So werden KI-Projekte erfolgreich
Wie Künstliche Intelligenz gewinnbringend in der Absatz- oder Beschaffungsplanung eingesetzt werden kann erläutert Dr. Stephan Algie, Business Development Manager im Aachener Softwarehaus Inform GmbH.

Künstliche Intelligenz (KI) kann zu besseren Verkaufsprognosen oder einer optimierten Beschaffungsplanung beitragen.
Foto: panthermedia.net/Khen Ho Toh
Führt Künstliche Intelligenz (KI) wirklich zu einer optimierten Beschaffungsplanung?
Häufig werde ich gefragt, ob künstliche Intelligenz (KI) wirklich zu besseren Verkaufsprognosen oder einer optimierten Beschaffungsplanung beitragen kann. Ja, das kann sie sicherlich, antworte ich dann, denn insbesondere die potenziellen Verbesserungen durch Machine-Learning-Algorithmen sind wirklich beeindruckend. Dafür müssen aber zwei wichtige Aspekte schon zu Beginn eines Projekts Beachtung finden: Zum einen müssen die Unternehmen ein gutes Gefühl für die „externen“ Treiberfaktoren entwickeln, die ihre Bedarfsplanung maßgeblich beeinflussen. Zum anderen muss ihre Logistikkette auch in der Lage sein, auf die präziseren Prognosen zukünftiger Verkäufe zu reagieren. Was bedeutet das konkret?
KI verbessert die Prognosequalität
Externe Treiberfaktoren sind digital verfügbare Informationen, die die Absätze eines Unternehmens beeinflussen. KI kann Korrelationen zwischen diesen Daten erkennen und lernen, diese zu beurteilen. Ein klassisches Beispiel dafür sind Wetterdaten. Gutes Wetter an einem Wochenende im Sommer kann dazu führen, dass der Absatz von Grillgut, Holzkohle und Eis steigt. Gerade der Verkauf von Frischeprodukten in der Lebensmittelindustrie wird immer spürbar durch das Wetter beeinflusst. KI kann hier helfen, die Prognosequalität zu verbessern, indem sie diese Daten in die Berechnung der Bedarfsplanung einbezieht. In unserem Beispiel sind durchaus 50 % verlässlichere Prognosen erzielbar als mit klassischeren Verfahren der Mustererkennung. Das bedeutet, dass sich die Abweichung des tatsächlichen Absatzes von der Prognose durch Machine Learning nochmals halbieren lässt. Gerade angesichts der Nachhaltigkeits-Diskussion und in einem Markt mit begrenzten Margen ist das ein wichtiger Aspekt. Übrigens kann KI auch lernen, Kannibalismus-Effekte zu erkennen – also die Beeinflussung von gleichartigen Artikeln untereinander. Hierzu kann sie beispielsweise anhand historischer Daten erschließen, welche Auswirkung Marketing-Aktionen für einen Artikel (Bio-Brokkoli) für ähnliche Artikel (andere Brokkoli Sorten) haben werden.
Menschliche Expertise notwendig
Doch Vorsicht! Bei der Suche nach Treiberfaktoren ist weniger oft mehr. Niemand sollte erwarten, dass eine KI, die gerade einen Internetzugang bekommen hat, direkt selbstständig zu lernen beginnt, welche Faktoren aus der großen Welt der Big Data welche Absätze auf welche Art beeinflussen werden. Stattdessen ist es von Vorteil für ein KI-Projekt, wenn die Haupttreiber bereits abgeschätzt werden können. Dazu braucht es menschliches Zutun und menschliche Expertise. So werden Wetterdaten vermutlich wenig Einfluss auf das sich langsam drehende Sortiment eines Baumarktes haben. In der Gartenabteilung kann das aber schon wieder anders aussehen. Die richtigen Faktoren zu identifizieren und digital verfügbar zu machen, um die Algorithmen damit trainieren zu können, ist der Schlüssel für ein erfolgreiches Machine-Learning-Projekt.
