Elektroindustrie hofft auf Impulse aus dem Gebäudesektor
Wie viele Branchen musste auch die Elektroindustrie ihre Umsatzerwartungen unter Einfluss der Corona-Pandemie deutlich zurückschrauben. Auf das kommende Jahr blickt man beim Industrieverband ZVEI aber wieder vorsichtig optimistisch. Gründe dafür sind der Trend zu intelligenten Gebäudeautomationssystemen sowie eine zunehmende Elektrifizierung von Wärmeerzeugern.

Umsatztreiber: Die Elektroindustrie hofft auf die zunehmende Digitalisierung im Gebäudesektor.
Foto: panthermedia.net/ Funtap
Was Ingolf Jakobi bei der Vorstellung des Veranstaltungskonzepts für die im kommenden Jahr geplante Fachmesse Light + Building sagte, könnte auf den ersten Blick verblüffen: „Die Light + Building 2022 ist die Klimaschutzmesse par excellence“, so der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH). Klimaschutzmesse? Geht es bei der Frankfurter Leistungsschau nicht primär um Licht und Gebäudetechnik? Das wird auch 2022 nicht anders sein. Zunehmend geändert haben sich in den vergangenen Jahren allerdings die Möglichkeiten der verfügbaren Produkte sowie die Wahrnehmung im Markt. Ebenso wie die Wahrnehmung des Kunden: Im Gebäudesektor sind zunehmend gewerkeübergreifende Lösungen gefragt. Die intelligente Vernetzung von Heizung, Lüftung und weiteren gebäudetechnischen Komponenten mittels einer integrierten Steuerungsplattform wird zukünftig nicht nur in Gewerbeimmobilien zum Standard werden – mit gleich mehreren positiven Effekten: Der Komfort für den Nutzer steigt während die Belastung für die Umwelt sinkt. Erst Anfang November hatte der Digitalverband Bitkom im Rahmen der Studie „Klimaschutz und Energieeffizienz durch digitale Gebäudetechnologien“ auf die Vorzüge intelligenter Technik zur Reduzierung der CO2-Emissionen im Gebäudesektor hingewiesen. Am Institut für Technische Gebäudeausrüstung der TH Köln arbeiten Forschende derzeit an einer aussagekräftigen Entscheidungshilfe, die Planende dabei unterstützen soll, klimafreundlichere Gebäude zu realisieren. Jakobi trifft es also auf den Punkt: Eine zunehmende Digitalisierung von Gebäuden wird beim Erreichen der Klimaziele 2030 beziehungsweise 2045 eine tragende Rolle spielen – vermutlich auch mit positiven Effekten auf den Umsatz der Elektroindustrie.
Erwartete Geschäftszahlen 2021: Elektroinstallationssysteme mit Wachstum, Lichtindustrie erholt sich langsam
Nach aktuellen Zahlen des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e. V (ZVEI) hat sich der Markt im Bereich Elektroinstallationssysteme nach einem kurzen Einbruch zu Beginn der Corona-Pandemie stabilisiert. Das Jahr 2020 schloss die Branche mit plus vier Prozent ab. „Für das laufende Jahr gehen wir von einem Wachstum von rund 13 % aus“, so Klaus Jung, ZVEI-Fachverbandsgeschäftsführer Elektroinstallationssysteme, der seine Prognose wie folgt begründete: In den vergangenen Monaten sei verstärkt in die eigene Immobilie investiert worden. Der von der Corona-Pandemie nochmals beschleunigte Trend zum „Cocooning“ halte an. „Hinzu kommen mehr (sozialer) Wohnungsbau, Urbanisierung, die Renovierung des überalterten Bestands und eine starke Nachfrage nach Wallboxen und Ladeinfrastruktur. Diese günstigen Entwicklungen werden sich fortsetzen“, erwartet Jung.
Von der dringend nötigen Renovierungswelle im Gebäudesektor könnte auch die stärker gebeutelte Lichtindustrie profitieren. Nach einem Umsatzeinbruch von minus 14 % im Jahr 2020 geht die Branche für 2021 von einer leichten Erholung aus: Für das Gesamtjahr rechnet der ZVEI mit einer Steigerung von zwei bis drei Prozent. „Die wirtschaftliche Erholung wird durch Lieferschwierigkeiten bei Elektronikkomponenten und Verzögerungen bei bestehenden Projekten belastet, sodass die Lage insgesamt nach wie vor kritisch ist“, berichtet Dr. Jürgen Waldorf, ZVEI-Fachverbandsgeschäftsführer Licht. Allerdings: „Um die politischen Klimaziele im Bereich Licht zu erreichen, muss die Renovierungsrate von derzeit drei auf fünf Prozent oder mehr angehoben werden. Nach unseren Berechnungen könnten durch Renovierung der Beleuchtung in den Sektoren Industrie und Gewerbe allein in Deutschland im Jahr 2030 circa 18 Terawattstunden Energie (34 %) eingespart werden.“ Das entspräche voraussichtlich einer CO2-Einsparung von rund elf Millionen Tonnen. „Ökonomie und Ökologie gehen hier Hand in Hand: Eine Umrüstung von Altanlagen resultiert in besserer Lichtqualität und einer deutlichen Minderung des Energiebedarfs“, erläutert Waldorf.
Elektrifizierung von Wärmeerzeugern
Neben der Raum- und Gebäudeautomation hat die Elektroindustrie einen weiteren Wachstumsmarkt im Kontext des klimaneutralen Gebäudes identifiziert: Die Technik zum Heizen, Lüften sowie für die Warmwasserbereitung wird in einem zukünftigen Energiesystem unverzichtbarer Bestandteil sein. Nicht zuletzt, weil das Gebäude an sich elementar für die Energiewende ist und diese Anwendungen ein großes Effizienzpotenzial innehaben. So hat die aktuelle Klimapfade-Studie des BDI, an welcher der ZVEI beteiligt war, festgestellt, dass in Deutschland bis 2030 unter anderem sechs Millionen Wärmepumpen installiert werden müssen, um die Klimaziele im Gebäudesektor erreichen zu können. „Erneuerbare Wärme- und Warmwasserversorgung sind zentrale Elemente für klimaneutrale Gebäude“, so Karlheinz Reitze, Vorsitzender des ZVEI-Fachverbands Elektro-Hauswärmetechnik. „Mit Blick auf die klimapolitischen Ziele ist es unerlässlich, Strom und Wärme ganzheitlich zu betrachten und energieeffiziente Technologien wie Wärmepumpen zum Standard zu machen. Um die Attraktivität von Wärmepumpen zu erhöhen und das Ausbauziel zu erreichen, muss die Nutzung von erneuerbarem Strom durch die Abschaffung der EEG-Umlage angereizt werden.“ Moderne Wärmepumpen sind gleichermaßen für den Einsatz im Neubau und zur Bestandssanierung geeignet. Als Systemlösungen in Kombination mit Photovoltaikanlagen, Stromspeichern und Energiemanagementsystemen werden die Geräte noch effektiver.
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