Was sich Unternehmer einfallen lassen, um den Lenker-Notstand zu beheben 01.01.2019, 00:00 Uhr

Kreative Mittel gegen den Fahrermangel

Mehr als 45 000 unbesetzte Stellen haben Logistiker und Speditionen zu beklagen. Unternehmer, Fahrlehrer und Plattform-Betreiber tun einiges, damit sich dieser Zustand zum Positiven ändert. Sie kämpfen aber nicht nur gegen den Fahrermangel, sondern vor allem gegen den negativen Ruf des Brummi-Lenkers.

Junge Menschen, die sich für den Beruf des Kraftfahrers interessieren, werden von Anfang an abgeschreckt: Denn der Zeitpunkt nach dem Hauptschulabschluss oder der mittleren Reife mit der Lehre anzufangen, ist denkbar schlecht. Der mittlere Bildungsabschluss wird mit 16 Jahren erreicht, andere Abschlüsse noch früher. Einen Lkw darf man jedoch erst mit der Volljährigkeit fahren. Ob sich das Interesse an dem Job hält, wenn man zwei Jahre darauf warten muss, hinter dem Steuer zu sitzen, ist fraglich. Um diese Lücke zumindest zu minimieren, hat sich 2017 der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) für den Lkw-Führerschein ab 17 ausgesprochen, mit Begleitung. Auch eine Verkürzung der dreijährigen Ausbildung auf zwei Jahre wird angeregt. Das Argument: Einige Kenntnisse innerhalb des Lernstoffs sind für das Führen eines normalen Lkw nicht notwendig. Besondere Qualifikationen, die etwa beim Transport von Gefahrengut benötigt werden, könnten modular als Zusatzausbildung angeboten werden.

Auch wird die Forderung laut, dass man den Einstieg von Arbeitskräften aus dem Nicht-EU-Ausland erleichtern müsse. Die Gruppe der Migranten unter den Kraftfahrern steigt zwar, doch es könnten mehr sein. „Deren Durchfallquote läge nicht bei knapp 20 %, wenn wir muttersprachliche IHK-Theorieprüfungen hätten,“ sagt Fahrschul-Inhaber Burkhard Mülln.

Fahrschul-Inhaber Burkhard Mülln glaubt, dass der erste Engpass die Fahrlehrer sind. Bild: Mülln

Fahrschul-Inhaber Burkhard Mülln glaubt, dass der erste Engpass die Fahrlehrer sind. Bild: Mülln

Viele Teilnehmer sind nach seiner Erfahrung nur bedingt belastbar oder tun sich enorm schwer mit der Sprache. Deshalb denkt der 57-Jährige zusätzlich an flankierende Maßnahmen. Das können Ehrenamtliche aus Kirchengemeinden sein, die Umschüler sozial betreuen oder ihnen Nachhilfe in Deutsch geben; aber auch Bus- und Logistikunternehmer, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Erfolg flankieren und die Kandidaten motivieren.

Außerdem sollte die Bundesagentur für Arbeit den Kraftfahrer in die Liste der Mangelberufe aufnehmen. Das, und die Abschaffung der hohen bürokratischen Hürden zur Anerkennung ausländischer Fahrerlaubnisscheine, hilft beispielsweise Geflüchteten, Kraftfahrer zu werden.

Lösung 2: Eigentlichen Mangel beheben

„Natürlich gibt es zu wenige Fahrer“, konstatiert der Fahrschul-Inhaber weiter. Allerdings sei das eigentliche Problem, Fahrlehrer zu bekommen, die potenzielle Kraftfahrer ausbilden. Um diese Fahrlehrer zu erreichen, die derzeit oft branchenfremd arbeiten, wird Mülln nicht wie branchenüblich 3 200, sondern 4 500 Euro Gehalt bezahlen. Zudem bildet er dann im Zwei-Schicht-Betrieb aus, was den Fahrlehrern kompakte und damit attraktive Arbeitszeiten ermöglicht – und die Busse und Lkw seiner Fahrschule besser auslastet. Hunderte, wenn nicht sogar tausende Migranten, meist junge, kräftige Männer, will der Fahrlehrer deshalb über die Teilqualifizierungen zu EU-Berufskraftfahrern für Bus und Lkw ausbilden. Der erste Engpass seien deshalb die Fahrlehrer, wobei Mülln aufgrund seiner Aktivitäten seit Mitte 2018 zwei weitere Fahrlehrer im Team hat. Zentrale Herausforderung für ihn sei es, die Zahl seiner Fahrlehrer von acht auf 16 zu verdoppeln, um in Schichten zu arbeiten.

