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Klärschlammverwertung 01.04.2015, 00:00 Uhr

Phosphorsäure aus Klärschlamm

Wegen der begrenzten Verfügbarkeit von Phosphaten wird deren Rückgewinnung vor allem aus Klärschlamm und tierischen Nebenprodukten immer eindringlicher gefordert. Diese Stoffströme enthalten Phosphate, die in den Aschen nach der thermischen Verwertung in vergleichsweise hoher Konzentration von 20 bis 40 Prozent P2O5 als Phosphat-Salze vorliegen. Mengenmäßig sind das alleine in Deutschland über 150 000 Mg P2O5/Jahr. Für die Rückgewinnung sind diverse Verfahren entwickelt worden. Im Abschlussbericht der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten PhoBe-Studie [1] werden sie als „zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht wirtschaftlich zu betreiben“ beschrieben. Mit dem neuen, hier beschriebenen Remondis TetraPhos-Verfahren, wird aufgezeigt, dass eine wirtschaftliche Phosphat-Rückgewinnung durchaus möglich ist.

Technikumsanlage der Eurawasser Nord GmbH in Rostock.
Bild: Remondis

Technikumsanlage der Eurawasser Nord GmbH in Rostock. Bild: Remondis

Auch heute noch wird ein großer Teil der Phosphate aus dem Abwasser über den Klärschlamm als Klärdünger zurück in die Landwirtschaft verbracht. Weil der Klärschlamm durch Verunreinigungen (Schwermetalle, Organik) in vielen Regionen ein Risikofaktor ist und zudem verfügbare Flächen insbesondere in den Ballungsgebieten knapp werden, soll nach dem Willen der Bundesregierung die landwirtschaftliche Verwertung eingestellt und die Klärschlammverbrennung bevorzugt werden.

Damit die Phosphate nicht verloren gehen, sind in der Vergangenheit bereits eine Vielzahl von Recyclingverfahren entwickelt worden, die darauf beruhen, Phosphate wie MAP (Magnesium-Ammonium-Phosphat) oder Calciumphosphat aus Abwässern oder Klärschlämmen direkt in Kläranlagen zu gewinnen und als Düngemittel der Landwirtschaft anzubieten [2]. Ähnlich wie beim Klärdünger ist jedoch erkennbar, dass in der Landwirtschaft solche Produkte nicht angemessen honoriert werden, sodass ein Phosphorrecycling ein zusätzlicher Kostenfaktor sein wird und nur über höhere Abwassergebühren zu finanzieren ist. Besser wäre es, wenn der „Wertstoffhof Kläranlage“ seine Abfälle so aufbereiten könnte, dass Produkte entstehen, die in der Industrie als Rohstoffe mit adäquater Wertigkeit akzeptiert und dort in verkaufsfähige Produkte umgewandelt werden können. Damit würde sich erstmalig ein Stoffkreislauf für Phosphor insgesamt und nachhaltig schließen. Hier besteht prinzipiell kein Unterschied zu anderen Bereichen der Kreislaufwirtschaft, beispielsweise zu der Metallindustrie, wo aus „Schrott“ wertvolle Metalle wie Eisen, Aluminium, Zink, Kupfer oder Silber bis hin zu den besonders kostbaren Metallen der Seltene Erden zurückgewonnen werden.

Schwermetallrücklösung in mg/l Eluat im Vergleich mit Salzsäure und Phosphorsäure nach dem Remondis TetraPhos-Verfahren. Bild: Remondis

Schwermetallrücklösung in mg/l Eluat im Vergleich mit Salzsäure und Phosphorsäure nach dem Remondis TetraPhos-Verfahren. Bild: Remondis

 

Rohphosphate für die Industrie

Der Rohstoff für die Düngemittelherstellung in Europa ist Rohphosphat, das als „Rock“ vor allem in Marokko, den Ländern am Toten Meer und in Russland (Kola-Halbinsel) abgebaut wird. Nach Aussagen großer Agrar-Handelsorganisationen wird der überwiegende Teil der Düngemittel in Deutschland aus russischem Kola-Phosphat produziert, der im Unterschied zum sedimentären Afrika-Rohphosphat magmatischen Ursprungs und deshalb schwermetallärmer ist; vor allem der Cadmium- und Urangehalt ist erheblich niedriger. Um aus dem Rohphosphat pflanzenverfügbaren Phosphatdünger herzustellen, muss das Mineral zuvor mit Säure „aufgeschlossen“ werden, entweder mit Schwefelsäure (Superphosphat), mit Phosphorsäure (TripleSuperphosphat) oder Salpetersäure (Nitrophoska). Erst durch den Säureaufschluss entsteht wasserlösliches, pflanzenverfügbares Calciumdihydrogenphosphat.

