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+++ Exklusiver Fachartikel +++ 04.09.2023, 00:01 Uhr

BIM-Anwendungsfälle als Meilensteine zur volldigitalisierten TGA-Planung

Mit dem Begriff Building Information Modeling (BIM) verbinden viele Protagonisten der Baubranche einen großen Paradigmenwechsel hin zu vollständig digitalisierten Prozessen. Und ein Paradigmenwechsel bedeutet BIM tatsächlich. Aber der ist aus mindestens drei Gründen nicht so „groß“ wie häufig angenommen.

Mit der Einführung der 3D-basierten Gebäudemodellierung eröffnen sich für die TGA-Planung viele Möglichkeiten, ausgewählte BIM-Anwendungsfälle zu realisieren. Damit verbunden ist sofort ein Mehrwert an Planungsqualität. Foto: Viega

Mit der Einführung der 3D-basierten Gebäudemodellierung eröffnen sich für die TGA-Planung viele Möglichkeiten, ausgewählte BIM-Anwendungsfälle zu realisieren. Damit verbunden ist sofort ein Mehrwert an Planungsqualität.

Foto: Viega

Erstens haben viele Planungsbüros bereits Abläufe und Tools etabliert, die eine ausgezeichnete Basis für die Einführung der Arbeitsmethodik darstellen. Zweitens lassen sich mit ausgewählten BIM-Anwendungen in jeder Leistungsphase entlang der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) die Vorteile der digitalen und integralen Planung auch schrittweise nutzen. Und drittens bieten Serviceangebote hierfür praktische und individuelle Unterstützung.

In allen Leistungsphasen der HOAI lassen sich definierte BIM-Anwendungsfälle nutzen. So kann der Change-Prozess für eine künftige Beteiligung an BIM-Projekten in das Alltagsgeschäft integriert werden. Grafik: Viega

Die Baubranche ist sich vom Grundsatz her einig: Mehr Digitalisierung wird durch schlankere Prozesse und mehr Prozesssicherheit zu deutlich mehr Produktivität führen. Die Studie „Ausbaufähig: Wie die Baubranche ihre Potenziale entfalten kann“ von EY-Parthenon und BayWa aus dem April 2023 kommt beispielsweise zu dem Schluss, dass auf BIM gestützten und nach Lean-Prinzipien gemanagten Baustellen bis zu 15 Prozent Zeit gespart wird, und die digital gestützte Prozessoptimierung Kostenersparnisse von bis zu zehn Prozent bringt.

Doch auf das eigene Unternehmen bezogen sind selbst digital-affine Planungsbüros bei der Bewertung von BIM oftmals zurückhaltender. In einer Umfrage der Bundesarchitektenkammer aus dem Jahr 2021 gaben 61 Prozent der Befragten beispielsweise an, dass BIM dem eigenen Büro keinen Mehrwert biete. Auch, weil viele Unternehmen die Aufwendungen für die Einführung von BIM und für die Mitarbeiterqualifikation höher einschätzen als die Vorteile dieser Arbeitsmethodik. Damit unterschätzen die meisten Planungsbüros aber nicht selten ihre eigene Kompetenz, wie Ulrich Zeppenfeldt, Vice President Global Service & Consulting bei Viega in zahlreichen Gesprächen festgestellt hat: „Vor allem kleinere Planungsbüros verkennen oft, wie gut sie eigentlich schon auf die Einführung der Arbeitsmethodik BIM vorbereitet sind. Bis zur Beteiligung an BIM-Projekten sind nämlich oft nur noch wenige Schritte zu gehen.“

„BIM-Anwendungen können TGA-Fachplaner auch bei konventionell geplanten Bauvorhaben in den verschiedenen Leistungsphasen nutzen. Das schafft sofort einen Mehrwert, steigert die Planungsqualität und baut die BIM-Expertise schrittweise auf“, rät Ulrich Zeppenfeldt, Vice President Global Service & Consulting bei Viega.

