Verfallen Mängelansprüche durch zweiten Werkvertrag?
Immer wieder streiten Auftraggeber und Auftragnehmer bei Bauvorhaben über angeblich oder tatsächlich mangelhaft erbrachte Leistungen. Wer nicht ungewollt auf seine Mängelansprüche verzichten möchte, sollte beim Abschluss eines weiteren Vertrages mit dem gleichen Auftragnehmer vorsichtig sein.

Foto: Panthermedia/discovery (YAYMicro)
Das Oberlandesgericht Brandenburg (Urteil vom 18. 12. 2024 – 4 U 218/21) hat über einen entsprechenden Fall entschieden. Der Auftragnehmer war vom Auftraggeber mit der Verlegung einer Folie beauftragt worden. Wegen Rissen in der Folie kam es zu Schäden. Der Auftragnehmer tauschte die Folie aus, beseitigte die Folgeschäden und stellte dem Auftraggeber diese Arbeiten in Rechnung. Dieser bezahlte die Rechnung. Als sich später herausstellt, dass die Rissbildung einen Mangel der Leistung des Auftragnehmers darstellte, forderte er die Vergütung zurück. Der Auftragnehmer macht geltend, dass er aufgrund eines neuen, entgeltlichen Vertrages für den Auftraggeber tätig geworden sei. Die Vergütung könne daher nicht zurückgefordert werden.
Vorsicht: Neuer Vertrag kann als Verzicht auf Mängelansprüche gedeutet werden
Tatsächlich kann der Abschluss eines (neuen) Werkvertrags über die Beseitigung von (eventuellen) Mängeln aus einem früheren Werkvertrag zugleich eine stillschweigende Vereinbarung über einen Erlass/Verzicht auf Mängelansprüche beinhalten. Dies ist eine Frage des konkreten Einzelfalls.
Wenn die Parteien über die Verpflichtung des Auftragnehmers zur Mängelbeseitigung streiten und der Auftraggeber einen entgeltlichen Auftrag erteilt, der (zumindest auch) die Beseitigung der streitigen Mängel umfasst, darf der Auftragnehmer dies so deuten, dass der Auftraggeber sozusagen im Streit nachgibt und auf seine Mängelansprüche verzichtet. Vorausgesetzt ist allerdings, dass der Auftraggeber seinerseits bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen konnte, dass sein Verhalten als Verzicht gedeutet werden könnte. Wenn etwa der Auftraggeber wiederholt – vergeblich – zur Nacherfüllung auffordert und dann ein Angebot des Auftragnehmers anfordert, das auch die „Mängelbeseitigung“ umfasst, und dieses beauftragt, kann er erkennen, dass in der Beauftragung ein Verzicht zu sehen ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19 .3. 1999 – 22 U 198/98).
Unrichtige oder unvollständige Informationen
Anders kann es sich verhalten, wenn der Auftraggeber durch eine pflichtwidrige Einwirkung des Auftragnehmers auf seine Willensbildung zu dem Auftrag veranlasst wurde. Dazu genügt es aber nicht, dass Streit über die Mängel herrscht. Vielmehr muss der Auftragnehmer den Auftraggeber etwa durch unrichtige oder unvollständige Informationen zu dem für ihn nachteiligen Abschluss eines entgeltlichen Vertrages veranlasst haben.
Gleichbedeutend ist auch das Verschweigen von Tatsachen durch den Auftragnehmer, wenn der Auftraggeber nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung eine Aufklärung erwarten durfte. Eine solche Aufklärungspflicht kann jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn der Streit der Vertragsparteien gerade um die Mangelhaftigkeit der Werkleistung geht. Anders ist es wiederum, wenn der Auftragnehmer die Mangelhaftigkeit seiner Leistung positiv kannte; dann darf er nicht unter Verschweigen dieser Tatsache auf Abschluss eines entgeltlichen Vertrages (unter anderem) zur Mangelbeseitigung drängen.
Verzicht nur in eindeutigen Fällen
Das Oberlandesgericht Brandenburg geht davon aus, dass wegen der weitreichenden Folgen eines Erlasses/Verzichts ein stillschweigender Erlass/Verzicht nur in eindeutigen Fällen in Betracht komme. Im entschiedenen Fall war zum Zeitpunkt der Schadensentstehung die Schadensursache unbekannt. Zudem war die notwendige Reparatur eilbedürftig. In einem solchen Fall komme es dem Auftraggeber in erster Linie auf die schnelle Beseitigung des Schadens an, während Haftungsfragen zunächst in den Hintergrund treten. Wenn der Auftraggeber in einer solchen Situation den Auftragnehmer mit Leistungen beauftrage, die auch die Beseitigung des Mangels mitumfassen, könne der Auftragnehmer dieses Verhalten nicht als vollständigen Verzicht auf Mängelansprüche deuten. Solange nämlich noch nicht geklärt ist, ob der Schaden möglicherweise Folge eines Mangels ist, kann ein redlicher Auftragnehmer erkennen, dass es nicht im Interesse des Auftraggebers liegt, auf seine Mängelansprüche zu verzichten.
Nach Ansicht des Gerichts ist das Verhalten des Auftraggebers vielmehr so auszulegen, dass sich der Auftraggeber jedenfalls die Rückforderung etwa zu viel gezahlten Werklohns aus dem neuen Auftrag vorbehält, falls sich herausstellt, dass die Mängelbeseitigung dem Auftragnehmer ohnehin oblag. Das Gericht verurteilte daher den Auftragnehmer zur Rückzahlung des Werklohns aus dem zweiten Auftrag. Während im Fall des Oberlandesgerichts Düsseldorf der Auftraggeber fest davon ausging, dass Mängel vorlagen, die der Auftragnehmer (kostenlos) zu beseitigen habe, war im Fall des Oberlandesgerichts Brandenburg zum Zeitpunkt der Beauftragung des Auftragnehmers die Mangelfrage noch völlig offen. Dies führt zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Um Risiken zu vermeiden, sollte der Auftraggeber, wenn der Abschluss eines neuen Vertrages mit dem bisherigen Auftragnehmer über die Beseitigung der (möglichen) Mängel insbesondere aus Zeitgründen erforderlich ist, im Vertrag einen Vorbehalt anbringen, dass er die Vergütung zurückfordern wird, wenn und soweit sich nachträglich herausstellt, dass ein Mangel der auftragnehmerischen Leistung vorliegt.
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