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Sono-Textilien 20.05.2025, 14:00 Uhr

Wie akustische Wellen Kleidung intelligent machen

Forschende der ETH Zürich haben eine neue Generation smarter Textilien vorgestellt, die auf akustischen Wellen und Glasfasertechnologie basieren. Im Gegensatz zu herkömmlichen Systemen, die elektronische Sensorik einsetzen, ermöglichen die sogenannten Sono-Textilien präzise, stromsparende und vielseitige Messungen – leicht, atmungsaktiv und kostengünstig. Die Anwendungen reichen von der medizinischen Überwachung bis hin zur Mensch-Maschine-Interaktion im Alltag.

Die Glasfasern sind in gleichen Abständen durch das Gewebe gewebt. Ein Sender (T) leitet akustische Wellen durch die Glasfasern, während der Empfänger die Wellen am anderen Ende misst. Foto: Yingqiang Wang/ETH Zürich

Die Glasfasern sind in gleichen Abständen durch das Gewebe gewebt. Ein Sender (T) leitet akustische Wellen durch die Glasfasern, während der Empfänger die Wellen am anderen Ende misst.

Foto: Yingqiang Wang/ETH Zürich

Stellen Sie sich Kleidung vor, die in der Lage ist, Ihre Atemfrequenz kontinuierlich zu überwachen, oder Handschuhe, die durch Ihre Bewegungen Befehle an einen Computer übermitteln. Forschende der ETH Zürich unter der Leitung von Professor Daniel Ahmed, der den Bereich Akustische Robotik für Biowissenschaften und Gesundheitswesen verantwortet, haben nun die technologischen Grundlagen für diese Vision geschaffen. Im Gegensatz zu bisherigen Entwicklungen auf dem Gebiet smarter Textilien, die typischerweise auf elektronische Sensorik setzen, verfolgen die Forschenden einen grundlegend neuen Ansatz: Sie nutzen akustische Wellen, die durch Glasfasern geleitet werden. Diese Methode ermögliche laut dem Forschungsteam nicht nur präzisere Messungen, sondern mache die Textilien auch leichter, luftdurchlässiger und waschbeständiger.

Die neue Technologie soll zudem durch geringe Herstellungskosten und minimalen Stromverbrauch überzeugen, da auf gängige Materialien zurückgegriffen werde, die breit verfügbar und industriell erprobt seien. Auch die Integration in bestehende Fertigungsprozesse soll unkompliziert möglich sein. Der entscheidende Vorteil der Sono-Textilien liegt jedoch in ihrer hohen Funktionalität bei gleichzeitigem Tragekomfort, wodurch sie für den Einsatz in Bereichen wie Medizin, Sport oder Alltag prädestiniert seien.

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Sensorische Intelligenz durch Akustik

Die von der ETH Zürich entwickelte Technologie basiert auf der Integration von Glasfasern in handelsüblichen Stoffen. Die Forschenden hätten diese Fasern in regelmäßigen Abständen in das Gewebe eingearbeitet. An einem Ende jeder Faser befindet sich ein kompakter Schallwellensender, während das andere Ende mit einem Empfänger verbunden ist. Dieser analysiert, ob und wie sich die Schallwellen während ihrer Ausbreitung verändert haben – etwa durch Druck, Bewegung oder Dehnung der Faser.

Ein zentrales Element der Technologie sei der Einsatz unterschiedlicher Frequenzen für jede Glasfaser. Dadurch werde es möglich, mit geringem Rechenaufwand präzise zu lokalisieren, in welchem Bereich des Textils eine Veränderung aufgetreten sei. Frühere akustikbasierte Textilsysteme seien oft an einer zu hohen Komplexität bei der Signalverarbeitung gescheitert. Die neue Lösung hingegen reduziere den Datenaufwand signifikant, was perspektivisch eine direkte Übertragung der Messergebnisse an Smartphones oder Computer in Echtzeit ermöglichen soll.

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Ultraschall als Grundlage der Datenübertragung

Die Glasfasern reagieren auf jede Form der Bewegung – sei es durch die Atmung, Muskelkontraktionen oder äußere Einwirkungen. Wenn sich eine Faser bewegt, verändert sich die Länge der Schallwelle in der Faser, da Energie verloren geht. Dies ermögliche eine präzise Rückverfolgung der Bewegung im Raum. Die Forschenden verwendeten Ultraschallfrequenzen um 100 Kilohertz, die weit außerhalb des menschlichen Hörbereichs liegen und somit keine akustische Beeinträchtigung im Alltag darstellen.

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Diese Grafik zeigt was passiert, wenn die Glasfasern berührt werden.

Foto: Yingqiang Wang/ETH Zürich

Anwendungen mit gesellschaftlichem Potenzial

Die Machbarkeit der Sono-Textilien wurde bereits unter Laborbedingungen erfolgreich demonstriert. Die Vision des Forschungsteams sieht zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten vor – insbesondere in der Gesundheitsüberwachung. So könnten beispielsweise smarte T-Shirts Atemmuster bei Asthmapatienten analysieren und im Notfall automatische Warnungen auslösen. Darüber hinaus seien auch Szenarien denkbar, in denen textile Schnittstellen als intuitive Eingabegeräte für Mensch-Maschine-Interaktionen genutzt werden – etwa in der Rehabilitation, im Gaming oder im industriellen Kontext.

Die Forschenden betonen, dass es sich um eine grundlegende Plattformtechnologie handle, die kontinuierlich weiterentwickelt werde. Die Kombination aus geringen Kosten, hoher Funktionalität und flexibler Integration eröffne neue Perspektiven für die textile Sensorik – und markiere einen potenziellen Wendepunkt auf dem Weg zur nahtlosen Verschmelzung von Kleidung und digitaler Intelligenz.

Von Text: ETH Zürich / RMW