Zum E-Paper
Grüner Wasserstoff 04.06.2025, 11:00 Uhr

Studie zeigt überraschend hohe Kosten für den Export von afrikanischem Wasserstoff nach Europa

Grüner Wasserstoff aus Afrika ist teurer als erwartet. Eine TUM-geführte Studie zeigt: Nur mit staatlichen Garantien wird der Export nach Europa wettbewerbsfähig.

PantherMedia F92439950

Um Europas Bedarf an Grünem Wasserstoff zu decken, setzen Politik und Wirtschaft auf die Produktion in Afrika. Eine Studie unter Leitung der Technischen Universität München (TUM) zeigt nun, dass die Finanzierungskosten für Produktionsanlagen in afrikanischen Staaten deutlich höher sind als bisherige Kalkulationen angenommen hatten.

Foto: PantherMedia / Mehaniq

Grüner Wasserstoff aus Afrika – so lautet das große Versprechen in vielen politischen und wirtschaftlichen Strategien für die Dekarbonisierung Europas. Doch eine neue, unter Leitung der Technischen Universität München (TUM) durchgeführte Studie, kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Die Finanzierungskosten für Wasserstoff-Produktionsanlagen in Afrika sind deutlich höher als bislang angenommen. Demnach sind nur etwa zwei Prozent von über 10 000 untersuchten Standorten tatsächlich geeignet, bis 2030 wettbewerbsfähig Grünen Wasserstoff für den Export nach Europa zu produzieren. Entscheidend für die wirtschaftliche Realisierbarkeit wären staatliche Preis- und Abnahmegarantien.

CO2-negativer Wasserstoff durch Methan-Cracking: TH Köln optimiert klimapositive Produktion

Grüner Wasserstoff als Hoffnungsträger der Energiewende

Grüner Wasserstoff gilt als Schlüsselelement für eine klimaneutrale Industrie – insbesondere für energieintensive Sektoren wie die Stahlproduktion. Der Wasserstoff ist dann „grün“, wenn er durch Elektrolyse auf Basis erneuerbarer Energien erzeugt wird. Da Europa voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seinen zukünftigen Wasserstoffbedarf vollständig selbst zu decken, rückt Afrika als möglicher Produktionsstandort in den Fokus. Zahlreiche Initiativen gehen davon aus, dass vor allem Küstenstaaten mit günstigen Sonnen- und Windbedingungen zur neuen Wasserstoffquelle Europas werden könnten.

Tatsächlich befinden sich einige erste Projekte in der Planungsphase, der Großteil jedoch ist noch konzeptionell. Die Potenziale werden oft überschätzt, die finanziellen und politischen Realitäten hingegen unterschätzt.

Neue Berechnungsmethode deckt hohe Finanzierungskosten auf

Ein zentrales Problem ist laut der Studie die bisherige Herangehensweise an Finanzierungskosten. Gängige Kalkulationsmodelle arbeiten mit Pauschalwerten, die regionale Unterschiede kaum berücksichtigen. „Die gängigen Modelle für Grüner-Wasserstoff-Anlagen nutzen meist pauschale Finanzierungskosten. Die Bedingungen für Investitionen sind aber in jedem Land unterschiedlich und in vielen afrikanischen Ländern besonders risikoreich“, erklärt Florian Egli, Professor für Public Policy for the Green Transition an der TUM.

Das interdisziplinäre Forschungsteam von TUM, University of Oxford und ETH Zürich entwickelte daher eine neue Berechnungsmethode. Sie bezieht politische Stabilität, Rechtssicherheit, Transportinfrastruktur und weitere länderspezifische Faktoren ein. Untersucht wurden 31 afrikanische Staaten. Das Modell geht davon aus, dass die geplanten Wasserstoffanlagen im Jahr 2030 operativ sind und dass der Wasserstoff in Form von Ammoniak nach Rotterdam verschifft wird.

