Prävention chemischer Risiken 01.03.2015, 00:00 Uhr

Umgang mit Desinfektionsmitteln im Gesundheitswesen

Quelle: PantherMedia / NikolajT

Quelle: PantherMedia / NikolajT

In Einrichtungen des Gesundheitswesens werden Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt, deren Umfang und Intensität sich nach der jeweils bestehenden Infektionsgefahr richten. Die Hygieneverantwortlichen müssen in den Fällen der Hände- und Hautdesinfektion, der Flächendesinfektion und der Desinfektion von Instrumenten und Geräten regelmäßig auf chemische Desinfektionsmittel zurückgreifen, um die notwendige Reduzierung der Infek­tionslast zu erreichen. Dies bringt aber andere Gefährdungen mit sich, die von den schädigenden Eigenschaften der Desinfektionsmittelinhaltstoffe ausgehen und bei den diversen Desinfektionsverfahren auf die Beschäftigten einwirken können. Daher ist jeder Arbeitgeber verpflichtet, vor dem Einsatz chemischer Stoffe oder Produkte eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Somit sind die Expositionen am betroffenen Arbeitsplatz zu ermitteln, die daraus resultierenden Gefährdungen für die Beschäftigten zu beurteilen und die notwendigen Schutzmaßnahmen festzulegen.

Desinfektionsmittel bestehen in der Regel aus einem oder mehreren desinfizierenden Wirkstoffen, aus Lösungsvermittlern, Tensiden, Schaumregulatoren oder auch Duftstoffen. Marktrecherchen belegten in den letzten Jahren für Deutschland ein Angebot von mehr als 1 000 Desinfektionsmitteln, die diverse Gefährdungen aufwiesen: Sie waren reizend, ätzend, leicht oder hoch entzündlich, gesundheitsschädlich oder haut- bzw. atemwegssensibilisierend.

Im Unfall- und Berufskrankheitengeschehen spielen chemische Produkte bei meldepflichtigen Arbeitsunfällen im Gesundheitswesen nur eine untergeordnete Rolle. Dies gilt ebenso für Berufskrankheiten (BK) durch gefährliche chemische Stoffe wie Benzol, Schwermetalle, aromatische Amine oder Asbest. Die Verdachtsmeldungen machen hier nur ca. 1 % aller Verdachtsmeldungen auf Vorliegen einer BK aus. Hauterkrankungen stellen den Schwerpunkt im BK-Geschehen dar [1]. Viele Hauterkrankungen (BK Nr. 5101) und Atemwegserkrankungen (BK Nr. 4301 und 4302) können mit chemischen Produkten wie Reinigungs- und Desinfektionsmittel in Verbindung gebracht werden.

Praktiker in den gesundheitsdienstlichen Berufen benötigen angesichts der Fülle der angebotenen Desinfektionsmittel und der daraus resultierenden Gefährdungen Hilfen zur Durchführung der notwendigen Gefährdungsbeurteilungen. Dies hat die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) in Hamburg, die schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) in Luzern und das französische Institut de Recherche et de Sécurité (INRS) in Paris dazu veranlasst, das Thema der Prävention chemischer Risiken bei Desinfektionsarbeiten im Gesundheitswesen zu analysieren, zu diskutieren und zu einem gemeinsamen Standpunkt zusammenzuführen.

Die Diskussion erfolgte im Rahmen einer Arbeitsgruppe „Chemische Risiken“ der Sektion Gesundheitswesen der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS), in der die genannten Institutionen vertreten waren. Dabei fand auch eine Kooperation mit der Arbeitsgruppe „Infek­tionsrisiken“ der gleichen Sektion statt, die für die Zielgruppe (siehe unten) die Prinzipien der Desinfektion (Factsheet 1) zusammengefasst hat.

Die Arbeitsergebnisse stehen in einer Reihe von „Fact­sheets“ mit folgenden Themen zur Verfügung:

 Factsheet 1: Prinzipien der Desinfektion,

 Factsheet 2: Prinzipien der Prävention,

 Factsheet 3: Gefahren chemischer Desinfektionsmittel,

 Factsheet 4: Auswahl sicherer Desinfektionsmittel,

 Factsheet 5: Flächendesinfektion,

 Factsheet 6: Instrumentendesinfektion,

 Factsheet 7: Hände- und Hautdesinfektion,

 Factsheet 8: Besondere Verfahren (Räume, Geräte,

Wäsche).

Jedes Factsheet ist für sich lesbar und enthält alle wesent­lichen Informationen zu dem angesprochenen Themenkreis. Es wendet sich an Verantwortliche in Einrichtungen, die Desinfektionsarbeiten organisieren und durchführen, an Arbeitsmediziner und andere Fachleute der Arbeitssicherheit, z. B. Arbeitshygieniker, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, aber auch an Beschäftigte und betriebliche Personalvertretungen.

Die Factsheets wurden in den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch erstellt. Sie enthalten viele Hintergrundinformationen über einzelne Desinfektionsmittelwirkstoffe und Wirkstoffgruppen. Schutzmaßnahmenkonzepte wurden insbesondere für die beschriebenen Desinfektionsverfahren systematisch zusammengestellt. Die deutschsprachigen Factsheets können unter anderem über die Internetseiten der beteiligten Institutionen BGW und Suva kostenlos als pdf-Dateien heruntergeladen werden, in Deutschland unter der Adresse www.bgw-online.de (Schlagwörter: Desinfektion, Factsheets, IVSS).

Literatur

  1. Halsen, G.; Wegscheider, W.; Heinemann, A.; Eickmann, U.: Gefahrstoffe in der medizinischen Praxis. Gefährdungen und Schutzmaßnahmen. Arzneimittel-, Therapie-Kritik & Medizin und Umwelt 46 (2014) Nr. 4, S. 379.
Von U. Eickmann, G. Halsen, B. Merz

Prof. Dr.-Ing. Udo Eickmann, Dr. rer. nat. Gabriele Halsen, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), Köln. Dr. med. Brigitte Merz, Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Luzern, Schweiz.