Wärmenetze: Softwaretool unterstützt bei der Dekarbonisierung
Fernwärme ist gut fürs Klima – zumindest in der Theorie. In der Praxis wird in Deutschland derzeit nur rund 30 Prozent davon aus erneuerbaren Energien erzeugt.
Das Forschungsprojekt "TrafoWärmeNetz" arbeitet an einem digitalen Planungstool, das zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung in Deutschland beitragen soll.
Foto: Smarterpix / kip02kas
Von Gebäudeblöcken bis hin zu ganzen Stadtteilen – Nah- und Fernwärmenetze versorgen derzeit etwa sechs Millionen Haushalte in Deutschland mit Wärme. Mit rund 86 % wird der Großteil davon mittels Blockheizkraftwerken (BHKW) gewonnen. Diese arbeiten nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Dabei wird die durch die Energieerzeugung entstandene Abwärme für Heizzwecke genutzt. Der Knackpunkt: Als Brennstoffe kommen vor allem fossile Energiequellen wie Erdgas, Heizöl oder Kohle zum Einsatz. Nachhaltige Alternativen wie Biogas oder Pflanzenöl werden zwar auch eingesetzt, sind jedoch nicht in ausreichenden Mengen verfügbar.
Planungstool hilft bei der Umstellung auf wärmepumpenbasierte Wärmenetze
Einen Unterschied könnten Wärmepumpen bewirken, die statt Gas und Kohle die Umweltwärme als Quelle nutzen und diese effizient mit Strom auf ein höheres Nutztemperaturniveau anheben. Ihre Integration in bestehende Wärmenetze ist bisher jedoch aufwendig und teuer. Im Rahmen des Verbundvorhabens „TrafoWärmeNetz“ erarbeitet nun ein interdisziplinäres Forschungsteam Lösungen und Strategien für die systematisierte und standardisierte Integration von Wärmepumpen in bestehende Nah- und Fernwärmenetze. Ihr Ziel: Ein digitales Planungstool zu entwickeln, das vor allem kleineren und mittleren Energieversorgern und Netzbetreibern hilft, ihre fossil betriebenen Wärmenetze einfach und schnell in wärmepumpenbasierte Wärmenetze umzuwandeln. Projektbeteiligte sind die Hochschule für angewandte Wissenschaften München, das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, das Beratungsunternehmen Drees & Sommer, die Stadtwerke am See GmbH Überlingen, die Stadtwerke Pfaffenhofen a. d. Ilm und die Danpower GmbH.
Betreiber im Ungewissen: Es fehlt die Datengrundlage
„Aktuell wissen viele Betreiber nicht, welche Potenziale ihre Bestandswärmenetze überhaupt haben oder wie sie diese technisch und energiewirtschaftlich sinnvoll umrüsten können“, so Mathias Lanezki, Projektverantwortlicher von Drees & Sommer. Oftmals fehlen schlichtweg Daten und Vergleiche. Diese Lücke wolle man mit den Forschungsergebnissen und dem digitalen Planungswerkzeug schließen. „Schätzungen zufolge können durch die nachhaltige Transformation der kleinen und mittleren Bestandsfernwärmenetze rund 200.000 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden“, berichtet Professor Dr. Madjid Madjidi, Professor für integrale, EDV-gestützte Planung in der Gebäudetechnik an der Hochschule München. Mit dem geplanten Ausbau der Wärmenetze und der vollständigen Dekarbonisierung der Wärmeversorgung steige dieser Wert potenziell sogar auf jährlich bis zu zehn Millionen Tonnen CO2.
„Bisher ist eine Transformation bestehender Wärmenetze ziemlich aufwendig. Vor allem kleineren und mittleren Wärmeversorgern und Netzbetreibern fehlt es oft an technischem und planerischem Know-how, um ihre Wärmenetze zeit- und kosteneffizient umzurüsten. Hinzu kommen die bürokratischen Hürden. Eine nachhaltige Transformation dieser Wärmenetze kann daher nur durch Standardisierung und Systematisierung der Umstellprozesse gelingen“, ist Lanezki überzeugt. Als kleine und mittlere Bestandsfernwärmenetze definiert das Expertenteam dabei Wärmenetze, die im Leistungsbereich zwischen 300 Kilowatt (kWhth) bis zehn Megawatt (MWth) liegen. Damit können Wohnquartiere und Stadtteile mit etwa hundert bis mehreren tausend Einwohnern versorgt werden.
Software-Demonstrator liefert erste Erkenntnisse
Um die Grundlagen für eine Umstellung auf wärmepumpenbasierte Wärmenetze zu schaffen, bewertete das Expertenteam zunächst die Ausgangssituation und definierte die Anforderungen für eine Integration: Wie sehen Transformationsstrategien und mögliche Lösungen für wärmepumpenbasierten Bestandsnetze aus? Wann kommen welche Hybridsysteme in Frage und wann ist ein monoenergetisches System sinnvoll? Inwieweit sind sie technisch umsetzbar und wie viel CO2 kann dadurch eingespart werden? Aufbauend auf den Ergebnissen hat das Projektteam bereits einen Software-Demonstrator entwickelt, der in der Lage ist, den Wärmebedarf eines Gebäudes – und perspektivisch auch mehrerer Gebäude – präzise zu simulieren. Die Validierung des Demonstrators habe gezeigt, dass die Simulationsergebnisse mit denen etablierter Tools wie IDA ICE vergleichbar sind – bei gleichzeitig deutlich geringerem Zeitaufwand. „Diese Ergebnisse bilden eine solide Grundlage, um Wärmepumpen effizient auszulegen und ihre Integration in bestehende Wärmenetze technisch und wirtschaftlich fundiert zu planen“, sagt Lorenz Lange, Planer bei Drees & Sommer und Entwickler des Software-Artefakts.
Zusatzinformation: Schrittweise Prozesskette basierend auf Open-Source-Werkzeigen
Ein weiterer Baustein des Software-Demonstrators bildet die relevanten Wärmebedarfe eines beliebigen Gebiets in Deutschland ab. Das erfolgt über eine Kette von Open-Source-Werkzeugen mittels einer browserbasierten Entwicklung in OpenStreetMap, einer frei zugänglichen digitalen Weltkarte. Mit diesen Bedarfen können gezielt wirtschaftlich optimale Topologien für den Aus- oder Neubau von Wärmenetzen projektiert werden. Die berechneten Rohrnetze lassen sich anschließend mittels einer thermohydraulischen Rechnung hinsichtlich der Schlechtpunkte analysieren. Die Werkzeugkette setzt darauf, dass Excel in jedem Zwischenschritt zum Einsatz kommt, sodass Nutzende auch andere Werkzeuge, zum Beispiel für einen Quervergleich, einsetzen oder auch jeden Prozessschritt individuell gestalten können. Die Abbildung mit der schematischen Darstellung des entwickelten Prozesses kann unter nachfolgendem Link heruntergeladen werden. Das Forschungsprojekt läuft noch bis Ende 2026.
Weiterführende und detailliertere Informationen zum Projekt „TrafoWärmeNetz“ liefert ein Fachbeitrag in der September-Ausgabe der HLH. Hier berichten Wissenschaftler des Forschungsinstituts CENERGIE (Hochschule München) gemeinsam mit Experten von Drees & Sommer detailliert über den Simulator R2C2 und die mit seiner Hilfe gewonnenen Erkenntnisse.
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