Green Electronics 01.02.2021, 07:00 Uhr

Durchbruch: So lässt sich biologisch abbaubare Elektronik herstellen

Die Berge mit Elektroschrott wachsen, und innovative Lösungen sind gefragt. Forschern ist es jetzt gelungen, kompostierbare Anzeigen und biologisch abbaubare Schaltkreise herzustellen.

Biologisch abbaubare Schaltkreise und Displays könnten dazu beitragen, Berge mit Elektroschrott zu verringern. 
Foto: Panthermedia.net/uroszunic

Biologisch abbaubare Schaltkreise und Displays könnten dazu beitragen, Berge mit Elektroschrott zu verringern.

Foto: Panthermedia.net/uroszunic

In allen Ländern häufen sich Berge von Elektroschrott an. US-amerikanischen Analysen zufolge wurden 2019 rund 53,6 Millionen Tonnen Altelektronik erzeugt – ein Rekordwert. Das entspricht plus neun Millionen Tonnen innerhalb von fünf Jahren. Keine andere Müllfraktion erlebt ein derartig rasantes Wachstum. Nur 17% des weltweit anfallenden Elektroschrotts wird gesammelt und umweltgerecht aufgearbeitet. Oft landen giftige Schwermetalle in der Umwelt.

Eine Trendwende beim Verbrauch zeichnet sich nicht ab. In Zukunft ist damit zu rechnen, dass mehr und mehr elektronische Geräte in Verbrauchsmaterialien eingebaut werden. Wearables gelten als großer Trend zur Erfassung von Vitalparametern beim Sport oder bei Menschen mit Erkrankungen. Auch das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) wird zum Einsatz steigender Ressourcen führen. Dabei vernetzen Ingenieure virtuelle und physische Objekte miteinander.

Um Ressourcen zu schonen und Abfallmengen zu verringern, eignen sich diverse Strategien. Elektronische Komponenten sollten einen längeren Lebenszyklus als bisher aufweisen. Außerdem muss ihre Herstellung nachhaltiger und umweltfreundlicher werden. Wie Green Electronics funktionieren könnte, zeigen Ingenieure des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Sie haben biologisch abbaubare Displays für elektronische Geräte hergestellt.

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Erfolgreicher Einsatz elektrochromer Displays

Die Forscher arbeiten mit einem Trick. Grundlage ihrer Innovation sind keine bekannten Komponenten wie LEDs, LCDs oder E-Paper-Displays, denn deren Energieverbrauch wäre für viele Anwendungen zu hoch. Außerdem gestaltet sich die Herstellung als zu aufwändig. Zum Einsatz kommen vielmehr elektrochrome Displays. Elektrochromie beschreibt die Fähigkeit von Materialien, bei einem von außen angelegtem elektrischem Feld ihre optischen Eigenschaften zu verändern. Das gilt für verschiedene Metalloxide und für elektrisch leitfähige Polymere.

Die Methode hat noch einen weiteren Vorteil. Strukturen lassen sich schnell und preisgünstig über Tintenstrahl-Technologien herstellen. Solche maßgeschneiderten Lösungen sparen Energie und Material. Bei Bedarf können auch große Chargen in kurzer Zeit produziert werden. Verwendet man nur Materialien biologischen Ursprungs und versiegelt die Oberfläche mit Gelatine, entstehen biologisch abbaubare Displays. Sie sind auch biokompatibel und können direkt auf der Haut getragen werden.

Vor allem im Krankenhaus, wo Hygiene eine große Rolle spielt, verbessern biologisch abbaubare Komponenten den ökologischen Fußabdruck deutlich. Das gilt auch für Einweg-Gebinde bei Lebensmitteln. Nach dem Gebrauch lassen sich Displays zusammen mit der Packung einfach kompostieren. „Mit unserer Entwicklung konnten wir zum ersten Mal zeigen, dass es möglich ist, nachhaltige Displays aus überwiegend natürlichen Materialien mithilfe industriell relevanter Fertigungsmethoden herzustellen“, fasst Manuel Pietsch vom KIT zusammen. Nach dem Ende ihres Gebrauchs seien sie eben kein Elektroschrott.

Biologisch abbaubare Schaltkreise drucken

Shweta Agarwala von Universität Aarhus hat sich ähnliche Ziele gesteckt. Sie arbeitet an der Schnittstelle von Nanotechnologie, Elektronik und additiver Fertigung. Bereits früher hat die Forscherin Funktionstinten entwickelt, mit denen man Schaltkreise auf verschiedenen flexiblen Substraten wie Textilien, Papier, Biomaterialien oder Kunststoff drucken kann.

„In einem weiteren Projekt werde ich die Architektur eines Polymers verändern, um ein neuartiges, abstimmbares Material zu schaffen, das biologisch abbaubar ist“, berichtet Agarwala. „Obwohl einige Arbeiten an biologisch abbaubaren Substraten durchgeführt wurden, ist die Synthese von biologisch abbaubaren Leitern und Halbleitern neu.“ Ihr Ziel ist, die elektrochemischen Eigenschaften genau zu steuern. „Ich denke, es ist höchste Zeit, Lösungen zu entwickeln, um die klassischen Materialien wie Silizium und Germanium in elektrischen Bauteilen durch neue biologisch abbaubare Materialien zu ersetzen“, sagt die Materialwissenschaftlerin. „Der 3D-Druck ist hier von größter Bedeutung, da er solche Lösungen ermöglicht zu einem späteren Zeitpunkt leicht in die Industrie zu integrieren.“

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Strategien für konventionellen Elektroschrott

Das allein wird nicht ausreichen, solange normaler Elektroschrott entsteht. Mittlerweile haben viele Hersteller Recycling- und Wiederverwendungsprozesse perfektioniert. Verbraucher können ihre alten Handys, Computer und Heimelektronik-Geräte einfach abgeben. Das schont die Umwelt und sichert wertvolle Ressourcen.

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Von Michael van den Heuvel