Der wichtigste Rohstoff für die Phosphatindustrie ist die Phosphorsäure, mit der nicht nur Düngemittel wie TripleSuperphosphat oder Ammoniumphosphat hergestellt werden, sondern auch Calcium- und Natriumphosphate für Futtermittel und Lebensmittel, so wie Industriephosphate wie Beiz- und Korrosionsschutzmittel für die Oberflächenbehandlung von Metallen.

Asche und Säure

In Klärschlammaschen liegen die Phosphate als Ca-, Al- oder Fe-Phosphat vor und lassen sich grundsätzlich in Mineralsäure lösen. Ausführliche Untersuchungen sind zum Beispiel im Zusammenhang mit der PASCH-Studie erfolgt und 2007 veröffentlicht worden [4]. Hier wird unter anderem das Löseverhalten von Asche in Säuren beschrieben.

Die Methode: 25 g Asche wird bei 30 °C für 90 Minuten in 125 g Mineralsäure eluiert. Die unlösliche Fraktion wird filtriert, mit Wasser gewaschen und der Feststoff analysiert. Somit kann die Phosphat-Rücklösung berechnet werden:

> mit 8 prozentiger HCl = 94 Prozent P-Rücklösung,

> mit 8 prozentiger H2SO4 = 92 Prozent P-Rücklösung oder

> mit 8 prozentiger H3PO4 = 57 Prozent P-Rücklösung.

Grundsätzlich ist die Phosphatrücklösung von Aschen aus der Mono-Klärschlammverbrennung erstaunlich hoch. Aus rein chemischer Sicht stellt sich die Frage, warum insbesondere Phosphate, die in der Kläranlage in Form von Eisenphosphaten ausgefällt werden, in der Asche säurelöslich sind. FePO4 weist diese Eigenschaft eigentlich nicht (oder nur in sehr geringem Anteil) auf. Aus eigenen Untersuchungen geht aber hervor, dass im Laufe des Verbrennungsprozesses, der bei heutigen Monoklärschlammverbrennungsanlagen in Wirbelschichtöfen mit einem deutlichen Sauerstoffüberschuss gefahren wird, eine Umkristallisation der Eisen- in Calciumphosphate erfolgt. Erst dieser Prozess macht eine Säureelution der Phosphate aus Aschen in ausreichender Menge möglich.

Das Remondis TetraPhos-Prinzip. Bild: Remondis

Das Remondis TetraPhos-Prinzip. Bild: Remondis

 

Gemeinsam mit den Phosphaten werden bei der Elution auch Calcium (>90 Prozent), Magnesium (etwa 65 Prozent), Eisen (etwa 9 Prozent), Aluminium (etwa 55 Prozent) und Schwermetalle rückgelöst. Um die in der Säure gelösten Phosphate nun in den Wertstoffkreislauf zurückführen zu können, sind sehr aufwändige Reinigungsschritte erforderlich, die bisher die Wirtschaftlichkeit der Verfahren maßgeblich verschlechtert haben. Hinzu kommt, dass das gelöste Phosphat nur mit großem Aufwand aus der unreinen Säure als zum Beispiel Calciumphosphat gewonnen werden kann.

