Additive Fertigung beschleunigt digitale Prozesse 01.01.2019, 00:00 Uhr

3D-Druck verändert auch die Produktionslogistik

Eine aktuelle Umfrage des Digitalverbands Bitkom bestätigt, dass heute mehr als jedes vierte Industrieunternehmen auf 3D-Druck setzt. Die Möglichkeit, Prothesen oder sogar menschliche Organe zu drucken, zeigt das Potenzial der additiven Fertigung . Diese Technologie kann ganze Branchen revolutionieren. Aber auch die Wertschöpfungskette an sich wird sich durch den 3D-Druck maßgeblich verändern. Durch die neuen Produktionsansätze der Industrie 4.0 ist es möglich, eine digitale Lieferkette zu schaffen – so entstehen vernetzte Workflows über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg.

Der digitale Wandel revolutioniert die Produktion und verändert auch logistische Prozesse. Bild: Protolabs

Der digitale Wandel revolutioniert die Produktion und verändert auch logistische Prozesse. Bild: Protolabs

Die additive Fertigung ist ein Verfahren zur Herstellung dreidimensionaler Gegenstände, bei dem Material Schicht für Schicht aufgetragen wird. Anhand spezieller Fertigungsverfahren werden verschiedene Materialien wie Kunststoff oder Metall in handelsüblicher Qualität geklebt, geschmolzen und gebacken. 3D-Druck-Technologien kommen besonders dort zum Einsatz, wo traditionelle Fertigungsmethoden an ihre Grenzen stoßen. Das zeigt sich beispielsweise bei der Produktion von komplexen Geometrien oder bei Produkten mit unterschiedlichen Komponenten-Eigenschaften. Mit modernen Fertigungsprozessen wird für die Produktion eines komplexeren Produktes beispielsweise nicht mehr Zeit benötigt als für ein weniger komplexes. Vor allem für die Industrie ist dieses Produktionsverfahren sehr wichtig, denn durch die kurzen Produktionszeiten können Prototypen und Produktionsteile in Kleinserien in sehr kurzer Zeit hergestellt werden. Dabei ist das Zusammenspiel von Entwicklung, Produktion, Qualitätsmanagement, Einkauf und Logistik ausschlaggebend dafür, in welcher Geschwindigkeit ein Produkt hergestellt und auf den Markt gebracht werden kann.

Werkzeuglose Fertigung

Ein großer Unterschied zu den bisherigen Fertigungsverfahren ist, dass die additive Fertigung werkzeuglos erfolgt und kein besonderes Set-up der Anlagen vorgenommen werden muss. Die Anlage ist sofort zur Produktion bereit, sobald eine neue Modell-Datei im System ist – und das bereits ab Losgröße 1. Somit entfällt beispielsweise die aufwendige Bestellung von verschiedenen Materialien, um die Produkte in der gewünschten Vielfalt zu produzieren. Gleichzeitig werden Abfälle vermieden, denn in additiven Produktionsverfahren kommen nur die Materialien zum Einsatz, die auch wirklich benötigt werden. Dies hat natürlich Auswirkungen auf die Entsorgungslogistik. Außerdem entfallen die Kosten für die Umstellung von Produktionsanlagen ebenso wie Lagerhaltungs- und Liegekosten.

Predictive Maintenance – Ersatzteile On-Demand

Die Schnelligkeit der Märkte und der Kundenwunsch nach individuellen Produkten erfordert immer mehr eine kurzfristige Fertigung nach Bedarf. Eine moderne On-Demand-Produktion ist komplett variabel, was sowohl die Stückzahl der zu produzierenden Teile als auch den Zeitpunkt der Herstellung angeht. In Zusammenarbeit mit modernen Anbietern additiver Verfahren kann eine solche Produktion mit nur einem Knopfdruck angestoßen werden. So lassen sich einzelne Ersatzteile oder Kleinserien nach Bedarf bestellen. Dazu benötigt das Unternehmen weder ein Fertigteillagerbestand noch muss es mit langen Produktionsvorbereitungszeiten rechnen. Außerdem verkürzt sich die Lieferkette, da die Produkte ohne Umwege direkt von einem Lieferanten, dem 3D-Druck-Unternehmen, geliefert werden. Damit wird ein Second Tier zum First Tier, der das benötigte Teil direkt liefern kann.

