Ozean-Plastik für Laptops und Smartphones
Kunststoffabfälle, die in Entwicklungsländern in der Umwelt oder in Meeren landen, lassen sich hochwertig etwa in Laptops einsetzen. Dies zeigen zwei Unternehmen: ein kanadischer Hersteller technischer Polymere und ein Schweizer Chemikalienspezialist für Flammschutzmittel.

In Port-au-Prince, der Hauptstadt von Haiti, werden PET-Flaschen zum Recyceln eingesammelt.
Foto: HP
Mehr als acht Millionen Tonnen Kunststoff gelangen derzeit jährlich in die Weltmeere. Diese Rohstoffquelle sollte genutzt werden, bevor sie in die Ozeane gelangen. Das Unternehmen Lavergne aus Montreal, Kanada, hat daher 2018 beschlossen, halogenfreie flammgeschützte Kunststoffe für elektrische Geräte auf Basis von gesammelten Kunststoffabfällen herzustellen.
Lavergne hatte Kunststoffabfälle im Blick, die Gefahr laufen, im Ozean zu landen und zu „ocean-bound plastics“ (OBP) zu werden. Dem Unternehmen ging es im wesentlichen um Einweg-Getränkeflaschen aus Polyethylenterephthalat (PET). „Lavergne ist der richtige Ort für diese Abfälle, nicht die Ozeane“, sagt Davood Bagheri, Polymerwissenschaftler bei Lavergne aus Montreal. Unterstützt vom IT-Konzern Hewlett Packard (HP) werden in Haiti diese Plastikflaschen gesammelt.
PET – gerettet vor dem Meer
Dieses gereinigte und recycelte PET darf nicht direkt in Elektro- und Elektronikgeräten eingesetzt werden. Sicherheits-Standards für Computer, wie die Norm IEC 62368–1 der Internationalen Elektrotechnische Kommission (von englisch „International Electrotechnical Commission“, kurz IEC) mit Sitz in Genf, schreiben vor, dass bestimmte Teile nicht leicht entflammbar sein dürfen. Die entsprechenden Kunststoffteile werden daher flammgeschützt. Hier beginnt die Zusammenarbeit mit dem Schweizer Chemikalienspezialisten Clariant aus Muttenz, östlich von Basel.
Halogenfreie Flammhemmer …
Es hat sich gezeigt, dass Flammschutzmittel aus Clariants Produktgruppe der Phosphinate dafür geeignet sind. Deren Markenname lautet Exolit OP. Diese Phosphinate sind halogenfrei und basieren auf dem Aluminiumsalz der Diethylphosphinsäure. Diese Substanz kann Smartphones oder Laptops effektiv gegen Entzündung zum Beispiel durch Überhitzen schützen. Wie phosphorbasierte Flammschutzmittel generell fördern auch die Phosphinate die Ausbildung einer verkohlten Oberflächenschicht auf dem Kunststoff. Dadurch wird der weitere Sauerstoffzutritt und auch die weitere thermische Zersetzung des Kunststoffs verhindert. Außerdem werden Phosphor-Spezies in die Gasphase freigesetzt, die chemische Reaktionen in der Flamme behindern.
… und wiederverwertbare Flammhemmer
Clariant betont zudem, dass sich Exolit OP-Produkte gut für diverse Recyclingprozesse eignen, da die Kunststoffe dabei ihre Flammschutzeigenschaften nicht verlieren. „Mit dem Einsatz der halogenfreien Flammschutzmittel in den recycelten OBP-Blends ist es beiden Unternehmen gelungen, das kommerzielle Potenzial der Nachhaltigkeit zu nutzen“, glaubt Subra Narayan, Clariants Technical Market Manager für Flammschutzmittel in Nordamerika. Für ihn ist dieses Projekt ein Beleg für das Engagement, nachhaltige Zusatzstoffe zu entwickeln, die dazu beitragen können, Kunststoffe in eine ressourceneffizientere Kreislaufwirtschaft zu überführen
Lange Suche nach der richtigen Mischung
Doch das war nicht einfach: Die Entwicklung der richtigen Flammschutzmittelformulierung für das erste Plastik, das in Haiti vor dem Meer gerettet wurde, brauchte Zeit. Fachleute von Clariant und Lavergne beschäftigte dies mehr als ein Jahr intensiv. Das Ergebnis – der flammhemmende Kunststoff „Lavergne VYPET OBR-FR“ – stellte sie jedoch zufrieden. Er hat eine Glasfaserverstärkung von 30 % und erfüllt mit einer Wanddicke von bis zu 0,8 Millimeter die Vorgaben der höchste Stufe der Norm „UL94 zur Brennbarkeit von Kunststoffen für Teile in Geräten und Anwendungen“ der Underwriters Laboratories (UL) mit Hauptsitz in den USA. Der Kunststoff gilt damit als flammwidrig.
Ozean-Plastik erhältlich
Dieser Kunststoff eignet sich damit für viele Elektro- und Elektronikkunststoffanwendungen. Und nach erfolgreichen Spritzgießversuchen bei mehreren Verarbeitern wird das voll recycelbare OBP-basierte Compound bereits in Montreal hergestellt. Es ist im Maßstab von mehreren hundert Tonnen lieferbar.
www.clariant.com & www.lavergne.ca