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Kreislaufwirtschaft 23.01.2023, 07:00 Uhr

Nachhaltigkeit: Dünger aus Toiletten bewährt sich im Praxiseinsatz

Stuhl und Urin sind wertvolle Rohstoffe für Dünger. Sie könnten kommerzielle Produkte zumindest in Teilen ersetzen, fanden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus.

Kunstdünger

Gehört Kunstdünger bald der Vergangenheit an? Das hoffen Forschende aus Deutschland.

Foto: Panthermedia.net/weerapat

Um die Klimakrise und die Umweltverschmutzung zu bekämpfen, gehört die Kreislaufwirtschaft zu den wichtigsten Strategien. Nachhaltige Ansätze sind gefragter denn je, auch bei der Düngung. Stickstoffhaltige Kunstdünger werden mit großem energetischem Aufwand hergestellt. Andere Bestandteile gehen auf mineralische Vorkommen zurück: keine nachhaltigen Strategien. Doch Forschende sehen durchaus Alternativen. Die meisten Nährstoffe, die für das Pflanzenwachstum benötigt werden, kommen in menschlichem Urin und in Fäkalien vor. Urin ist reich an Stickstoff und Kalium; er enthält außerdem Spuren von Bor, Zink und Eisen. Fäkalien wiederum könnten Phosphor, Kalzium und Magnesium oder organischen Kohlenstoff für die Böden liefern.

Eine neue Studie hat nun ergeben, dass moderne „grüne“ Produkte, die aus menschlichen Ausscheidungen hergestellt werden, hervorragende – und vor allem sichere – Düngemittel für die Landwirtschaft sind. „Wir zeigen hier, dass Produkte, die aus dem Recycling von menschlichem Urin und Fäkalien gewonnen werden, brauchbare und sichere Stickstoffdünger für den Kohlanbau sind“, sagt Franziska Häfner. Sie ist Doktorandin an der Universität Hohenheim, Stuttgart. Häfner betont: „Düngemittel aus nitrifiziertem menschlichem Urin erbrachten ähnliche Erträge wie ein herkömmliches Düngemittelprodukt und wiesen kein Risiko hinsichtlich der Übertragung von Krankheitserregern oder Arzneimitteln auf.“

Phosphatdünger aus Klärschlamm

Erstmals Praxisdaten zu Düngern aus Fäkalien

Die Idee, aufbereiteten Urin und Stuhl aus Toiletten als Dünger einzusetzen, ist nicht neu. Nur fehlten bislang Daten aus der Praxis. Deshalb verglichen Häfner und ihre Kolleginnen beziehungsweise Kollegen den Ertrag von Weißkohl unter verschiedenen Bedingungen. Sie kultivierten das Gemüse zwischen Juni und Oktober auf Parzellen mit sandigen oder lehmigen Böden sowie auf Schluff. Schluffböden sind fruchtbar, neigen aber zur Verdichtung. Sie kommen häufig in Küstennähe oder an den Unterläufen von Flüssen vor. Die Forschende reicherten die verschiedenen Böden mit Düngemitteln an, die aus menschlichen Exkrementen bestanden. Als Vergleichsdünger verwendeten sie handelsübliche Vinasse: einen organischen Dünger, der durch Vergärung von Biomasserückständen im Rahmen der Produktion von Bioethanol gewonnen wird. Sie testeten auch zwei nitrifizierte Urindünger, also Produkte, die nur aus menschlichem Urin synthetisiert werden. Dabei wandeln Mikroben stickstoffhaltige Verbindungen aus dem Urin in Ammonium- und Nitrat-Salze um.

Als nitrifizierte Urindünger kamen das bereits in der Schweiz, Liechtenstein und Österreich erhältliche Aurin und das experimentelle Produkt CROP (combined regenerative organic food production) zum Einsatz. CROP wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt entwickelt, um Abwässer auf Mond- oder Marsbasen zu recyceln. Der marktfähige Ertrag, definiert als der Teil des Kohls, der verkauft werden kann, schwankte zwischen 35 bis 72 Tonnen pro Hektar. Dieser Ertrag war am höchsten bei Parzellen, die mit Aurin, CROP oder Vinasse gedüngt wurden und am niedrigsten (zwischen 20% und 45% niedriger, je nach Bodenart) bei Parzellen, die nur mit Fäkalienkompost gedüngt wurden. Dazwischen lag Fäkalienkompost, der mit nitrifiziertem Urindünger angereichert worden war.

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Nur wenige Chemikalien im Dünger aus Toiletten nachweisbar

Vom Ertrag zur Sicherheit. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten den Fäkalienkompost auf 310 häufig vorkommende Chemikalien, von Arzneimitteln bis hin zu Gummizusätzen, Flammschutzmitteln, UV-Filtern aus Sonnenschutz, Korrosionsschutzmitteln oder Wirkstoffen zur Abwehr von Insekten. Nur 6,5% dieser Substanzen waren im Düngemittel oberhalb der Nachweisgrenze vorhanden, wenn auch in geringen Konzentrationen, darunter elf Pharmaka.

In den Kohlköpfen selbst fand das Team das Schmerzmittel Ibuprofen und den krampflösenden Wirkstoff Carbamazepin, wenn auch in niedrigen Konzentrationen zwischen 1,05 und 2,8 Mikrogramm pro Kilogramm Gemüse. „Damit scheint das Risiko für die menschliche Gesundheit durch Pharmaka, die über Fäkalienkompost in das Lebensmittelsystem gelangen, gering zu sein“, schlussfolgern die Forschenden.

Dünger aus Toiletten: Potenzial für die Anwendung

Damit steht der Anwendung nichts mehr im Wege. „Bei richtiger Aufbereitung und Qualitätskontrolle könnten in Deutschland bis zu 25% der herkömmlichen synthetischen Mineraldünger durch Recyclingdünger aus menschlichem Urin und Fäkalien ersetzt werden“, sagt Ariane Krause, Wissenschaftlerin am IGZ – Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau, Großbeeren. „Zusammen mit einer Agrarwende, die eine Verringerung der Tierhaltung und des Futterpflanzenanbaus vorsieht, wäre noch weniger synthetischer Dünger nötig, was auch zu einem geringeren Verbrauch an Erdgas führen könnte.“

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Von Michael van den Heuvel