Wärmewende: „Noch immer sind viele Kunden verunsichert.“
Große Versprechen, wechselnde Gesetze, neue Fristen: Die Energiewende in deutschen Heizungskellern ist ins Stocken geraten. Einblicke in den Alltag eines Heizungsbauers zwischen Fortschritt, Frust und der Suche nach verlässlichen Rahmenbedingungen gewährt ein Besuch in Baden-Württemberg.
Im Jahr 2001 übernahm Rolf Schöll den von seinem Großvater gegründeten Betrieb. Heute beschäftigt die Schöll GmbH zwei Gesellen und einen Auszubildenden, Schölls Frau kümmert sich um das Büro.
Foto: Reisser
Für Heizungsbauer Rolf Schöll aus Tübingen fühlt sich die Energiewende an wie ein politischer Drahtseilakt – mit wechselnden Balancierstangen. Der Betrieb setzt längst auf neue Technologien, doch klare Fahrpläne seitens der Politik fehlen. „Ich erinnere mich gut an die Zeit, als ich noch ein Steppke war und alles bei uns daheim am Küchentisch passierte“, erinnert sich Schöll. Dort schrieb die Mutter die Rechnungen für die Firma und wenn der Außendienst des Großhändlers zu Besuch kam, saßen alle dort recht familiär zusammen. „Man aß miteinander, besprach sich und jahrzehntelang waren es die gleichen Gesichter.“ Inzwischen führt er den Betrieb für Bad, Heizung, Sanitär und Flaschnerei, den es seit mehr als 90 Jahren in Tübingen gibt und inzwischen Schöll GmbH heißt, in dritter Generation. „Den dreistufigen Vertriebsweg lobe ich mir, denn online bestelle ich recht wenig. Stattdessen habe ich einen persönlichen Ansprechpartner. Wenn ich Unterstützung oder Rückmeldungen brauche, ist schnell jemand greifbar.“ Mit dem SHK-Großhändler Reisser aus Böblingen machte schon sein Großvater Geschäfte, so ist es bis heute geblieben. Auch wenn sich die Arbeitsbereiche gewandelt und die Tätigkeitsfelder erweitert haben, gerade im Hinblick auf erneuerbare Energien und alternative Systeme: Seit drei Jahren baut Rolf Schöll Wärmepumpen des gleichen Herstellers ein. Wie zufrieden seine Kunden bisher sind, kann er nur abschätzen: „Bisher hat sich keiner gemeldet, es gab also weder Reklamationen oder Probleme. Wenn die Menschen nicht meckern, ist alles in bester Ordnung – das besagt ja auch ein schwäbischer Spruch.“
Planungspolitisches Hin und Her
Sehr viel unklarer ist dabei die politische Gemengelage. Die Wärmepumpe sollte die Lösung sein. Doch statt eines technologischen Durchbruchs erleben SHK-Betriebe aktuell ein planungspolitisches Hin und Her. Während Ministerien um Gesetze ringen, kämpfen Handwerker mit unklaren Vorgaben, Fachkräftemangel – und der Frage, was sie ihren Kunden noch versprechen können. „Mit der Ampel-Koalition schienen alle wie auf Wolke 7 zu schweben. Die Regierung wollte die Energiewende in schnellem Tempo vorantreiben. Zusammen mit den alten Heizsystemen werde ich allmählich überflüssig, das war mein Gedanke. Ich bin davon ausgegangen, dass die jungen Kollegen dann nur noch Wärmepumpen machen“, erinnert sich Schöll.
Inzwischen gibt es eine neue Regierung mit einer neuen Marschrichtung. Die Veränderungen, die in wenigen Jahren in Aussicht gestellt wurden und die auch die SHK-Betriebe entsprechend vorgedacht und vorbereitet hatten, bekommen nun wieder neue Strukturen. Neben dem aufgehobenen Ölkesselverbot gelten nun auch neue Zeiträume. „Die Koalition will das Heizungsgesetz wieder entschärfen und das Tempo der Umsetzung drosseln. Die neue Deadline liegt jetzt im Jahr 2045. In meinem Berufsleben werde ich also bis zum Schluss immer noch Gas- und Ölheizungen einbauen“, erwartet Schöll.
Dabei hatte der Handwerksmeister extra an Wärmepumpen-Schulungen teilgenommen. „Gerade die physikalischen Grundlagen sind eine Weile her, wenn ich an meine Ausbildung denke. Daher habe ich das Angebot genutzt, um unsere Leistungen in der modernen Haus- und Gebäudetechnik zu erweitern.“ Um sich immer tiefer in die neue Technik einzuarbeiten und als Handwerksbetrieb das alternative System ausführen zu können, waren ihm die Fachschulungen an den laufenden Geräten wichtig und wertvoll. „Es gibt viel zu tun. Doch um den Einbau von klimafreundlichen Wärmepumpen zu beschleunigen, braucht es Fachleute, die das auch machen“, sagt Schöll.
