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Erneuerbare Energien 29.11.2021, 07:00 Uhr

Die 30-Prozent-Marke rückt näher: neuer Weltrekord bei Tandem-Solarzellen

Ingenieuren am Helmholtz Zentrum Berlin ist ein neuer Durchbruch gelungen. Mit ihrem neuen Design optimieren sie Perowskit-Silizium-Zellen – und erreichen 29,80 % als Wirkungsgrad.

Tandem-Solarzelle

Berliner Forschende stellen ihre neue Perowskit-Silizium-mit nanotexturierter Vorderseite (links) und mit Reflektor auf der Rückseite (rechts) vor.

Foto: HZB

Solarenergie gehört zu den wichtigsten Säulen der Energiewende. Allein in Deutschland wurden, Stand 2020, knapp zwei Millionen Photovoltaik-Anlagen mit einer Gesamtleistung von etwa 54 Gigawatt installiert. Zwei Faktoren schränken diese Zukunftstechnologie jedoch stark ein: Nicht immer steht ausreichend Sonnenstrahlung zur Verfügung. Und die Zahl an nutzbaren Flächen ist ebenfalls begrenzt. Ingenieurinnen und Ingenieure versuchen deshalb, den Wirkungsgrad zu verbessern. Hier gibt es noch viel Luft nach oben.

Jetzt berichten Forschende am Helmholtz Zentrum Berlin von einem weiteren Durchbruch. Sie haben in ihren Labors eine Perowskit-Silizium-Tandemsolarzelle hergestellt und danach deren Leistungsfähigkeit untersuchen lassen. Zertifiziert wurde ein Wirkungsgrad von 29,80% – ein neuer Rekordwert. Damit rücke die Marke von 30 % in greifbare Nähe, schreiben die Forschenden.

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Mit Solarzellen Lichtenergie effizient nutzen

Zum Hintergrund: Herkömmliche Solarzellen bestehen hauptsächlich aus Silizium. Sie nutzen das elektromagnetische Spektrum des Sonnenlichts nicht optimal. Strahlung wird nur im Bereich der sogenannten Bandlücke optimal genutzt, also des energetischen Abstands des mit Elektronen gefüllten und des leeren energetischen Energieniveaus im Halbleiter. Ist die Energie kleiner als die Bandlücke, wird sie nicht genutzt. Höher energetische Strahlung hingegen wandeln Solarzellen teilweise in Wärme um.

Genau dieses Problem lösen Tandem-Solarzellen mit einem innovativen Design. Ingenieurinnen und Ingenieure kombinieren Module aus unterschiedlichen Materialien, sprich mit abweichenden Bandlücken. Mit diesem Trick gelingt es, Licht verschiedener Wellenlängen bestmöglich zu verwerten. Forschende am Helmholtz Zentrum Berlin nutzen hier Perowskite, also synthetische Verbindungen, deren Struktur aus bestimmten Mineralien abgeleitet wird. Sie enthalten Metallhalogenide. Tandem-Solarzellen haben viel Potenzial, Sonnenenergie effizient zu nutzen, wie ein Blick in die Forschung zeigt.

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Auf der Jagd nach neuen Rekorden 

Perowskite stehen bei verschiedenen Labors schon lange im Mittelpunkt des Interesses. Bereits im Jahr 2013 berichtete eine Schweizer Arbeitsgruppe, ihr Prototyp einer Tandem-Solarzelle habe einen Wirkungsgrad von 15% erreicht. Anfang 2014 konnten unter Laborbedingungen rund 19% erzielt werden. Und im Jahr 2017 stiegt der Wert auf über 22%. Das Rennen ist noch längst nicht zu Ende. Im Januar 2020 melde das Helmholtz Zentrum Berlin 29,15%. Offizielle Messungen zeigten sogar einen zertifizierten Wirkungsgrad von 29,52%.

Welche Bedeutung steckt in diesen Zahlen? „Ein Wirkungsgrad von 30% ist wie eine psychologische Grenze für diese faszinierende neue Technologie“, erklärt Steve Albrecht vom Helmholtz Zentrum, Berlin. „Das könnte die Photovoltaik-Industrie in naher Zukunft revolutionieren.“

Optimierung der Silizium-Struktur in Tandem-Solarzellen  

Im nächsten Projekt untersuchten Forschende, wie sich Nanostrukturen an verschiedenen Grenzflächen auf die Leistung auswirken. Wie bisher arbeiteten sie mit einer Kombination aus Silizium- und Perowskit-Solarzellen.

Am Computer berechnete die Arbeitsgruppe die Photostromdichte bei verschiedenen Strukturen, jeweils mit und ohne nanostrukturierten Silizium-Oberfläche. Auf Basis dieser Simulation wurden verschiedene Tandem-Solarzellen gebaut und im Labor untersucht. „Schon die einseitige Nanotexturierung verbessert die Lichtabsorption und ermöglicht einen höheren Kurzschlussstrom im Vergleich zu einer planen Referenz“, berichtet Johannes Sutter vom Helmholtz Zentrum Berlin.

Weitere Optimierungen betrafen die Rückseite der Solarzelle. Hier brachten Forschende einen dielektrischen Reflektor auf mit dem Ziel, infrarotes Licht zurück in den Silizium-Absorber zu schicken. Alle sin allem waren die Strategien erfolgreich. Das Photovoltaik-Kalibrierlabor des Fraunhofer ISE (CalLab) bestätigte einen Wirkungsgrad von 29,80%. Der Wert wird auch vom US-amerikanische National Renewable Energy Laboratory (NREL) auf eienr Zusammenstellung von Referenzen genannt. Simulationen am Computer zeigen aber auch, dass noch weitere Optimierungen möglich sind.

Offene Fragen zu Solarzellen auf Perowskit-Basis  

Wie kostengünstig sich Tandem-Solarzellen mit Perowskiten herstellen lassen, wurde in der Vergangenheit oft kontrovers diskutiert. Frühe Zellen wurden wegen der aufwändigen Herstellung nur in besonderen Systemen wie Satelliten eingesetzt. Verschiedene teils ältere Studien, unter anderem von Natcore Technology, zeigen, dass eine wirtschaftliche Produktion denkbar ist. Offene Fragen betreffen aber auch die Lebensdauer und die Robustheit solcher Tandem-Solarzellen – inklusive eines möglichen Recyclings am Ende der Nutzung.

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Von Michael van den Heuvel