Zusätzliches Geld für Gebäudesanierungen 20.07.2021, 13:36 Uhr

„Fit for 55“: EU-Gesetzespaket zum Klimaschutz vorgestellt

Vergangene Woche stellte Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, in Brüssel das Klimaschutzpaket „Fit for 55“ vor. Das weltweit bisher umfangreichste Klima-Gesetzesvorhaben soll sicherstellen, dass die EU ihren Treibhausgasausstoß bis zum Jahr 2030 um 55 % im Vergleich zu 1990 senkt und bis 2050 klimaneutral wird.

Meilenstein für den europaweiten Klimaschutz: Am 14. Juli hat Ursula von der Leyen ein EU-Paket mit konkreten Gesetzentwürfen zum Schutz des Klimas vorgestellt. Foto: EU-Kommission

Meilenstein für den europaweiten Klimaschutz: Am 14. Juli hat Ursula von der Leyen ein EU-Paket mit konkreten Gesetzentwürfen zum Schutz des Klimas vorgestellt.

Foto: EU-Kommission

Die schlimmen Bilder in TV und Printmedien zeigen es: Die Auswirkungen der Erderwärmung sind bereits spürbar. Die Temperaturen steigen, Hitzewellen, Unwetter und Überschwemmungen nehmen zu. Die Gletscher tauen weg, die Arktis schmilzt. Mit düsteren Auswirkungen auf das Leben auf dem Planeten. Es ist höchste Zeit, dass die Menschheit reagiert. Die EU bemüht sich jetzt, wirksam zu handeln: endlich mit konkreten Gesetzen und Maßnahmen, statt mit nebulösen Zielvorgaben wie in der Vergangenheit. Im Dezember 2019 hatte Ursula von der Leyen das ambitionierte Projekt „European Green Deal“ zur Bekämpfung der Erderwärmung vorgestellt, das eine klimaneutrale EU bis zum Jahr 2050 anstrebt. Der Weg, wie dieses 55-Prozent-Reduktionsziel erreicht werden soll, stand lange Zeit nicht fest. Mit dem Gesetzespaket „Fit für 55“ liegen nun zur Abstimmung mit dem Europäischen Parlament und dem Europarat konkrete Vorschläge vor, wie die europäische Wirtschaft klimafreundlich umgebaut werden kann und was die einzelnen Sektoren der Wirtschaft dafür tun sollten.

Maßnahmenpaket betrifft viele Bereiche

Die Maßnahmen umfassen eine Anpassung existierender Richtlinien und Dossiers an die verschärften Ziele als auch neue Gesetzesvorhaben. Unter anderem:

  • EU-Emissionshandel (EU-ETS): Reduzierung der Zertifikate
  • Effort-Sharing-Regulation (ESR): Welchen Beitrag hat das einzelne Mitgliedsland zu leisten?
  • Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED)
  • Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFID)
  • Verordnung zur Festlegung von CO2-Emissionsstandards für PKW und Transporter
  • Richtlinie zur Energiebesteuerung (ETD)
  • Überarbeitung der Energieeffizienzrichtlinie (EED)
  • Ein separaten Emissionshandel für die Sektoren Gebäude und Verkehr (ETS 2)
  • Ein CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM)

Vorgesehen sind also neue Steuern und Zölle, das faktische Ende des Verbrennermotors – keine Neuzulassung ab 2037 – und eine Kerosinsteuer für innereuropäische Flüge sowie eine Abgabe für Importe aus Drittländern, die klimaschädlicher produzieren als die EU. 

Klimaneutralität: Deutschland schon unterwegs

Brüssel schlägt damit die Richtung ein, die Deutschland mit dem novellierten Klimaschutzgesetz in Teilen schon grob geht. Die Bundesrepublik will bereits 2045 klimaneutral sein. Dieses neue Ziel hat sie im Gesetz verankert. Mit dem Sofortprogramm 2022 stellt sie zusätzliche acht Milliarden Euro bereit für eine Industrie ohne Kohle, für grünen Wasserstoff und grünen Stahl, für energetische Gebäudesanierung und klimafreundlichen Verkehr. Mit 4,5 Milliarden Euro ist über die Hälfte der Mittel des Acht-Milliarden-Sofortprogramms für die energetische Sanierung von Gebäuden und den Einbau energieeffizienter Heizungen vorgesehen. Und ab 2023 will der Bund keine Heizungen mehr fördern, die ausschließlich mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Als Zuschüsse für die Jahre 2022 bis 2025 sind 93 Milliarden Euro im Gespräch.

