Contracting-Modell 07.07.2025, 09:44 Uhr

Wärmenetz: Vorteile für Brauerei und Wohngebiet

In Regensburg profitieren die alteingesessene Bischofshof-Brauerei und das nahegelegene Wohn- und Gewerbeareal Dörnberg heute von einer gemeinsamen Energiezentrale und der Integration in ein neu entstandenes Wärmenetz. Mittlerweile bewährt sich das Konzept seit fünf Jahren.

Energieversorgung ganzheitlich gedacht: Die REWAG-Energiezentrale (vorne) mit der Brauerei Bischofshof als Hauptabnehmer (links) und dem Dörnberg Areal (hinten rechts). Foto: REWAG / T. Lex

Energieversorgung ganzheitlich gedacht: Die REWAG-Energiezentrale (vorne) mit der Brauerei Bischofshof als Hauptabnehmer (links) und dem Dörnberg Areal (hinten rechts).

Foto: REWAG / T. Lex

Zu Beginn hatte das Abendsberger Ingenieurunternehmen Gammel Engineering lediglich den Auftrag, ein Energiekonzept für die Regensburger Brauerei Bischofshof zu erstellen. Das war 2015/ 2016. Bis heute entstand aus diesen Plänen eine Energiepartnerschaft, der inzwischen neben dem Regensburger Energieversorger REWAG und der Brauerei auch der Investor des Dörnberg-Wohnareals am früheren Güterbahnhof der Bischofsstadt angehören. „Die Verhandlungen zwischen allen Beteiligten dauerten zwar einige Zeit. Doch dafür konnte die Energiepartnerschaft am Ende auch langfristig fixiert werden“, berichtet Michael Gammel, Geschäftsführer des beteiligten Ingenieurunternehmens. Und diese Energiepartnerschaft sieht heute folgendermaßen aus: Die REWAG hat die Investitionen in Energiezentrale, Dampfnetz und Fernwärme-Anbindung des Wohngebiets gestemmt und versorgt nun beide Objekte als Contractor. Zuvor hatte die Brau-GmbH, an der auch das Bistum Regensburg beteiligt ist, von Gammel einen Kosten-Nutzen-Vergleich zwischen der Contracting-Lösung und der ansonsten notwendigen Variante „Eigeninvestition“ anstellen lassen. Am Ende sprach sich Bischofshof für das Contracting-Modell aus.

Ausgangslage und erste Überlegungen

Am Anfang der Berechnungen standen nur die Energieverbrauchswerte der Brauerei fest. Der Jahreswärmebedarf von Bischofshof betrug 4 375 Megawattstunden; über den Jahreslastgang wurde der maximale oder Spitzen-Wärmeleistungsbedarf simuliert. Die Leistungsspitze beim Strombedarf und der jährliche elektrische Energiebedarf waren ebenfalls gemessen und damit gesicherte Werte als Basis für das Energiekonzept. Die zuständige Projektleiterin im Hause Gammel, Gaelle Cadiou, schaute im Zuge der Projektentwicklung aber weiter voraus. Denn parallel hatten die Planungen für das in der Nähe gelegene Quartier „Das Dörnberg“ auf einem früheren Güterbahnhofgelände begonnen. Die Hedwigsklinik und die Kreuzschule waren so nah, dass sie ebenfalls aus der neu entstehenden Energiezentrale „Dörnberg“ mit Wärme versorgt werden könnten, so Gaelle Cadious Überlegung. Und so entstanden Strategiepläne, die wesentlich umfassender waren, als sie der Ursprungsauftrag an Gammel Engineering vorgesehen hatte.

Das Konzept sah eine Energiezentrale mit zwei Funktionen vor: Zum einen die Wärmeversorgung für das Fernwärmenetz „Dörnberg“, zum zweiten die Versorgung der Brauerei Bischofshof mit Prozesswärme. Weil die Überschußwärme aus der Dampferzeugung in das Fernwärmenetz eingespeist wird, zeigen die Pläne zwei Netzstränge mit zwei unterschiedlichen Temperaturniveaus. Dabei ist die Energiezentrale auf die im Endausbau von „Das Dörnberg“ und der anderen Wärmeabnehmer notwendigen, prognostizierten Heizwärme- und Warmwasserbedarfe ausgelegt: Auf eine Spitzenleistung von 9 700 Kilowattstunden und eine Energiemenge über das Jahr von 17 920 Megawattstunden. Berücksichtigt sind in diesen Zahlen der jährliche Dampf- und Wärmebedarf der Brauerei Bischofshof sowie deren maximaler Anschlusswert.

Brenner und Mikrogasturbinen

Um diesen Gesamtbedarf aus einer Energiezentrale zu decken, wurden unterschiedliche Szenarien verglichen und schließlich folgende kombinierte Doppellösung empfohlen: Einerseits decken ein Vier-Zug-Kessel für fünf Tonnen Dampf pro Stunde (t/h) mit zwei vorgelagerten Gasturbinen die Grund- und Spitzenlast der Brauerei Bischofshof. Die Abgase der Gasturbinen werden in den vierten Zug des Kessels eingeleitet, um möglichst viel Grundlast abzudecken, während der konventionelle Teil den Restdampfbedarf deckt. Dazu wurde der Brenner für 3 300 Kilowattstunden Feuerungsleistung ausgelegt, die beiden Mikrogasturbinen leisten je 100 Kilowatt elektrisch und 333 Kilowatt thermisch. Ein konventioneller Dampfkessel mit 5 t/h Dampfleistung gewährleistet Redundanz und Reserve, zum Beispiel während der Wartungszeiten des Kraft-Wärme-gekoppelten Grundsystems.

