Klimawandel: Das fordert die Industrie von der nächsten Regierung
Um bis 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen, sind große Investitionen und politische Weichenstellungen erforderlich. Was sich in einzelnen Sektoren ändern muss, zeigt eine neue Studie zum Klimawandel.

Treibhausgasneutralität bis 2045 – dieses Ziel ist mit großen Hürden verbunden, wie eine Studie zeigt.
Foto: panthermedia.net/kwest (YAYMicro)
„Deutschland steht vor der größten Transformation in der Geschichte der Bundesrepublik“, sagt Siegfried Russwurm. Er ist Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Russwurm: „Uns läuft die Zeit davon; politische Grundsatzentscheidungen zur Umsetzung der Klimaziele sind überfällig.“ Deutschland brauche einen großen Aufbruch mit einem „historischen und schnellen Wirtschaftsprogramm für die Zukunft des Standortes“, gibt er zu bedenken. Zusammen mit der Boston Consulting Group (BCG) hat der BDI eine Studie zur Treibhausgasneutralität bis 2045 veröffentlicht. Sie zeigt großen Handlungsbedarf in diversen Sektoren – und Mehrinvestitionen in Billionenhöhe. Mehr als 150 Expertinnen und Experten sowie rund 80 Unternehmen und Industrieverbänden waren von März bis Oktober 2021 in die Arbeiten eingebunden und haben Input gegeben. Sie haben jetzt ihren Bericht veröffentlicht.
Energieintensive Branchen: Hohe Kosten in den nächsten Jahren
Stahl, Chemie, Zement und Kalk sind bekannte Bereiche mit hohem Energieeinsatz. Sie werden bis 2030 eine Vielzahl an Produktionsprozessen umstellen müssen. Laut Studie sind dafür rund 50 Milliarden Euro an Investitionen erforderlich. Mit neuen Technologien ist es nicht getan. Auch höhere Betriebskosten erwarten die Autorinnen und Autoren der Studie. Hinzu kommt, dass der Strombedarf ab 2030 um schätzungsweise 63 Terawattstunden steigen wird. Deshalb fordert der BDI, Strompreise industrieller Wärmeprozesse von Umlagen und Steuern zu entlasten. Und energieintensive Unternehmen sollten bestehende Vorteile weiter in Anspruch nehmen können, lautet eine weitere Forderung.
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Mobilität: Infrastrukturen rechtzeitig ausbauen
Als weiteres Themenfeld identifizierten der BDI und die BCG die bundesweite Lade- und Wasserstofftankstelleninfrastruktur. Für den Ausbau rechnen sie bis 2030 mit 74 Milliarden Euro an Investitionen – und fordern einen entsprechenden zeitlichen Vorlauf. Bis dahin werden 90% der neu zugelassenen Pkw und 70% der neu zugelassenen Lkw mit Brennstoffzellen oder Strom angetrieben. Dennoch werden mehr als 30 Millionen Pkw mit Verbrennungsmotor auf der Straße unterwegs sein. Um Klimaziele zu erreichen, werden strombasierte Kraftstoffe und Biokraftstoffe deshalb stark an Bedeutung gewinnen.
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Gebäude schneller sanieren – Kohlendioxid einsparen
Auf den Gebäudesektor kommen ebenfalls große Herausforderungen zu. Bis 2030 muss sich die Kohlendioxid-Emission bis 2030 um 46% verringert werden, gemessen am Wert von 2019. Laut Studie muss die Sanierungsrate von derzeit 1,1% auf 1,9% erhöht werden, um die Ziele zu erreichen. Öl- und Gasheizungen sind beispielsweise durch Wärmepumpen oder Fernwärme zu ersetzen. Expertinnen und Experten haben errechnet, dass dafür eine Förderung von bis zu 17 Milliarden Euro bis 2030 erforderlich wäre.
Den Ausbau von Windenergie und Photovoltaik beschleunigen
Der Energiesektor befindet sich ebenfalls im Wandel. Expertinnen und Experten gehen bis 2030 von einer um bis zu 40% höheren Stromnachfrage aus als momentan. Dazu müssten Anstrengungen laut dem Ausbaupfad Erneuerbare-Energien-Gesetz verdoppelt werden. Weitere Investitionen betreffen das Stromnetz selbst und Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Fernwärme. Alles in allem kommen die Studienautoren auf Kosten von etwa 415 Milliarden Euro bis 2030.
Steigende Nachfrage für Wasserstoff und strombasierte Kraftstoffe
Zwar wir die Elektrifizierung bis 2045 stark ansteigen, das zeigen etliche Prognosen. Zentrale Branchen vom Straßenverkehr über die Beheizung von Gebäuden bis hin zur Industriewärme sind hier zu nennen. Dennoch bleiben Sparten wie Stahl, Chemie und Flugverkehr, die sich wenig bis gar nicht auf Strom umstellen lassen. Schätzungsweise 433 Terawattstunden an grünem Wasserstoffs und an strombasierten Kraftstoffen sind deshalb pro Jahr zu importieren. Deutschlands Anbindung an ein internationales Wasserstoffnetz gilt als wichtiger Meilenstein.
Klimawandel: Was wird im Koalitionsvertrag stehen?
Bleibt als Fazit: Die Studie zeigt, was auf eine künftige Klimaregierung zukommen wird. Momentan laufen die Koalitionsgespräche auf Hochtouren. Bereits im Sondierungspapier wurde eine Novellierung des Klimaschutzgesetzes angedacht. Darin halten die Unterzeichner generell an Einsparungen in den bekannten Sektoren Energie, Verkehr, Industrie, Gebäude und Landwirtschaft fest. Sektorenübergreifende Maßnahmen zur Minimierung sollen mit hinzukommen. Läuft alles nach Plan, soll der Koalitionsvertrag Mitte Dezember paraphiert werden – mit einem Maßnahmenpaket gegen den Klimawandel.
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