Eine weitere Herausforderung ist der hohe Säureverbrauch. Für hochgerechnet 300 000 Tonnen Klärschlammasche (die zurzeit jährlich etwa in Deutschland erzeugt werden) bedeutet dies ein Säureverbrauch von zum Beispiel 120 000 Mg HCl/100 prozentig = rund 360 000 Mg HCl/33 prozentig. Entsprechend hoch wäre die Rückbelastung mit Chloriden beziehungsweise der Anfall chloridhaltiger Reststoffe. Alle Mengen wären um den Faktor > 3 höher, wenn alle Klärschlämme in Deutschland durch Monoverbrennung verascht und mit Säure eluiert würden. Der Säurebedarf würde die derzeitige Säureproduktionskapazität übertreffen. Eine ähnliche Problematik stellt sich beim Einsatz von Schwefelsäure dar.

Das Remondis TetraPhos- Verfahren

Das Prinzip des neuen Verfahrens ist, Klärschlammasche in verdünnter Phosphorsäure zu eluieren und die gewonnene Roh-Säure in vier Schritten so zu reinigen, dass die Rein-Säure einerseits als Aufschluss-Säure „im Kreis“ gefahren, andererseits als hochwertige RePacid-Phosphorsäure vermarktet werden kann. Unter Beachtung einer ausreichenden Konzentration des Elutionsmittels Phosphorsäure (Säurestärke, pKs-Wert) und einer sehr kurzen Elutionszeit kann auch mit Phosphorsäure eine Elution der Phosphate von cirka 90 Prozent erreicht werden. Zusätzlich können Schwermetalle durch speziell entwickelte Additive im Filterkuchen zurückgehalten werden.

> Schritt 1:

Asche wird in einem Reaktor mit verdünnter Phosphorsäure gemischt. Dabei lösen sich die Phosphate bereits innerhalb kurzer Zeit fast vollständig auf. Nach der Elution wird der unlösliche Anteil der Asche (etwa 50 Prozent) abfiltriert. Das Filtrat ist die Roh-Phosphorsäure. Der gewaschene Filterkuchen ist stichfest und wird deponiert (in der Regel Deponieklasse 1 oder 2).

> Schritt 2:

Das aus der Asche gelöste Calcium (10g bis 20g Ca/l Säure) wird durch Zugabe von Schwefelsäure aus der Roh-Phosphorsäure präzipitiert. Es bildet sich Calciumsulfat, das als Gips aus der Phosphorsäure abfiltriert wird. Zusätzlich wird mit den H-Ionen der Schwefelsäure durch Protolyse Phosphorsäure gebildet: Ca(H2PO4)2  +  H2SO4  =   CaSO4  + 2H3PO4

Insofern sind die H-Ionen der Schwefelsäure (H+) die eigentliche „Wirksubstanz“, mit der aus dem Phosphat (PO43-) der Asche Phosphorsäure (H3PO4) entsteht. Der gewaschene Gips wird ähnlich wie REA-Gips aus Rauchgasentschwefelungsanlagen als Baustoff verwertet.

> Schritt 3:

Mit Hilfe von speziellen, sehr selektiven Ionentauscherharzen werden die restlichen Metalle wie Magnesium, Aluminium und Eisen entfernt. Durch Regeneration der Ionentauscherharze mit Säure (HCl, HNO3 oder H2SO4) entsteht eine Metallsalzlösung, die wieder zur Phosphatfällung in Kläranlagen eingesetzt wird. Insofern wird durch das mehrstufige, neue Verfahren nicht nur Phosphat als Phosphorsäure zurückgewonnen, sondern auch Calcium als Gips und Aluminium und Eisen als Metallsalz-Lösung.

> Schritt 4:

In einer Endstufe wird die metallarme Rohphosphorsäure auf RePacid-Qualität gereinigt und durch Vakuumverdampfung auf etwa 75 Prozent konzentriert. Die erzeugte Phosphorsäure-Qualität ist erheblich reiner als die MGA-Säure, die traditionell bisher zur Herstellung von schwermetallhaltigen Düngemitteln verwendet wird.

Das neue Verfahren zur Rückgewinnung von Phosphaten ist von Chemikern der Remondis Aqua in den Forschungslabors der UCL Umwelt Control in Lünen entwickelt und in einer Technikumsanlage der Eurawasser Nord GmbH in Rostock bis zur Betriebsreife optimiert worden.

Insgesamt wurden Aschen aus fünf Klärschlammverbrennungsanlagen mit unterschiedlicher Zusammensetzung getestet.