Mikrobielles Fassadenkonzept: Wie lebende Farbe CO2 bindet und Luft reinigt

Finanzierungskosten beeinflussen den Wasserstoffpreis erheblich

Die Untersuchung umfasst vier Szenarien, die sich in Zinshöhe und Risikoübernahme unterscheiden. Je nach Konstellation variieren die effektiven Finanzierungskosten zwischen acht und 27 %. Die meisten bisherigen Modelle waren nur von 4 bis 8 % ausgegangen.

Die Berechnungen zeigen deutlich: Ohne politische Rückendeckung ist Grüner Wasserstoff aus Afrika teuer. Müssten Betreibende die Risiken vollständig selbst tragen, läge der günstigste Preis pro Kilogramm bei knapp fünf Euro. Mit Preis- und Abnahmegarantien der Politik sowie niedrigeren Zinssätzen könnte der Preis auf etwa drei Euro pro Kilogramm sinken. Zum Vergleich: Bei der Ausschreibung der Europäischen Wasserstoffbank 2024 lag das niedrigste erfolgreiche Gebot bei unter drei Euro pro Kilogramm – ein Wert, den Afrika nur unter optimalen Bedingungen erreichen kann.

„Grünen Wasserstoff in Afrika für den Export nach Europa zu produzieren, ist deutlich teurer als angenommen“, sagt Stephanie Hirmer, Professorin für Climate Compatible Growth an der University of Oxford. „Die sozio-politischen Risiken wurden bislang nicht ausreichend in die Kalkulationen einbezogen.“

Nur wenige Standorte mit echtem Exportpotenzial

Das Forschungsteam prüfte über 10 000 potenzielle Standorte. Bei einem weiterhin hohen Zinsniveau wären lediglich rund 200 davon in der Lage, den angestrebten Preis von drei Euro zu erreichen – vorausgesetzt, es existieren staatliche Garantien. Diese Standorte verteilen sich auf Algerien, Kenia, Mauretanien, Marokko, Namibia und den Sudan.

Sicherheitsrisiken konnten allerdings nur auf nationaler Ebene berücksichtigt werden. Viele technisch geeignete Standorte liegen in Regionen mit instabiler Sicherheitslage, was die Zahl der realistisch nutzbaren Anlagen weiter verringern dürfte. „Afrikanische Produktionsstandorte können für den Export nach Europa nur dann wettbewerbsfähig werden, wenn die europäischen Staaten garantieren, dass sie bestimmte Mengen Grünen Wasserstoffs zu festgelegten Preisen abnehmen“, sagt Florian Egli. „Darüber hinaus würden Kreditausfallgarantien helfen, die beispielsweise die Weltbank gewähren könnte. Nur mit solchen politischen Instrumenten kann der Afrika-Europa-Handel mit Grünem Wasserstoff etabliert werden, sodass im weiteren Verlauf die Kosten möglicherweise sinken.“

VDI 3822 Blatt 1.2 E: Systematische Schadensanalyse für Metallprodukte in wässrigen Medien

Stabile Rahmenbedingungen sind entscheidend

Neben den rein wirtschaftlichen Aspekten betonen die Forschenden die Bedeutung langfristiger, fairer Partnerschaften zwischen Afrika und Europa. Stephanie Hirmer macht deutlich: „Es geht auch um eine Frage der Fairness. Wenn der momentane Hype nicht mit sinnvollen politischen Maßnahmen unterfüttert wird, riskieren wir Projekte, die am Schluss weder kostengünstig sind noch einen Mehrwert für die Bevölkerung vor Ort schaffen.“

Schlussfolgerung: Ohne Garantien kein Markt

Die Studie der TUM und ihrer Partner zeigt klar: Grüner Wasserstoff aus Afrika ist keineswegs automatisch die kostengünstige Lösung, als die er oft dargestellt wird. Ohne konkrete politische Maßnahmen – insbesondere Preis- und Abnahmegarantien – bleiben selbst technisch machbare Projekte wirtschaftlich unattraktiv. Eine wettbewerbsfähige Produktion von Grünem Wasserstoff Afrika setzt stabile, partnerschaftliche Rahmenbedingungen voraus. Nur dann kann sich der Exportmarkt entwickeln – mit Vorteilen für beide Kontinente.

Von Text: TUM / RMW