Foto: Viega

Als Verantwortlicher für den Bereich Global Service & Consulting unterstützt Zeppenfeldt mit seinem Kompetenzteam Investoren, Planungsbüros, ausführende TGA-Gewerke und Gebäudebetreiber bei der Einführung und Anwendung von BIM. Die Expertise wurde unter anderem aus den praktischen Erfahrungen des Neubaus der „Viega World“, dem interaktiven Weiterbildungszentrum in Attendorn-Ennest gewonnen – einem wissenschaftlich begleiteten BIM-Leuchtturmprojekt. Daraus abgeleitet wurde ein modular aufgebautes Serviceangebot, um in Unternehmen den Change-Prozess hin zur Implementierung von BIM individuell zu begleiten: „Viega Building Intelligence: Your BIM-Solutions“ besteht aus den Modulen Consulting, Training, Management und Systems. Der Bereich „Consulting“ beinhaltet die gemeinsame Erarbeitung einer Zieldefinition sowie der möglicherweise notwendigen Schritte, um im Unternehmen einen Change-Prozess hin zum Arbeiten mit BIM einzuleiten. Beim Modul „Training“ unterstützt Viega durch Schulungen und stellt auf Basis der eigenen Expertise die maßgeblichen Informationen und aktuelles Wissen zum Bauen mit BIM zur Verfügung. Zum Leistungskomplex „Management“ gehört die strategische und operative Unterstützung bei der Realisierung eigener BIM-Projekte. Dazu zählt auch die Begleitung bei BIM-gerechten Ausschreibungen und beim Aufbau eines Teams, das das Bauprojekt anschließend umsetzt. Die vierte Säule bildet „Systems“. Sie steht für leistungsstarke Softwarelösungen, die eine herstellerübergreifende Modellierung und Berechnung der TGA sowie die gewerkeübergreifende Kollaboration ermöglichen.

Das Serviceangebot von Viega beruht auf vier Säulen. Grafik: Viega

BIM-Anwendungsfälle ebnen den Weg

Entlang der Leistungsphasen der HOAI hat zum Beispiel BIM Deutschland, das nationale Zentrum für die Digitalisierung des Bauwesens, BIM-Anwendungsfälle identifiziert, deren Methodik bereits in VDI- und DIN-Normen beschrieben werden. Solche Anwendungsfälle bei einem Bauvorhaben umzusetzen, optimiert direkt die Planungsqualität. So können beispielsweise TGA-Planungsbüros einzelne BIM-Anwendungsfälle realisieren, auch wenn das Bauvorhaben kein BIM-Projekt ist. „Dieses Vorgehen ermöglicht die schrittweise Implementierung von BIM, um in Zukunft fit für die Beteiligung an ganzheitlichen BIM-Projekten zu sein. Denn ohne Frage wird es immer mehr solcher Anforderung geben, nicht nur bei Bauvorhaben der öffentlichen Hand“, schließt Ulrich Zeppenfeldt aus seinen Beobachtungen des Marktgeschehens.

Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist die Umstellung von einer konventionellen 2D-Planung auf eine 3D-Modellierung. Die Software „Linear Solutions – Viega Edition“ sei hier das ideale Werkzeug für die TGA-Planung mit Autodesk Revit. Da viele Planungsbüros bereits mit Autodesk-Produkten arbeiten, sind die Qualifizierungsschritte für die 3D-Modellierung nicht sehr groß. „Den kollaborativen Planungsprozess mit 3D-Modellen zu etablieren, gehört mit zu den Serviceleistungen von ‚Viega Building Intelligence: Your BIM-Solutions‘. Für die Handhabung der Software bieten wir in unserem neuen Seminarcenter praxisorientierte Schulungen und einen umfangreichen Support an“, so Zeppenfeldt. Darauf aufbauend bringen folgende BIM-Anwendungsfälle speziell in der TGA-Planung einen großen Mehrwert an Planungssicherheit:

Bedarfsplanung

Berechnungen anhand eines 3D-Modells erhöhen signifikant die Planungsqualität. Resultiert die Heizlastberechnung beispielsweise aus dem Architekturmodell, sind die tatsächlichen Energiebedarfe im Vergleich deutlich präziser zu ermitteln. Das führt nicht nur zu einer besseren Energiebilanz des Gebäudes, sondern optimiert auch die Dimensionierung und Rohrnetz-Planung.

Anwendungsfall „Bedarfsplanung“: Ein mit Autodesk Revit entwickeltes 3D-Modell bildet die Ausgangs- und Datenbasis für eine weitere Planung und Berechnung der TGA im Gebäudemodell. Typische Beispiele sind die Heizlastberechnung aus dem Architekturmodell, die Rohrnetz-Planung und Rohrnetz-Dimensionierung oder die Ableitung von Materiallisten.