Die Unterschiede bei der Zusammensetzung dieser Aschen bestanden vor allem darin, dass durch den Einsatz von eisen- beziehungsweise aluminiumhaltigen Fällmitteln die Konzentrationen dieser Metalle in den Aschen deutlich abweichen.

Durch Optimierung der Elutionsbedingungen (zum Beispiel Elutionszeit, Säurekonzentration) sind mit allen Aschen Phosphat-Rückgewinnungsraten von etwa 90 Prozent erzielt worden, so dass sich eine gute Wirtschaftlichkeit des Verfahrens darstellen lässt. Aus 10 000 Mg Asche pro Jahr mit einem Phosphatgehalt von 10 Prozent P entstehen bei einer P-Ausbeute von 90 Prozent pro Jahr etwa 3 800 Mg 75-prozentige Phosphorsäure. Zusätzlich können die bei der Phosphat-Fällung in der Kläranlage eingesetzten Fällungschemikalien durch die im Verfahren entstehenden Eisen- beziehungsweise Aluminiumsalze zu einem erheblichen Teil substituiert werden.

Integration des Remondis TetraPhos-Verfahrens in die kommunale Abwasserreinigung. Bild: Remondis

Integration des Remondis TetraPhos-Verfahrens in die kommunale Abwasserreinigung. Bild: Remondis

 

Fazit

Das Remondis TetraPhos-Verfahren wird im Frühjahr 2015 in einer Pilotanlage im Hamburger Klärwerk Köhlbrandhöft in Zusammenarbeit mit Hamburg Wasser getestet.

Mit dem Remondis TetraPhos-Verfahren lässt sich aus Klärschlammasche auf relativ einfache Weise reine Phosphorsäure gewinnen, indem die Asche mit verdünnter Phosphorsäure zunächst eluiert und das Eluat in vier Stufen gereinigt wird. Das Verfahren ist durch Kreislaufführung der erzeugten Phosphorsäure sehr wirtschaftlich, wobei zusätzlich Metallsalze von Aluminium und Eisen als Fällungsmittel für die simultane Phosphatfällung in Kläranlagen zurückgewonnen werden. Die gewonnene Phosphorsäure ist frei von Schwermetallen und so prädestiniert zur Herstellung von Futtermitteln (DCP und MCP = Calciumphosphate) und reinen Düngemitteln. Mit dem Verfahren schließt sich der Stoff- und Wirtschaftskreislauf für Phosphor erstmalig insgesamt und nachhaltig.

Literatur

[1]  Pinnekamp, J.; Weinfurtner, K.; Satorius, Ch.; Gäth, St.; u.a.: Phosphorrecycling – Ökologische und wirtschaftliche Bewertung verschiedener Verfahren und Entwicklungen eines strategischen Verwertungskonzeptes für Deutschland (PhoBe). Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, Abschlussbericht 2011.

[2]  Lebek, M.; Ristow, R.; u.a.: Phosphorrückgewinnung aus industriellen Abwässern, das RePhos-Verfahren; GWF Wasser/Abwasser 09/2009

[[3]  Krüger, O.; Adam, Ch.: Monitoring von Klärschlammmonoverbrennungsaschen hinsichtlich ihrer Zusammensetzung zur Ermittlung ihrer Rohstoffrückgewinnungspotentiale und zur Erstellung von Referenzmaterial für die Überwachungsanalytik; Abschlussbericht im Auftrag des Umweltbundesamtes, Februar 2014

[4]  Montag, D.; Doetsch, P.; Pinnekamp, J.; u.a.: Rückgewinnung von Pflanzennährstoffen, insbesondere Phosphor aus der Asche von Klärschlamm; Abschlussbericht PASCH 2010.

Von Martin Lebek, Josef Lehmkuhl, Sabina Lohmar & Andreas Rak

Dr. Martin Lebek, Dipl.-Ing. Sabrina Lohmar, Dipl-Ing. M.Sc. Andreas Rak, alle Remondis Aqua GmbH & Co. KG, Lünen; Josef Lehmkuhl, Remondis Senior Consultant; info@Remondis-aqua.de