Energieeffiziente Fähren
Die niederländische Reederei Doeksen wird von Mai an zwei Fähren einsetzen, die dank intelligenter Kombination von Materialien und Techniken wesentlich energieeffizienter und leistungsstärker fahren als andere Fähren. Besonderes Augenmerk legt die Reederei darauf, an Bord Abwärme zu nutzen.

Eine der effizienten Fähren auf einer Probefahrt vor Vietnams Küste. Bild: Reederei Doeksen
Das Wattenmeer erstreckt sich über 500 km entlang der Nordseeküste Dänemarks, Deutschlands und der Niederlande. Es ist das weltweit größte zusammenhängende System von Sand und Schlickwatt. Die UNESCO hat es 2009 zum Weltkulturerbe erklärt. Das Wattenmeer zu schützen, stellt Schiffsbetreiber und Reedereien vor Herausforderungen: Sie müssen ihre Verantwortung für besseren Schutz der Umwelt in Einklang bringen mit der Beförderung von jährlich rund einer Million Touristen. „Doch eine Lösung ist nicht in Sicht“, sagt Andreas Sichert, Vorstand von Orcan Energy. Auf absehbare Zeit werden Schiffe Verbrennungsmotoren nutzen. Es ist unwahrscheinlich, dass Schiffe, die eine längere Route fahren, ausschließlich mit Akkus betrieben werden. Und auch Biokraftstoffe sind nicht kommerziell erhältlich.
Doch Schiffe können sauberer fahren als bisher. Durch intelligente Kombination verschiedener Maßnahmen können Schadstoff- und CO2-Emissionen drastisch sinken. Gängig ist bereits, schwefelärmere saubere Kraftstoffe zu verwenden, Abgase durch Filter und Abgasnachbehandlungssysteme zu reinigen, eine wirtschaftliche Geschwindigkeit zu wählen, die Ladung optimal zu verstauen sowie eine optimierte Hydrodynamik.
Doch es geht mehr: Die niederländische Reederei Doeksen mit Sitz im friesländischen Harlingen wird von Mai 2019 an erstmalig zwei neue in Vietnam in der Werft Strategic Marine gebaute Katamarane einsetzen. Diese bündeln besonders umweltfreundliche Technologien und Materialien, um den Betrieb der Fähren so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Beide Katamarane sind jeweils 70 Meter lang und werden zwischen Harlingen auf dem Festland und den Inseln Terschelling und Vlieland als Fähren eingesetzt werden. Sie können jeweils bis zu 66 Fahrzeuge und rund 600 Passagiere befördern.
Das Neue: Der Schiffskörper besteht aus Aluminium und nicht wie üblich aus Stahl. Das Metall Aluminium wird eingesetzt, da es aufgrund seines geringeren Gewichtes den Kraftstoffverbrauch der Fähre bereits senkt. Außerdem fahren die Schiffe nur mit verflüssigtem Erdgas (LNG). LNG ist eine umweltschonende Alternative zum Schiffsdiesel. Sein Einsatz verringert die Emissionen von CO2 um mehr als 10 Prozent, von Stickstoffoxiden um 85 Prozent und von Feinstaub um 95 Prozent. Schwefeloxiden werden gar nicht mehr freigesetzt.
Abwärmenutzung
Die Schlüsseltechnologie für deutlich mehr Umweltschutz ist jedoch die Abwärmenutzung. „Alleine in Schiffsantriebssystemen gehen mehr als die Hälfte der im Treibstoff enthaltenen Energie als Abwärme verloren“, sagt Paul Melles, Geschäftsführer der Reederei Doeksen. Die Abwärme verpufft in die Luft. „Diese an Bord zur Erzeugung von Strom zu nutzen, ist ein entscheidender Schritt nach vorne und für ein modernes Schiff ein absolutes Muss.“
Während das Verfahren der energieeffizienten Abwärmenutzung in der Industrie und auf Biogas-Bauernhöfen heute schon vielfältig eingesetzt wird, ist es an Bord eines Schiffes die Ausnahme. Denn wo soll auf der begrenzten Fläche des Maschinenraums Platz für ein Wärmerückgewinnungssystem sein? Anders als an Land ist der Platz an Bord eines Schiffes streng limitiert. „Wir suchten also eine Lösung, die nicht nur zuverlässig und effizient arbeitet, sondern vor allem auch kompakt ist“, erklärt Melles. Eine gute platzsparende Energieeffizienztechnik hat das Münchener Unternehmen Orcan Energy im Angebot. Als Pionier im Bereich Wärmerückgewinnung produziert und vertreibt das Unternehmen Produkte, Komponenten und Komplettlösungen zur Umwandlung von Abwärme in der Energiewirtschaft und in Industrieunternehmen in Strom – und künftig wohl auch zur Erhöhung zur Motorleistung in LKW, um Diesel einzusparen.