Ebenso wichtig wie herausfordernd ist der zweite Erfolgsfaktor: die Frage nach den Reaktionsmöglichkeiten eines Unternehmens auf eine durch KI verbesserte Prognose. Um bei unserem Wetterbeispiel zu bleiben: Die Wettervorhersage hat Stand heute nur für maximal drei Tage in der Zukunft eine wirklich gute Aussagekraft. Danach ist sie eher eine grobe Richtlinie als eine verlässliche Prognose. Das bedeutet hohe Anforderungen an eine Lieferkette, die innerhalb dieser kurzen Zeit mit den möglichen Änderungen in der Absatzplanung umgehen können muss.
KI liefert einen verlässlicheren Blick in die Zukunft
Die Ketten von Lebensmittelhändlern sind dafür normalerweise agil genug, da sie ohnehin täglich mit verderblichen Waren planen müssen. In der Regel können sie innerhalb von 24 Stunden Sortimente in ihren Filialen anpassen. Aber nicht alle Unternehmen können und müssen so schnell reagieren. Wiederbeschaffungszeiten in der Automobilindustrie oder dem technischen Handel sind durch globale Beschaffungswege oft lang. Gleichzeitig haben ihre Produkte kein Haltbarkeitsdatum und werden häufig über längere Zeit bevorratet. Abgesehen davon, dass die Bestandsführung oder gar die Berechnung von Sicherheitsbeständen nie ohne ein intelligentes Planungssystem erfolgen sollte, können KI-Algorithmen an dieser Stelle einen noch verlässlicheren Blick in die Zukunft ermöglichen, sofern die Treiberfaktoren auch Aussagen über langfristige Absatzentwicklungen liefern.
Stabile Daten sind Voraussetzung
Es gilt also: Je genauer und stabiler die Daten von Treiberfaktoren auch für die fernere Zukunft sind, desto besser sind sie auch für Logistikketten mit langfristigeren Abläufen nutzbar. Mit Machine Learning ließen sich auch Prognosen über einen größeren Planungshorizont deutlich verbessern, was sich positiv auf das Bestandsmanagement und die Lagerhaltung auswirken würde. Doch ohne die Fähigkeit, innerhalb der Logistikkette auf die Umplanungen reagieren zu können, wird ein KI-Projekt nicht den gewünschten Erfolg bringen.
Nutzen und Aufwand gegenüberstellen
Wenn Sie ein KI-Projekt in der Absatz- oder Beschaffungsplanung beginnen, sollten Sie in der Regel zunächst die beiden genannten Voraussetzungen klären. Wenn Sie die damit verbundenen Fragen positiv beantworten können, sind die Chancen auf einen attraktiven Erfolg hoch. Im Verlauf eines KI-Projekts ergeben sich jedoch noch viele weitere Fragen, die es zu beantworten gilt. Zum Beispiel, welcher KI-Algorithmus verwendet wird. Neuronale Netze sind gut, aber nicht immer die beste Wahl für alle Anwendungsbereiche. Da gibt es noch mehr. Deshalb ist es wichtig, mit dem notwendigen KI-Know-how den Nutzen von Machine-Learning-Algorithmen dem Aufwand für ein entsprechendes Projekt gegenüberstellen zu können. Für viele Belange einer verbesserten Absatz- und Beschaffungsplanung eignen sich bereits ausgereifte Optimierungssysteme. Basierend auf mathematischen Algorithmen können sie die Vorhersagegenauigkeit um ein Vielfaches erhöhen und dem Planer optimierte Bestellvorschläge liefern. Service-Level-Steigerungen auf 99 % bei gleichzeitiger Bestandsreduzierung sind hier keine Seltenheit. Das Maschinelle Lernen mit seinem ständig wachsenden Datenzugriff gibt uns die Möglichkeit, noch einen Schritt weiter zu gehen und unsere Prognosemodelle durch künstliche Intelligenz noch zukunftssicherer zu machen. Ich sehe darin ein großes Potenzial.
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