Künftig weniger CO2-Zertifikate

Die 55 % sind total zu sehen. Einige Sektoren müssen noch mehr Emissionen vermeiden, andere weniger. Der CO2-Ausstoß im Industriebereich etwa soll bis 2030 auf die Hälfte sinken. Seit 2005 versucht die EU mit marktwirtschaftlichen Instrumenten Klimaschutz zu machen: Betreiber von Industrieanlagen, die klimafreundlich produzieren, können ihre Verschmutzungsrechte an Betriebe verkaufen, die mehr Zertifikate brauchen. Der Emissionshandel deckt rund 40 % des Ausstoßes in der EU ab und gilt für rund 12.000 Betriebe: Kraftwerke, Zementfabriken, Raffinerien, Stahlhütten. Künftig wird es für die Industrie deutlich teurer, CO2 auszustoßen: Gratis-Zuteilungen von Emissionsrechten werden gekürzt, die Menge der Zertifikate wird nochmals verringert, was Preise steigen lässt. EU-Unternehmen stehen allerdings in Konkurrenz zu Firmen im Rest der Welt, die oft niedrigere Standards anlegen. Brüssel schlägt einen Grenzausgleichsmechanismus vor, um unfairen Wettbewerb und die Abwanderung europäischer Unternehmen zu verhindern. Wer von außen Produkte wie Stahl, Aluminium, Zement, Düngemittel oder Strom in die EU einführt, die weniger klimafreundlich produziert wurden, muss eine Abgabe zahlen.

Erdgas für KWK geduldet

Was den Wärmemarkt angeht, bedarf es auf europäischer Ebene eine Novellierung der EU-Richtlinien für erneuerbare Energien (RED), Energieeffizienz (EED) und Gebäude (EPBD). Die Bundesregierung hält dabei die von der Europäischen Kommission im „Klimazielplan 2030“ berechnete EU-weite Reduktion des Primärenergieverbrauchs um 39 bis 41 % und des Endenergieverbrauchs um 36 bis 37 % bis 2030 für erforderlich, um den notwendigen Effizienzbeitrag zur Erreichung des neuen EU-Klimaziels zu leisten. In zukünftigen Rechtserlassen wird indes Erdgas – insbesondere in effizienten KWK-Anlagen – vor dem Hintergrund des gleichzeitigen Ausstiegs aus der Kernenergie und der Kohleverstromung für einen Übergangszeitraum ein notwendiger Energieträger bleiben. Darauf verweist die Bundesregierung in ihrer „Stellungnahme zum ‚Fit For 55‘-Paket“.

In Anlehnung an das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS) wird Brüssel im EHS bisher ausgesparte Emissionen aus dem Straßenverkehr und dem Gebäudesektor laut „Fit for 55“ mit einem separaten neuen Emissionshandelssystem angehen. Ein bestimmter Teil der Einnahmen aus dieser Erhebung soll zur Abfederung etwaiger sozialer Auswirkungen sozial schwächeren Privathaushalten, Kleinstunternehmen und Verkehrsteilnehmern zugutekommen. Aus einem zu schaffenden Klima-Sozialfonds erhalten die Mitgliedstaaten dann eigens Mittel, um Bürgerinnen und Bürgern Investitionen in Energieeffizienz, neue Heiz- und Kühlsysteme und sauberere Mobilität zu gewähren.

Vorbild Bundesverwaltung

Das Klimaschutzprogramm 2030 wie auch das deutsche Klimaschutzgesetz legen fest, dass die Bundesverwaltung als Vorbild agiert. Ziel ist, die Liegenschaften bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu organisieren. Bis 2025 sollen unter anderem die obersten Bundesbehörden mit mindestens 50 % Elektro- oder Hybridfahrzeugen ausgestattet sein. Im Sofortprogramm sind zusätzlich rund 50 Millionen Euro etwa für die Errichtung von Ladesäulen in Bundesliegenschaften vorgesehen.

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Von Dipl.-Ing. Bernd Genath, freier Fachjournalist aus Düsseldorf