Dampfkessel mit Wärmeverteilung.

Foto: REWAG / T. Lex

Nach dem Kessel ist ein Abgaswärmetauscher mit 85 °C Vorlauftemperatur angeschlossen. Für dieses ausgedehnte Fernwärmenetz wiederum sind vor allem vier Biomethan-BHKW mit je 265 kWel verantwortlich. Zwei Gaskessel mit je vier Megawatt Wärmeleistung sowie ein 52 Kubikmeter großer Wärmespeicher sorgen für eine 24/7-Wärmeversorgung.

Untergebracht werden sollte die Energiezentrale in einem zweigeschossigen, unterkellerten Gebäude mit gut 400 Quadratmetern Grundfläche und zehn Grad geneigtem Satteldach. Der 52 000 Liter-Pufferspeicher sowie Kühlanlagen und weitere Aggregate sollten direkt daneben aufgestellt werden. So sah es der Planungsstand im November 2016 vor.

Modifizierungen und Umsetzung

Der Vorschlag fand schließlich das grundsätzliche Gefallen des Versorgers REWAG und der Brauerei Bischofshof. In deren „Bierblog“ war im April 2018 dann auch vorausschauend zu lesen: „Bis zum Jahr 2019 will die Regensburger Stiftungsbrauerei Bischofshof zur ersten völlig klimaneutralen Brauerei in Bayern werden. Wichtigster Meilenstein auf dem Weg zu diesem Ziel soll eine rund 8,5 Millionen Euro teure neue Energiezentrale werden, die bis zum Herbst desselben Jahres ans Netz gehen soll.

Blockheizkraftwerk in der Energiezentrale.

Foto: REWAG / T. Lex

Die neue Energiezentrale, die der Regensburger Energieversorger REWAG auf dem Brauereigelände errichtet, wird die Brauerei sowie ein derzeit entstehendes neues Viertel mit 1 200 Wohnungen und die Kinderklinik St. Hedwig CO2-neutral mit Strom und Wärme versorgen.“ Der frühere Bischofshof-Brauereidirektor Hermann Goß sagte damals voraus, dass die Brauerei „2019 als Pionier in Bayern komplett klimaneutral produzieren wird. Bereits in den vergangenen Jahren hat die Brauerei mit Millioneninvestitionen an diesem Ziel gearbeitet und neue umweltschonende und energiesparende Technologien eingeführt.“ Dieses Ziel habe aber nur gefasst werden können, weil seit 2006 „das modernste Sudhaus der Welt hilft, rund 40 Prozent an Primärenergie einzusparen“. Der Stadt Regensburg war einst dieses Engagement sogar eines Umweltpreises im gleichen Jahr würdig gewesen.

Bei der Umsetzung des Energiekonzeptes gab es im Hinblick auf die strategische Entwicklung der Energiepartner vier Modifizierungen gegenüber dem ursprünglichen Gammel-Konzept, abgestimmt zwischen den drei Beteiligten Planer, Brauerei und Versorger. Mit einem Volumen von 75 000 Litern fiel der Wärmepuffer um die Hälfte größer aus. Das Hauptgebäude wurde mit einem Flachdach versehen, um die effektivere Anbringung einer Photovoltaik-Anlage zu ermöglichen. Und schließlich sind die drei BHKW in einem Anbau untergebracht, der die Erweiterung des Systems um ein viertes BHKW erlaubt.

BHKW-Zentrale, Lüftung und Schaltschränke.

Foto: REWAG / T. Lex

Im „Das Dörnberg“ wiederum wurde nicht nur auf Fernwärme aus der Energiezentrale gesetzt, sondern zukunftsweisend auch auf die damals noch als laues Lüftchen wahrgenommene Elektromobilität: An jedem Tiefgaragen-Stellplatz des Wohngebiets ist es möglich, eine E-Ladesäule zu installieren. Schon im ersten Bauabschnitt hatte jeder vierte Käufer die Chance genutzt, gleich von Beginn an eine solche Wallbox mit zu erwerben. Im weiteren Verlauf stieg die Wallbox-Quote immer weiter.

Bilanz nach fünf Jahren Betrieb

Was sagen die Beteiligten heute zur Energiezentrale, zur Fernwärmeversorgung, zum Ökoenergiedampf? Hermann Goß, ehemaliger Geschäftsführer der Brauerei Bischofshof, ist begeistert: „Das Ergebnis kann sich sehen lassen! Die Brauerei Bischofshof ist als eine der wenigen auf dem besten Weg zum klimaneutral gebrauten Bier. Und die Brauerei konnte sich den Großteil der notwendigen Investitionen in die Energieversorgung sparen. Es ist eine Energiepartnerschaft auf Augenhöhe zum Nutzen aller Projektbeteiligten entstanden.“

Die REWAG nennt das Ergebnis und die Zusammenarbeit mit dem Hauptabnehmer Bischofshof und dem Planer Gammel Engineering für alle Seiten einen vollen Erfolg. Michael Schmid, der sich als Handlungsbevollmächtigter der Facit GmbH, einer Tochter des Mit-Bauherren Haupt-Immobilien-Gruppe, um „Das Dörnberg“ gekümmert hat, nahm vor allem die gemeinsame Arbeit von REWAG und dem Energietechnik-Planer Gammel positiv wahr. Und was sagt Michael Gammel? Für ihn „war es ein großer Erfolg, dieses Projekt mit meinem Team gemeinsam umsetzen zu können. Wir arbeiten seit mehr als 35 Jahren an der Zukunft der Energie und beweisen auch mit diesem Leuchtturmprojekt unsere Expertise bei der Energiewende“.

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