Die Lösung sind Effizienzstapel von Orcan Energy: die „Efficiency Packs“. Da diese nicht größer als eine Duschkabine sind, konnte die vietnamesische Werft sie auf Wattfähren einbauen.
Um die Wärme in den Abgasen für den Antrieb eines elektrischen Generators zu nutzen, wurde jeder Katamaran mit zwei dieser Efficiency Packs der 050.100-Klasse ausgestattet. Jedes Pack kann eine elektrische Leistung von bis zu 100 kW erzeugen. Die Efficiency Packs sind keine Dampfturbine. In ihnen wird die Abwärme mit Hilfe des „Organic Rankine Cycle“ (ORC) genutzt. Dies ist ein physikalisches Prinzip, bei dem ein organisches Kältemittel einen Kreislauf durchläuft und Abwärme kontinuierlich in mechanische Arbeit umwandelt. Die Abwärme kann prinzipiell aus Abgasen, Kühlwasser, Dampf oder Thermoöl stammen. Im Falle der Katamaranfähren wird die Abwärme der Antriebs- und Hilfsmotoren durch Auskopplung der Wärme des Motorkühlwassers und der bis zu 500 °C heißen Abwärme genutzt.
Wärmeüberträger leiten die Abwärme des Motorkühlwassers und der Motorenabgase an den ORC-Kreislauf. Dort verdampft das Kältemittel – ein ungiftiger, nicht-brennbarer Kohlenwasserstoff – und wird als überhitzter Dampf der Expansionsmaschine zugeführt. Hier wird das unter Hochdruck stehende Kältemittel entspannt, wodurch die Expansionsmaschine angetrieben wird. Diese Rotationsenergie wird dann genutzt, um einen Generator anzutreiben, der wiederum Elektrizität erzeugt.
Nach der Expansionsmaschine wird das noch gasförmige Kältemittel im Kondensator wieder verflüssigt und anschließend von der Speisewasserpumpe erneut unter Druck gesetzt. Das Kältemittel hat nun den Kreislauf abgeschlossen und tritt wieder in den Verdampfer ein, um Abwärme aufzunehmen. Der so gewonnene saubere Drehstrom wird an Bord der Doeksen-Fähren von einem Umrichter in Gleichstrom umgewandelt, um die Akkus aufzuladen. Diese versorgen schließlich die Bugstrahlruder beim An- und Ablegen der Fähren und liefern damit etwa den gesamten Strom für das äußerst energieintensive Manövrieren im Hafen.
Deutlich weniger Treibstoff
Das Ergebnis lässt sich sehen: Der Einsatz der zwei Efficiency Packs bedeutet für jede der beiden Fähren im Wattenmeer jährlich rund 318 Tonnen CO2 einzusparen sowie 260.000 Liter Treibstoff und 462.600 Kilowattstunden Strom pro Jahr! Anders ausgedrückt: Beide Fähren sparen zusammen jährlich zirka 5.000 Auto-Tankfüllungen ein oder den jährlichen Stromverbrauch von 154 Haushalten.
Andreas Sichert aus dem Vorstand von Orcan Energy sieht darin eine echte Chance für eine umweltfreundlichere Schifffahrt: „Mit unserer Technologie sind unter realen Bedingungen konkrete Effizienzvorteile und Einsparungen möglich.“ Die Reederei Doeksen hat den Anfang gemacht. Nun hofft Sichert, weitere Schiffseigner und Reedereien von der einfachen Abwärmegewinnung an Bord zu überzeugen. Der Bau der high-efficiency Fähren der Reederei Doeksen ist fast abgeschlossen. Im Mai werden die umweltfreundlichsten Katamarane Europas erstmalig in See stechen.
Bas Flipse, Orcan Energy AG, bas.flipse@orcan-energy.com