Lagerhaltung wird überflüssig

Der Schlüsselbegriff hierbei lautet Predictive Maintenance, denn die additive Fertigung kann als direkter Ersatzteillieferant in einem bestimmten Einsatzgebiet, z. B. in der Luft- und Raumfahrt oder in Transportfahrzeugen, dienen. Ein großes, kostenintensives Ersatzteillager ist dann nicht mehr nötig, denn die Teile werden erst unmittelbar vor dem Einsatz gefertigt. Beispielsweise ermöglichen es Sensoren im Bereich der Luftfahrt bereits, Problemfälle auf 10 000 Höhenmeter zu erkennen und diese dem Fertigungsunternehmen direkt aus dem Flugzeug zu melden. Erhält das Unternehmen die Meldung, kann es dank On-Demand-Fertigung sofort damit beginnen, Ersatzteile zu fertigen – während sich das Flugzeug noch in der Luft befindet. Durch die Schnelligkeit der Produktionsverfahren stehen die Ersatzteile direkt nach der Landung bereit und können eingebaut werden. Dadurch werden Ausfallzeiten stark reduziert.

Wertschöpfungskette verändert sich

Die digitale Wertschöpfungskette der Zukunft schafft die Möglichkeit, Ersatzteile direkt aus den inventarisierten CAD-Daten von Anlagen, Maschinen oder Fahrzeugen zu produzieren – bevor ein Ausfall überhaupt eintritt. 3D-Druck-Verfahren sind schnell und flexibel, und so kann die Zustellung von Produkten durch eine On-Demand-Fertigung exakt nach Kundenbedarf erfolgen.

Mit einfach zu bedienenden Online-Angebotssystemen wird die digitale Lieferkette heute bereits umgesetzt: Nachdem eine CAD-Datei hochgeladen wurde, findet eine automatische Machbarkeitsanalyse statt. Diese prüft die Daten und weist auf mögliche Probleme und Verbesserungsmöglichkeiten hin. Im Anschluss erhält der Anwender einen Gesamtüberblick seines Produktionsauftrags samt Kostenübersicht. Dabei sind die automatisierten Vorgänge jederzeit verfügbar und Anwender können 24/7 die Produktion in Auftrag geben, sodass sich die Zeit zwischen der abgegebenen Bestellung und der Auslieferung auf nur wenige Tage verkürzt.

Digitalisierung auf allen Unternehmensebenen

Über alle Unternehmensgrößen und -bereiche hinweg finden digitalisierte Prozesse mittlerweile Anerkennung. Auch die additive Fertigung ist Teil dieser digitalen Prozesse – und immer mehr Unternehmen erkennen die Vorteile dieser neuen Technologien. Dies ist am stetig anhaltenden Wachstum der führenden Unternehmen im 3D-Druck, aber auch an der Investitionsfreude in diesem Bereich, zu sehen.

Die aktuellen Umsatzzahlen von Protolabs bestätigen diesen Trend: Der 3D-Druck-Spezialist meldete für das Jahr 2017 einen Umsatz von 344,5 Mio. US-Dollar gegenüber 298,1 Mio. US-Dollar im Vorjahr – das ist ein Plus von 15,6 %. Das vierte Quartal 2017 erzielte den bisher höchsten Firmenumsatz von 94,2 Mio. US-Dollar, eine Steigerung um 30,2 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Insgesamt wurden 16 985 Anfragen von Produktentwicklern und Ingenieuren bearbeitet, ein Plus von 20,9 % gegenüber dem vierten Quartal in 2016.

Zusammenarbeit der Unter- nehmensbereiche erforderlich

Um mit modernen 3D-Druck-Technologien eine digitale Lieferkette zu schaffen, ist ein reibungsloses Zusammenspiel zwischen Entwicklung, Produktion, Einkauf und Logistik notwendig. Damit entstehen vernetzte Workflows über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg, die die Grundlage für den Grad der Geschwindigkeit des gesamten Unternehmens darstellen. Gefragt ist hier ein vollständiger Überblick über die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zum Endkunden – und das in enger Abstimmung mit Ingenieuren und Qualitätsprüfern.

Vor der Festlegung von Strategien sollte im Unternehmen jedoch zuerst eine Diskussion stattfinden, wie die Wertschöpfungskette angepasst werden kann, um prozessuale, aber auch wirtschaftliche Vorteile nachhaltig generieren zu können. Dabei müssen alle Vorteile der Umstellung von konventioneller Fertigung auf 3D-Druckverfahren tiefgehend analysiert werden. Außerdem sollte geklärt werden, welche Bauteile in Frage kommen und ob zunächst lediglich einzelne Prototypen benötigt werden oder ob auch spezielle Teile in Kleinserien gefragt sind. In dieser Überlegungsphase sollte ein erfahrener 3D-Druck-Dienstleister mit einbezogen werden, der nützliche Tipps und Hilfestellungen in Sachen Material, Verfahrensauswahl und Machbarkeitsanalysen gibt.

Tobias Fischer, Protolabs