffe und Wachse hergestellt werden. Beide Ansätze sind ähnlich – und doch anders.

4.000 m² freie Fläche stehen Nordic Blue im Industriepark Herøya, Norwegen, zur Verfügung.

4.000 m² freie Fläche stehen Nordic Blue im Industriepark Herøya, Norwegen, zur Verfügung.

Foto: Sunfire

Das Know-how, mit erneuerbaren Energien aus Kohlendioxid und Wasserstoff Kraftstoffe und Wachse herzustellen, steht“, erklärt Nils Aldag, Geschäftsführer von Sunfire in Dresden. Wo erneuerbare Energien preiswert und zuverlässig verfügbar sind, könne dies bereits heute wirtschaftlich sein, ergänzt Aldag. In Chile etwa wird Photovoltaikstrom in großen Anlagen für rund 0,025 Euro pro Kilowattstunde (kWh) produziert. In Deutschland liegen die Stromentstehungskosten bei Großanlagen zwischen 0,04 und 0,08 Euro/kWh. Doch auch in Europa könne es wirtschaftlich sein, glaubt Reinhard Otten, beim Autohersteller Audi für e-Fuels und nachhaltige Produktentwicklung zuständig. „Standorte für Power-to-X-Anlagen wird es dort geben, wo zuverlässig erneuerbare Energie in der Nachbarschaft ständig oder phasenweise verfügbar ist.“

Der Prototyp einer Co-Elektrolyse von Sunfire. Bild: Sunfire

Der Prototyp einer Co-Elektrolyse von Sunfire. Bild: Sunfire

 

Auf Wasserkraft setzen etwa das norwegische Unternehmen Nordic Blue mit Sitz in Porsgrunn südlich von Oslo und die Schweizer Energiedienst Holding aus Laufenburg am Rhein. Details:

Nordic Blue will mit 20 MW Wasserkraft im Hafen Herøya südlich von Oslo 8.000 t Kohlenwasserstoffe aus CO2 jährlich produzieren. Die Firma nennt den Rohstoff ‘e-Crude’ – also ‘strombasiertes Erdöl’. Daraus sollen rund zur Hälfte Kraftstoffe und Wachse hergestellt werden. Wirtschaftlich gesehen spielen langkettige Paraffine eine große Rolle, da diese den höchsten Produktwert besäßen, so Aldag. Die Anlagenbauer EDL aus Leipzig und Sunfire planen die Industrieanlage.

Die Energiedienst Holding will aus CO2 mit 1 MW Wasserkraft jährlich rund 400 t Kohlenwasserstoffe gewinnen und daraus vor allem synthetischen Diesel herstellen. Die Anlage wird kompakter und modular erweiterbar. Audi will diesen Diesel abnehmen. Die Anlage plant und baut Ineratec aus Karlsruhe. Die Verfahren sind grundsätzlich gleich (s. Kasten). Aber es gibt Unterschiede.

Kohlendioxid: Beide Unternehmen wollen Abgase aus Industrieanlagen nutzen, Nordic Blue zusätzlich CO2 aus der Luft. Dazu bauen die Norweger auf eine Anlage des Schweizer Unternehmen Climeworks. Diese besteht aus einem Filter, an dessen Oberfläche selektiv CO2 gebunden wird. Ist der Filter gesättigt, wird er auf 100 °C aufgewärmt, konzentriertes „grünes“ CO2 wird frei.

Wasserstoff: Energiedienst will H2 mit etablierter Elektrolysetechnologie, die Wasser in seine Bestandteile zerlegt, gewinnen. Nordic Blue setzt auf die Dampfelektrolyse von Sunfire. Hier streicht Wasserdampf an festen Oxidzellen aus einer Spezialkeramikvorbei. Diese ‘Solid Oxide Electrolysis Cells’ (SOEC) benötigen etwa 16 Prozent weniger Strom als herkömmliche Elektrolyseure und nutzen zur weiteren Steigerung der Effizienz die Abwärme aus nachgeschalteten Verfahrensstufen.

Synthesegas und Fischer-Tropsch: Nordic Blue und Energiedienst wollen aus CO2 und H2 in einem RWGS-Reaktor mit Hilfe eines Katalysators bei bis zu 900 °C Synthesegas mit einem Verhältnis H2 zu CO von 2:1 herstellen. Dieses Synthesegas wird dann bei rund 200 bis 250 °C und einem Druck von 20 bis 30 bar in einen Fischer-Tropsch-Reaktor zu Kohlenwasserstoffen umgewandelt.

Und es wird teilweise auch Neues ausprobiert. Sunfire kombiniert derzeit die Dampfelektrolyse und den RWGS-Reaktor in einer Co-Elektrolyse. „Dies erlaubt die Herstellung von Synthesegas Wasser und CO2 in einem Schritt“, erklärt Aldag.

Europa, Deutschland, Sachsen, Dresden. Nils Aldag, CCO, Sunfire GmbH. Anlage zur Herstellung von Diesel aus CO2. 24.05.2017 © 2017 Sven Döring / Agentur Focus

Sunfire-Geschäftsführer Nils Aldag prüft das Ergebnis der Reaktion. Bild: Sunfire

 

Energiedienst setzt auf ein modulares Konzept. Der Elektrolyseur sowie auch die chemischen Reaktoren passen in jeweils einen standardisierten 40-Fuß-Container. Dies gelingt bei den chemischen Reaktoren, da der Fischer-Tropsch-Reaktor über mehrere Jahre am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zu einem kleinen Quader geschrumpft werden konnte. „Ein Reaktor ist jetzt 40 cm lang, 35 cm hoch und 30 cm breit“, so Tim Böltken, Geschäftsführer von Ineratec.

Der Clou ist der Einsatz der Mikroverfahrenstechnik. Das Synthesegas wird durch Mikrokanäle mit einem Durchmesser kleiner als 1 mm geleitet. Dies hat Vorteile: „Diese winzigen Strukturen erlauben eine schnelle Wärmeübertragung“, sagt Böltken. Dies ermöglicht auch einen lastflexiblen Betrieb sowie schnelle An- und Abfahrzeiten.

Und im Kopernikus-P2X-Projekt wird zusammengearbeitet: Climeworks, Ineratec, das KIT und Sunfire arbeiten im BMBF-geförderten Projekt Kopernikus-P2X zusammen. Sie entwickeln gemeinsam eine hochintegrierte Anlage, in der CO2 aus der Luft abgeschieden wird und über Co-Elektrolyse, mikrostrukturierte Fischer-Tropsch-Synthese und hydrierende Spaltung miteinander verbindet. Sie soll im Testbetrieb ab Anfang 2019 etwa 10 l Kerosin täglich erzeugen.

Eine Erweiterung über die Pilotanlage hinaus über eine Vervielfältigung der Komponenten ist im Erfolgsfall angestrebt. „Durch das modulare Konzept ist eine einfache Skalierung vor Ort möglich.“, erklärt Böltken. Er betont, das modulare Konzept würde es erlauben, an vielen anderen Standorten auch in Deutschland synthetische Kohlenwasserstoffe herzustellen. Das Ziel sind drop-in fähige Kraftstoffe für bestehende Infrastrukturen.

Bald soll es losgehen: Die Holding erhielt die Baugenehmigung und. Weitere Details werden jetzt geklärt. Nordic Blue Befindet sich in der technisch-ökonomischen Validierung sowie in der finalen Finanzierungsrunde.

 

Von Dr. Ralph H. Ahrens

Dr. Ralph H. Ahrens, Chefredakteur UmweltMagazin, rahrens@vdi-fachmedien.de