Foto: Viega

Visualisierung

Die Datentiefe aus der Arbeit am 3D-Modell macht eine Ableitung von unterschiedlichen darstellenden Elementen möglich. Bilder, Renderings und sogar die Betrachtung der Fachmodelle per Virtual Reality oder Augmented Reality führt bei allen Beteiligten zu einem klaren und einheitlichen Verständnis. Das gilt auch für fachliche Laien auf Seiten des Auftraggebers oder der Allgemeinheit bei Bauvorhaben von öffentlichem Interesse.

Anwendungsfall „Visualisierung“: Die Darstellung der TGA-Planung anhand eines 3D-Modells hebt die geforderte Visualisierung auf ein neues Niveau. Die Daten erlauben die Erstellung von Bildern, Renderings oder Live-Demonstrationen per Virtual Reality oder Augmented Reality.

Foto: Viega

Koordination der Fachgewerke

Die TGA-Fachmodelle in einem 3D-Kollisionsmodell zusammenzuführen, führt dazu, das beispielsweise Störungen der Leitungsführungen gewerkeübergreifend schon bei der Planung offensichtlich werden – und nicht erst viel später bei der Bauausführung. Zeitverzögerungen, improvisierte Lösungen und aufwendige Nachtragsplanungen werden auf diese Weise vermieden. Zudem lässt sich die Schlitz- und Durchbruchsplanung sehr unkompliziert aus dem Koordinationsmodell ableiten.

Anwendungsfall „Koordination der Fachgewerke“: Schon in der Planungsphase Kollisionen über alle TGA-Gewerke hinweg zu identifizieren, beschleunigt die Bauausführung und senkt Baukosten.

Foto: Viega

Bauwerksdokumentation

Die Daten eines 3D-Gebäudemodells lassen sich über die Phasen Planung und Ausführung hinaus auch für den Betrieb des Gebäudes während des gesamten Gebäudelebenszyklus hinweg nutzen. Passend zu diesen Phasen wird die Datentiefe detailliert. Viega hat sein Produktdaten hierfür beispielsweise granular und vernetzt aufbereitet. So lassen sie sich direkt von der Planung in weitere Leistungsphasen übertragen. Planungsbüros sparen somit Zeit und Kapazitäten. Der Investor oder Betreiber des Gebäudes profitiert ebenfalls von einer Bauwerksdokumentation in 3D. Mit den Daten können beispielsweise im Gebäudebetrieb Energieströme und -verbräuche dargestellt und effizienter gestaltet werden.

Den Change-Prozess einleiten

Die Befürchtung mancher Planungsbüros, die Einführung von BIM sei überfordernd, lässt sich zerstreuen. Die Implementierung dieser Arbeitsmethodik und die weitere Entwicklung zum digitalen Bauen kann schrittweise realisiert werden, ohne sich direkt an ausgeschriebenen BIM-Projekten beteiligen zu müssen. Führen Planungsbüros parallel zur klassischen 2D-basierten Planung die Modellierung am 3D-Gebäudemodell ein, lassen sich in den verschiedenen Leistungsphasen einzelne oder mehrere BIM-Anwendungsfälle auch für konventionell aufgesetzte Bauvorhaben nutzen. Das führt zum einen direkt zu einer höheren Planungsqualität. Zum anderen bietet dieses Vorgehen die Möglichkeit, im Alltagsgeschäft Erfahrung in der Anwendung von BIM zu sammeln.

„Damit jetzt zu beginnen, ist angesichts der Dynamik im Bauwesen nur zu empfehlen“, meint Ulrich Zeppenfeldt. „Denn die meisten Bauvorhaben der öffentlichen Hand enthalten bereits BIM-Anforderungen. Und Investoren erkennen in der Anwendung von Building Information Modeling zunehmend die Potenziale, nachhaltiger zu bauen und Gebäude energieeffizienter zu betreiben, vor allem aber insgesamt wirtschaftlicher zu agieren. Das können wir aus unseren Erfahrungen mit dem Neubau unseres Seminarcenters Viega World nur bestätigen“, so Zeppenfeldt.

Viega, Attendorn