Honorarordnung für Ingenieure 30.09.2020, 10:00 Uhr

Bundesrat weist Entwurf zur HOAI zurück

Eigentlich sollte alles recht schnell gehen. Nachdem der Europäische Gerichtshof EuGH am 4. Juli 2019 entschieden hat, dass die verbindlichen Mindest- und Höchsthonorarsätze der HOAI Honorarordnung für Ingenieur- und Architektenleistungen gegen verschiedene Absätze des Artikels 15 der EU-Dienstleistungsrichtlinie verstoßen, bestand für die Bundesrepublik die Pflicht, die nationale Rechtsordnung an die Vorgaben des Urteils anzupassen.

Der Bundesrat hat den Novellierungsvorschlag der Bundesregierung zur Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zurückgewiesen. Foto: panthermedia.net/C_Palazzini

Der Bundesrat hat den Novellierungsvorschlag der Bundesregierung zur Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zurückgewiesen.

Foto: panthermedia.net/C_Palazzini

Also legte die Bundeskanzlerin am 18. September dieses Jahres die Anpassung in Form des „Entwurf eines Gesetzes für Änderung des Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen und anderer Gesetze“ (ArchLG) dem Deutschen Bundesrat vor. Wie üblich gehen Gesetze nicht auf das eigentliche Detail ein. Sie überlassen das ihrem Unterbau, den Verordnungen. Sie bilden nur die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass solcher Bestimmungen, hier der HOAI. Im Entwurf an den Bundesrat stand deshalb auch nur: „Im Gesetz zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen werden die vorgegebenen Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass einer entsprechend der Entscheidung vom Europäischen Gerichtshof geändert.“ Und in § 1 der ArchLG:

  • 1. Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen können künftig immer frei vereinbart werden.
  • 2. Es gilt als Vermutungsregel für den Fall, dass die Parteien keine wirksame Honorarvereinbarung schließen, ein Basishonorarsatz vereinbart, der dem bisherigen Mindestsatz entspricht.

Bundesrat: Keine Zustimmung zum Novellierungsvorschlag

Das war aber dem Bundesrat zu wenig. Er schloss sich der Auffassung seines federführenden Wirtschaftsausschusses an, der da meinte, diese einfache Formulierung in Punkt 1 lasse einen zu großen Spielraum in der Honorarberechnung. Also wies er den Entwurf zurück an die Bundesregierung mit der Bitte, „im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob in der künftigen Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Honorarordnung für Ingenieure- und Architektenleistungen nicht ausdrücklich klargestellt werden sollte, dass die Grundlagen und Maßstäbe zur Berechnung von Honoraren sich im Rahmen des Angemessenen bewegen müssen.“ Die Begründung für diesen Beschluss steht in der Drucksache 445/120: „Eine ausdrückliche Angemessenheitsregelung bezüglich der Honorare in der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage selbst könnte die gerichtliche Überprüfung sowohl zu hoher als auch zu niedrigerer Honorarforderungen erleichtern und langwierige Streitigkeiten zu vermeiden helfen, ohne das Mindest- oder Höchstsätze festgelegt werden. Entsprechende Angemessenheitsregelungen finden sich bereits im Steuerberatungsgesetz und der Steuerberatungsvergütungsverordnung sowie im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.“

Wenn die Auflage einer Angemessenheit Sinn machen soll, muss sie näher definiert sein. Spannend ist, mit welchen Formulierungen und Grenzziehungen sich der Bundestag aus der Affäre ziehen wird beziehungsweise ob er überhaupt der Bitte des Bundesrats nachkommt. Muss er nicht, er kann Gegenargumente anführen. Im Nichteinigungsfall kommt nach der Geschäftsordnung des Gesetzgebungsverfahrens der Vermittlungsausschuss ins Spiel.

Honorarordnung soll europaweite Chancengleichheit garantieren

Wegen der fehlenden Zustimmung der Ländervertretung verzögert sich nun die Novellierung. Die neue HOAI sollte eigentlich am 1. Januar 2021 in Kraft treten. Der EuGH hatte die Begründung der Bundesregierung, wonach Mindesthonorarsätze eine bestimmte Qualität der Leistung garantieren, nicht akzeptiert. Vor allem auch deshalb nicht, weil sich diese Mindestsätze an das Gefüge in der Bundesrepublik orientierten und nicht an das Gefüge zum Beispiel in Portugal. Damit sei eine Wettbewerbsverzerrung im freien Dienstleistungsverkehr innerhalb der EU gegeben: Gewerbetreibende dürften nicht automatisch von der Vergabe ausgeschlossen sein, wenn sie mit ihren Angeboten unterhalb der Mindestsätze nach HOAI blieben. Solche Unterschreitungen seien aufgrund des unterschiedlichen Preisgefüges in den Ländern der EU durchaus möglich, so die EU. Die Bundesregierung als Beklagte in dem Vertragsverletzungsverfahren hatte vor allem auf den Sicherheitsaspekt abgehoben. Ein Preiswettbewerb könne zu Lasten der Zuverlässigkeit der Ausführung gehen und damit im Extremen Gesundheit und Leben gefährden. Der zuständige Senat in Luxemburg wischte diese Sicherheitsbedenken nicht beiseite, er akzeptierte die Argumentation deshalb nicht, weil die HOAI über die Preisvorgabe hinaus keine weiteren Kompetenzen oder Qualifikationen der Bieter an einer Ausschreibung von Planungsleistungen verlange. Demnach könne sich jedes Kleinunternehmen für ein komplexes Projekt bewerben, ohne über die Rechnungshöhe hinaus seine Kompetenz zu belegen.

Verweis nach Luxemburg: Oberlandesgerichte uneinig über die Anwendung

Als Folge des Urteils vom 4. Juli 2019 entbrannte an den deutschen Gerichten ein Streit über die Frage, ob die HOAI-Mindestsätze bis zur Novellierung des Architektenleistungsgesetzes und der HOAI fortgelten beziehungsweise ob überhaupt die Richtlinie direkte Wirkung zwischen den Parteien entfalte. Das Oberlandesgericht Hamm vertritt im Urteil 21 U 24/18 vom 23. Juli 2019, also drei Wochen nach der Veröffentlichung des Europäischen Gerichtshofs, die Auffassung, die Bestimmungen der HOAI zumindest als Charakter seien ungeachtet der Entscheidung der EuGH zunächst weiterhin anwendbar. Im Gegensatz dazu verneint das Oberlandesgericht Celle im Urteil vom 14. August 2019 (14 U 189/18) die Anwendbarkeit der HOAI zur Honorarfindung: „Die Parteien können sich im laufenden Rechtsstreit infolge des EuGH-Urteils nicht mehr auf die Mindest- und Höchstsätze berufen.“ Der um Stellung gebetene BGH sieht sich mit der Rechtsprechung überfordert und legte deshalb im Mai dieses Jahres dem EuGH die Gültigkeitsfrage vor. Der hat sich bisher aber noch nicht dazu geäußert.

Von Dipl.-Ing. Bernd Genath, freier Fachjournalist aus Düsseldorf