Heute schaut der Heizungsbauer etwas ernüchtert auf die Situation. Denn ob Gas- oder Ölheizung, Holz- oder Pelletheizung, Solarheizung oder Heizanlagen im Verbund mit regenerativen Energien: Sein Betrieb wird auch weiterhin die komplette Breite der verschiedenen Varianten abdecken müssen. „Hurra, ich und die alten Systeme werden also nach wie vor gebraucht – doch eigentlich war das anders geplant und hat sich faktisch tatsächlich geändert“, so der Tübinger augenzwinkernd. Seine Mitarbeiter muss er nun weiterhin parallel qualifizieren, anstatt alles auf die Wärmepumpe zu fokussieren. „Es schadet zwar nicht, wenn man auch eine Ahnung von fossilen Brennstoffen hat. In unserem kleinen Betrieb ist ohnehin eine sehr breite Ausbildung wichtig. Doch der Wandel zeichnet sich nun doch deutlich langsamer ab als gedacht.“
Fachhandwerker wachsen nicht auf Bäumen
Die große Welle durch die Energiewende, die der Betrieb sowohl erhofft als auch befürchtet hatte, bleibt nun aus. „Betriebswirtschaftlich ist es mir so auch lieber, wenn wir eine stetige Veränderung realisieren. Die Fachhandwerker wachsen nicht auf Bäumen, der Markt an Arbeitskräften gibt es gar nicht her, dass wir alle Heizungsanlagen auf einmal erneuern. 100 Heizungen pro Jahr hätten wir als kleiner Betrieb gar nicht bewältigt – und das war ja durchaus mal gefordert, ich habe das mal im Sinne von Habeck berechnet.“ Mit vollen Auftragsbüchern und den Auflagen durch die Regierung hätte jedes Unternehmen weitere Monteure einstellen müssen – aber woher diese bekommen? Der Einsatz von Mitarbeitern aus Leihfirmen ist bei Spitzen zwar eine Handhabung, allerdings keine Dauerlösung. „Zum einen ist die Qualifikation oft nicht so hoch, zum anderen wollen die Leute auch nicht fest in einen Betrieb, die suchen eher Abwechslung“, weiß Schöll.
Momentan agieren alle in einem etwas ruhigeren Fahrwasser, so der Heizungsbauer: „So lange eine Heizungsanlage ihren Dienst tut, ist es auch ok. Nun kann man mit den Kunden überlegen, zu welcher Gelegenheit diese raus kommt und durch was sie dann ersetzt wird. Derzeit gibt es längere Übergangsfristen und einige Schlupflöcher. Die Hausbesitzer sind nicht mehr so unter Druck. Es war den Menschen auch schwer vermittelbar, dass sie ihren zehn Jahre alten Kessel plötzlich ein eine Wärmepumpe umbauen sollen. Das hätte wirtschaftlich wirklich keinen Sinn gemacht.“ Noch immer, so hat Schöll das Gefühl, sind viele Kunden verunsichert. Wer eine funktionstüchtige Anlage daheim hat, scheut den Wechsel. „Bei Gasthermen ist eher die Tendenz: wir warten ab, wie lange die Heizung noch läuft. Bei Ölheizungen ist die Bereitschaft größer und die Kunden wünschen sich den Austausch und die Aufklärung.“ Meist steht dabei die Wirtschaftlichkeit einer Wärmepumpe im Vordergrund, ob sich auch ältere Gebäude umstellen lassen auf erneuerbare Energien, mit welchem Aufwand das verbunden und wie pragmatisch alles auf lange Sicht ist.
Gerade bei Heizkörperanlagen ist mehr „Gehirnschmalz“ notwendig, gute Beratung und Planung gehen dem voraus: Welche Heizkörper müssen im Einzelnen betrachtet werden? Wie lassen sich größere Wärmeflächen schaffen? Lässt sich durch eine Fassadendämmung die Vorlauftemperatur reduzieren? Wie sind die Rohrleitungen konzipiert? Wie sieht die Berechnung der Gesamtheizungsanlage aus? „Bei einer sechsstelligen Summe als Investition, die der Eigentümer erst einmal vorstrecken muss, braucht es eine professionelle Herangehensweise“, weiß Schöll.
Eindeutige Ansagen erwünscht
Diese Expertise steuert der Handwerksbetrieb mit seinen Fachleuten gerne bei. Gleichzeitig wünscht sich der Heizungsbauer eindeutige Ansagen und klare Strukturen seitens der Politik, wie es die nächsten Jahre weitergeht. „Nach dem Regierungswechsel stehen alle wieder auf der Bremse. Dazu kommt nach wie vor der Fachkräftemangel in der Branche. Für viele Verbraucher ist das Thema Energiewende noch immer zu undurchsichtig.“ Die vielen blinden Flecken können die Heizungsbauer nicht auffangen. Stattdessen braucht es Klarheit bei den Förderprogrammen und mehr Unterstützung durch die Energieberater – doch auch diese laufen oft am Limit. „Wir Monteure können nicht auch noch Anträge schreiben für KfW und Bafa – schließlich wollen wir nicht ständig im Büro sitzen, sondern dort handwerklich arbeiten, wo wir gebraucht werden.“
Dass in Zukunft nicht alles allein mit Wärmepumpen zu schaffen ist, davon ist Schöll überzeugt: „Wir brauchen auf Dauer auch Gasanschlüsse, beispielsweise in der Tübinger Altstadt gibt das Baurecht im Denkmalschutz mit seinen Auflagen nichts anderes her. Das Fernwärmenetz wird die Kommunen auch noch intensiver beschäftigen, aber sie kommen ja kaum hinterher. Hauptsache die Bürokratie wird endlich in Angriff genommen.“ Mal Änderungen, mal Lockerungen, dann wieder Verschärfungen: Was ist der aktuelle Stand bei der Energiefrage, was kommuniziert die Presse, was hat Bestand? „Wir als Handwerker können uns nicht täglich neu einlesen, was ein Minister entschieden hat, welcher Umschlusszwang bis zu welchem Datum denn nun existiert oder auch nicht. Was wir jetzt brauchen: echte Transparenz und Klarheit.“