Lösung 3: Fahrerlose Fahrzeuge

Die Branche diskutiert und diskutiert über autonome Systeme, die den Mangel an Berufskraftfahrern ausgleichen könnten. „Wir sind uns sicher, dass Fahrzeuge, bei denen niemand mehr am Steuer sitzt, kommen werden. Das gilt nicht nur für Pkw, sondern auch für Lastkraftwagen“, sagt Andrea Marongiu, Geschäftsführer des Verbands Spedition und Logistik.

Andrea Marongiu, Geschäftsführer des Verbands Spedition und Logistik, wartet noch auf die rechtlichen Rahmenbedingungen für fahrerlose Lkw. Bild: VSL

Andrea Marongiu, Geschäftsführer des Verbands Spedition und Logistik, wartet noch auf die rechtlichen Rahmenbedingungen für fahrerlose Lkw. Bild: VSL

Die Frage sei nur, wann die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden und die Infrastruktur, beispielsweise bei den Fahrbahnmarkierungen, passt. An der Technik werden fahrerlose Lkw jedenfalls nicht scheitern. Denn schon heute haben Testfahrten gezeigt, dass ein Brummi auf der Autobahn keinen Menschen braucht, um die Spur zu halten, das Tempo anzupassen oder vor einem Hindernis rechtzeitig abzubremsen. Auch die richtige Ausfahrt finden die Geister-Fahrzeuge problemlos, bei denen zwar keiner mehr das Lenkrad hält, aber wohl ein Mensch an Bord sein wird. Dass wir autonomen Trucks tatsächlich auf der Straße begegnen, werde allerdings noch Jahrzehnte dauern, glaubt Marongiu. Bis dahin werden wir etliche Automatisierungsschritte erleben, die dem Fahrer die Arbeit erleichtern.

Lösung 4: Fahrer mit Technik locken

Berufskraftfahrer durch fahrerlose Brummis ersetzen – das kommt Rolf Wildt von der Spedition Wildt in Ettenheim erst einmal nicht in den Sinn. Ganz im Gegenteil. Er investierte in einen hochmodernen Ausbildungs-Lkw. Hier sollen seine Auszubildenden lernen, wie sie vorausschauend und wirtschaftlich unterwegs sind. Mit 410 Pferdestärken und einem emissionsarmen Motor. Der Trucker-Traum ist mit vielen digitalen Helfern ausgestattet, die der Markt zurzeit hergibt: Notbremsassistent, Abstandswarner, Antiblockiersystem, vorausschauender Tempomat, Eco-Roll-Modus und vieles mehr. Für einen komfortablen Aufenthalt im Führerhaus sorgen zwei Liegen, eine Klimaanlage, Sitzheizung und ein Kühlschrank. Der Ausbilder Jan Bressau hat 2007 selbst bei Wildt als Auszubildender angefangen und bildet die jungen Männer, die frisch den Führerschein mitbringen, inzwischen seit sechs Jahren zu vollwertigen Kraftfahrern aus.

Lösung 5: Azubis besser vermitteln

Das neue Jobportal „Road Heroes“ will sich der Vermittlung von Fahrern und Azubis annehmen. Hier werden qualifizierte Fahrer, die vielleicht im Moment gar nicht in diesem Job arbeiten, an entsprechende Unternehmen vermittelt. Auch potenzielle Auszubildende sind nun auf der Agenda der Personalvermittler. Pascal Kremp, Geschäftsführer von Road Heroes, ist es bei einer ersten Werbeaktion in sozialen Netzwerken gelungen, „sofort 35 potenzielle Azubis mit echtem Interesse am Fahrerjob zu akquirieren“. Ob es vom Interesse bis zur Ausbildung klappt ist noch nicht klar. Ein Tropfen auf den heißen Stein wäre der junge Nachwuchs allemal, denn Überalterung ist das Problem in der Fahrerkabine. Schätzungsweise scheiden jährlich 30 000 Lkw-Fahrer aus dem Beruf aus. Dem gegenüber stehen gerade einmal 16 000 neue Fahrer pro Jahr. Angesichts dieser Entwicklung droht Deutschland laut der Initiative „FairTruck“ eine Lücke von mindestens 150 000 fehlenden Fahrern bis zum Jahr 2022.

Von Leila Haidar

Leila Haidar arbeitet als freie Journalistin in Stuttgart und schreibt über Wirtschaft, Management und Produktion in den großen deutschen Tageszeitungen sowie technischen Fachzeitschriften.